Eitorfer BestatterinAnja Welteroth begleitet Hinterbliebene in schweren Zeiten

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„Ich möchte nicht als Bestatterin gesehen werden, sondern als Begleiterin“, sagt Welteroth.

„Ich möchte nicht als Bestatterin gesehen werden, sondern als Begleiterin“, sagt Welteroth.

Eitorf – „Bestatter, das ist ein Frauenberuf“, findet Anja Welteroth, „ein Handwerk fürs Herz“. Im elften Jahr führt sie das Familienunternehmen, das ihr Urgroßvater Josef Welteroth 1920 aufbaute. Dabei habe sie sich lange nicht vorstellen können, das Bestattungshaus von ihrem Vater Horst zu übernehmen, und zunächst eine andere Karriere eingeschlagen.

15 Jahre lang war sie Personalkauffrau beim Kaufhof. Mit 35 Jahren übernahm sie 2010 dann doch das Bestattungsinstitut, machte eine Ausbildung zur Trauerbegleiterin. Dabei hatte sie durchaus Zweifel, ob sie als Nachfolgerin akzeptiert werden würde, berichtet sie, zumal sie vieles anders mache. In der Trauerhalle die Stühle statt in Reihen im Kreis aufzustellen zum Beispiel oder mit der Trauergemeinde statt in die Kirche hinauszugehen in die Natur.

Trauerservice für die ganze Familie

Sie ermutigt Eltern, ihre Kinder mit zu den Trauergesprächen für verstorbene Familienmitglieder zu bringen und sie in die Zeremonien des Abschiednehmens einzubinden. Sogar einen Trauerservice für Tiere bietet sie an, seitdem ein Hund sich im Hosenbein des Sargträgers verbiss und partout verhindern wollte, dass das tote Herrchen weggebracht wurde.

Erste Schritte

Bei einem Sterbefall zu Hause stellt der Hausarzt, die Hausärztin oder der Notdienst den Totenschein aus. Erst dann kann das Bestattungsinstitut kontaktiert werden. Dieses benötigt, um weitere Schritte einzuleiten, Dokumente: Personalausweis oder Reisepass des Verstorbenen, das Familienstammbuch oder andere beglaubigte Nachweise über den Familienstand, Heiratsurkunde oder bei Alleinstehenden die Geburtsurkunde, Krankenversichertenkarte und Rentennummer, bei Verwitweten Stammbuch und Sterbeurkunde des Partners, falls vorhanden noch Bestattungsvorsorgevertrag. (seb)

„Ich möchte nicht als Bestatterin gesehen werden, sondern als Begleiterin“, sagt Welteroth. Schwarze Kleidung und salbungsvolle Miene sind nicht ihr Ding. „Die Menschen sind doch schon traurig genug. Ich trage nur auf dem Friedhof den schwarzen Anzug. Formelle Kleidung schafft Distanz, und das möchte ich nicht.“

Fulltime-Job und starker Tobak

Wenn sie auf dem Friedhof ein Witwer in den Arm nehme und sich für die schöne Beerdigung seiner Frau bedanke, dann mache das vieles wett. Denn Bestatter ist ein in Fulltime-Job. 24 Stunden am Tag, an sieben Tagen der Woche hat sie das Telefon dabei, „sogar unter der Dusche“.

Eine, vielleicht zwei Wochen Urlaub im Jahr seien drin, mehr nicht. „Ein anstrengender, emotionaler Beruf“ sei es, ohne Supervision und Austausch nicht zu schaffen. Bei der Ausbildung zur Trauerbegleiterin lernte Welteroth andere Bestatterinnen kennen, mit denen sie auch heute noch redet, wenn alles über ihr zusammenschlägt. Für Freundinnen werde das schnell zu viel. „Das, was ich erzähle, ist ja auch starker Tobak.“

Trauer der Hinterbliebenen bliebt im Gedächtnis

Dabei sei es nicht der Umgang mit den Verstorbenen, der ihr nachhänge. „Von Toten habe ich noch nie geträumt“, sagt sie. Dabei habe sie vor ihrer Ausbildung am meisten Sorge gehabt, „ob die Toten in der Nacht zu mir kommen“. Aber selbst wenn sie Menschen bestatte, die durch Krankheit oder Gewalt gekennzeichnet seien, nehme sie das Entstellte nicht wahr.

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Die Trauer der Hinterbliebenen aber, „die beschäftigt mich lange“. Ein grauer Novembertag ist ihr im Gedächtnis geblieben, der Vater am Grab, seine beiden Kinder an der Hand. Und die zitternde Unterlippe des kleinen Jungen, der tapfer sein wollte für seinen Vater. „Das zerreißt mir das Herz.“

Erinnerungsstunde für die engsten Hinterbliebenen

Das habe sie lernen müssen, „diese Menschen gehen zu lassen“. Aber ganz allein lassen will sie sie nicht. Einmal im Jahr veranstaltet Welteroth eine Erinnerungsstunde im Spiegelsaal von Schloss Merten für die engsten Hinterbliebenen. „Ein geschützter Raum zum Weinen und Loslassen“ sei das – und zum Reden mit Menschen, die „alle das gleiche Schicksal teilen“: „Bei der Beerdigung reißen sie sich doch alle zusammen.“ Die im Januar angesetzte Erinnerungsstunde musste sie jedoch wegen der Corona-Schutzbestimmungen absagen.

Überhaupt erschwere die Pandemie ihren Beruf. Dass sie beim Umgang mit gestorbenen Covid-19-Patienten Schutzanzüge, Masken, Gesichtsvisiere und Handschuhe tragen müssen, daran hätten sie und ihre Mitarbeiter sich schnell gewöhnt.

Aber: Dass Infizierte in den Krankenhäusern allein sterben müssten, das mache ihr zu schaffen, bekennt die 45-Jährige. Schlimm für sie „die Einsamkeit und die Angst, in denen die Menschen von uns gehen müssen“. Aber auch die einsame Trauer der Hinterbliebenen belaste sie: „Das hat mich schon viele Tränen gekostet, dass wir mit Abstand am Grab stehen müssen, und ich kann sie nicht in den Arm nehmen, kann ihnen nicht die Hand streicheln.“

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