Eitorfer KünstlerJörg Terlinden malt ganz besondere Promi-Bilder

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Jörg Terlinden aus Eitorf zeigt seine Bilder. 

Eitorf – Hildegard Knef und Mary Hopkins sind schon weg. Den Türeingang zum Flur flankieren die Gesichter der Sänger Moustaki und Brassens. Und dann sind da noch Maja Lunde und Joni Mitchell, Leonard Cohen und Goethe, Marcel Proust und Margaret Atwood, dazu viele andere Dichter und Songwriter, die der Besucherin entgegenblicken.

„Verweile – Stille Begegnungen mit 22 Köpfen“ hat Jörg Terlinden sein neues Projekt genannt. Porträts von Prominenten in Originalgröße, in Acryl gemalt und mit Silikon überzogen, was die Farben ausgewaschen wirken lässt und die Bilder in eine neblige, unwirkliche Sphäre rückt. Die Nähe zu Gerhard Richters berühmter Werkreihe „48 Portraits“ ist beabsichtigt, wie Terlinden einräumt.

Zum Einsatz kommen sollte diese neue Serie beim 17. Friedenskirchenkonzert in Eitorf, das wegen der Pandemie verschoben wurde. Ein Abend mit Musik, Literatur und Kunst, der dem flüchtigen Glück nachspüren sollte.

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Autodidakt als Musiker

Denn Jörg Terlinden ist nicht nur professioneller bildender Künstler. Als Autodidakt spielt er auch Gitarre und Mundharmonika im Trio Dry, dem seine Frau, die Sängerin Erika Kaldemorgen, und der Bassist Andreas Hammer angehören.

Bis ein neuer Termin gefunden ist, kann man die Unikate im Atelier des 59-Jährigen besichtigen und zum Preis von 300 Euro erwerben. „Ich arbeite gern projektbezogen. Das erleichtert es mir, mich ganz auf den Prozess der Ideenfindung einzulassen“, sagt Jörg Terlinden. „Die haptische Ausstrahlung und eine gewisse Radikalität sind mir dabei besonders wichtig.“

So hat er seine Porträts auf Holz aufgezogen, das vom neuen Gartenzaun übrig war. Die hohen Rahmen verleihen den Bildern eine Objekthaftigkeit. Den rauen Charme von Fundstücken verbindet Terlinden gern mit perfekter Gestaltung.

So wird der Mini-Katalog zum Auseinanderfalten, der in jede Jackentasche passt, von zerschnittenen alten Fahrradschläuchen zusammengehalten. So winzig wie eine Streichholzschachtel ist der Katalog zu einer Ausstellung von 1992: „Die Schrift von zweieinhalb Punkt kann ich inzwischen selbst nicht mehr lesen.“

Aufgewachsen im Ruhrgebiet

Doch die Machart verrät den professionellen Grafiker. Terlinden, der aus Duisburg stammt, hat schon als Kind gern gemalt, und zwar aus tiefstem Drang heraus: „Ohne Farbe bin und war ich nie wirklich überlebensfähig“, erzählt der Künstler, der nach dem Abitur zunächst eine Grafikerlehre absolviert. „Das war mein Rettungsring.“

Denn so konnte er dank lukrativer Aufträge für Werbeagenturen auch das anschließende Kunststudium finanzieren – eine Beruhigung für die Eltern: „Mein Vater war Stahlarbeiter, meine Mutter Verkäuferin“, erzählt Terlinden. Was sein Kohlenpott-Milieu betreffe, „davon ist Herbert Knebel nur ein billiger Abklatsch“.

Doch diesem Umfeld verdankt Jörg Terlinden auch Bodenhaftung und den Mut zur Eigenwilligkeit. An der Fachhochschule Köln war er Meisterschüler des Tschechen Pravoslav Sovak. „Er hatte eine ähnlich große Integrationskraft wie Beuys. Aus seiner Klasse sind ganz unterschiedliche Künstlertypen hervorgegangen“, erinnert sich Terlinden.

Dank dieses liberalen Klimas habe er schnell seine eigene Handschrift gefunden, die das Publikum überzeugte: 1989 erhielt er den 1. Förderpreis des Kölnischen Kunstvereins, auf zahlreichen Ausstellungen im Rheinland waren seine Arbeiten zu sehen.

Objekte und Installationen

Dabei legt sich der Künstler nicht fest, wie ein Blick ins Atelier in Eitorf zeigt, wo er seit 2012 zu Hause ist: Figurative Malerei hängt neben Abstraktion, ein Porträt von Rosa Luxemburg korrespondiert mit Farbfeldmalerei, und auch von den melancholischen Stillleben Giorgio Morandis ließ sich Terlinden inspirieren.

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Seit Mitte der 1990er entstehen Objekte und Installationen, etwa „Lachse in der Sieg“, die sich als 17 Meter lange Packpapier-Bahn durch die Schoeller-Werke schlängelten, oder die Arbeit „Dolce Vita“ als drei Kilo schwere süße Versuchung: So viel Würfelzucker fädelte Terlinden an einer zehn Meter langen Schnur auf, die er 2015 von der Decke der evangelischen Kirche Eitorf baumeln ließ.

„So leichtfüßig manches auch wirken mag, es geht dem immer ein langer Prozess der Selbstwahrnehmung voraus“, sagt Terlinden, der gern den berühmten Satz des Malers Paul Klee zitiert: „Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar.“ Diese Leitlinie gibt der Eitorfer auch an die Freizeitmaler weiter, die er einzeln oder in Workshops unterrichtet; bevorzugt in der Natur, denn Bewegung schärft den Blick für Farben und Formen.

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