EitorfWie die Jugendhilfe mit der Corona-Krise umgeht

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Die Geschäftsführer Mattias Holland (l.) und Jürgen Sellge müssen das Sozialunternehmen durch die Pandemie steuern.

Die Geschäftsführer Mattias Holland (l.) und Jürgen Sellge müssen das Sozialunternehmen durch die Pandemie steuern.

Eitorf – Das jährliche Weihnachtsfest im Schützenhof ist ausgefallen. Das Sommerfest ist ausgefallen. Die Ferienfreizeit ist ausgefallen. Die Kinder und Jugendlichen, die der freie Jugendhilfeträger Mutabor betreut und begleitet, mussten im Corona-Jahr 2020 auf vieles verzichten. Aber eines wollen die Geschäftsführer Jürgen Sellge (58) und Matthias Holland (49) ihnen immer ermöglichen: den Kontakt zu ihren Ursprungsfamilien.

„Das ist ganz wichtig für die Kinder, die aus ihren Familien herausgenommen werden mussten“, berichtet Sozialarbeiter Holland. „Sie dürfen nicht den Boden unter den Füßen verlieren.“ Sehr schnell habe das auch der Gesetzgeber so verankert, ein Besuchsverbot gebe es nicht. Gleichwohl sind die begleiteten Kontakte zwischen den Ursprungsfamilien und ihren Kindern nicht mehr so einfach: Abstand statt Nähe ist angesagt. Verhaltensregeln würden im Vorfeld zwar mit den Eltern abgestimmt, aber nicht immer eingehalten. „Wir haben ja auch viele ganz kleine Kinder. Es ist oft nicht zu vermeiden, dass sie ihre Eltern umarmen.“

Kontakt zu Eltern halten

Nicht alle Eltern wollten in der jetzigen Situation ihre Kinder treffen, berichtet Holland weiter. „Manche sind selbst Risikopatienten oder leben mit einem zusammen.“ Der Kontakt müsse dann über das Telefon oder virtuell gehalten werden. Die Kinder und Jugendlichen kämen mit den Einschränkungen gut klar, so sein Eindruck.

Schwieriger sei es für die Eltern, denen das Jugendamt die Kinder entzieht. „Sie sind oft sehr aufgebracht und befürchten, aufgrund von Corona ihre Kinder nicht mehr sehen zu dürfen“, schildert Holland. „Aber wir bemühen uns sehr stark, dass der Kontakt schnell zustande kommt.“ Einen eigenen Chatroom hat Mutabor für Eltern, Kinder und auch die Pflegefamilien eingerichtet. Mit Tablets würde er sie gern ausstatten, doch die Anschaffung ist für den gemeinnützigen Träger zu teuer, das gehe nur über Spenden.

Denn Mutabor musste Kurzarbeit anmelden, auch kurz vor Weihnachten. In der ambulanten Jugendhilfe und bei der Schulbegleitung sei weniger zu tun gewesen, auch wenn viele Eltern die Möglichkeit genutzt hätten, die Schulbegleiter als Unterstützung zuhause anzufordern. „Wir sind froh, dass es uns gelungen ist, ohne betriebsbedingte Kündigungen zurecht zu kommen. Dazu trug auch die Bereitschaft aller angefragten Mitarbeitenden bei, sich vorübergehend auf Kurzarbeit einzustellen“, sagt Holland.

Feingefühl und Kreativität gefragt

Die Pandemie habe den Beschäftigten viel abverlangt. Sie mussten sich immer wieder auf neue Regeln einstellen, Homeoffice, Beratung per Video. Feingefühl und Kreativität im Umgang mit den Familien seien noch stärker gefragt als sonst, grade in der ambulanten Jugendhilfe. „Wie berät man Eltern, den Alltag besser zu meistern, wenn man sie nicht besuchen darf?“ So manche Familie schiebe Angst vor einer Infizierung vor, weil sie keinen Mitarbeiter der Jugendhilfe im Haus haben wolle. „Aber wir sind darauf angewiesen, die Kinder zu sehen“, sagt Holland.

Gerade im Lockdown erhöhe die Enge das Aggressionsrisiko, so Hollands Einschätzung. Die Zahl der Kinder, die aus ihren Familien genommen werden müssten, steige deutlich, sagt er, „auch schon vor der Pandemie“. Die Bereitschaft, ein Kind als Notfall aufzunehmen, sei dagegen nicht hoch genug: „Die Plätze sind immer schnell belegt“.

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Für das neue Jahr hofft er, „dass uns die Politik weiterhin unterstützt“, mit Kurzarbeitergeld, falls nötig, ebenso wie mit der Erstattung der coronabedingten Einnahmeausfälle durch das bis März verlängerte Sozialdienstleister-Einsatzgesetz. „Wir brauchen das, um durchzukommen“, sagt Holland. Corona sei eben „für alle ein echter Kraftakt“.

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