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Rennauto-Simulator aus WindeckIm Actoracer Ultimate ist jede Bodenwelle spürbar

Lesezeit 6 Minuten
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Schon beim Start aus der Boxengasse zeigt Thorsten Lingnau, dass er früher Amateur-Rennsportfahrer war.

Windeck – Das Steuerrad ruckelt, die Startmarkierungen fliegen unter dem Cockpit durch, die Kompression drückt in den Sitz. Die „Eau Rouge“, legendäre Kurvenkombination auf der Rennstrecke von Spa-Francorchamps, fordert den Fahrer heraus, wenn er sie im Rennmodus meistern will – selbst wenn er nur im Simulator sitzt. Der „Actoracer“ von Thorsten Lingnau ist allerdings weit mehr als ein Videospiel: Selbst Profis fahren in dem Motorsport-Simulator in Lingnaus Herchener Halle Trainingsrunden, um sich auf Meisterschaften vorbeizubereiten.

Der gebürtige Ruppichterother ist begeisterter Amateur-Motorsportler. „Ich bin viel auf der Nordschleife gefahren“, erinnert er sich. „Je mehr ich unterwegs war, umso besser wurde ich.“ Als Unternehmer – er ist heute immer noch so nebenbei Kanalsanierer – hatte er aber nicht die Zeit, ständig zum Nürburgring zu reisen. Also suchte er nach anderen Möglichkeiten.

„Technisch bin ich sehr affin, mache viel mit Computern“, erzählt er aus der Anfangszeit. Er besorgte sich ein Lenkrad aus dem Kaufhaus, schraubte herum, getreu dem Motto: „Alles kann immer besser werden.“

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Doch das war auf Dauer nicht befriedigend. „Das muss physisch belastend sein“, formuliert er die Herausforderung, die er an den Fahrsimulator stellte. Also machte er sich auf die Suche. Bewegliche Simulatoren aber kosten mehr als 50.000 Euro, manche weit mehr als 100.000 Euro. „Ich bin überall mit Begeisterung hingefahren und enttäuscht zurückgekommen“, berichtet Lingnau.

Er legte das Projekt zur Seite, alle halbe Jahre packte er es wieder an. Das Problem war, dass eine große Plattform, die alle Bewegungen imitiert wie bei einem Flugsimulator, zu groß und zu schwer ist.

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Durch Zufall stieß er auf eine Firma aus den USA. Die arbeiteten nach einem anderen Prinzip. Durch kurze Bewegungen auf dem Sitz wurden Kopf und Körper getriggert, es musste nicht mehr die gesamte Bewegung durchlaufen werden. „Dabei wird das Gehirn getäuscht“, erklärt der Bastler, „ich habe so ein Ding gekauft. Das war cooler als alles bisher.“ Das frühere Kinderzimmer seiner Tochter wurde zur Werkstatt. Die Software drehte er auf links, schraubte kräftig dran herum.

Als der erste Simulator fertig war, fiel er auseinander

Irgendwann war er fertig. „Da habe ich gedacht, das ist es. Aber dann ist das Gerät auseinandergefallen. Die Idee aber ist gut, ich bin technisch versiert, also bau ich mir so einen Simulator selbst“, skizziert er die Geburtsstunde seines „Actoracers“. Lingnau begann, die Kosten stiegen ins Unermessliche. „Privates Geld habe ich reingesteckt, ein Auto verkauft, mich verkalkuliert.“

Von der Konstruktion aber war er überzeugt. 2014 stellte er den Erstling in einen Showroom neben seiner Kanalsanierungsfirma. Im selben Jahr gab es am Nürburgring die erste Messe für Simulatoren. „Das Resümee der Profis war: Das einzige Ding, was taugt, ist der Actoracer.“

Lingnau hatte das Interesse des richtigen Publikums geweckt. Interessierte kamen auf ihn zu.  25.000 Euro kostete sein Gerät, halb so viel wie das nächstbillige Produkt. „Ich habe normal kalkuliert, habe mich schon geärgert.“ Er hat Videos gedreht, etwa mit David Jahn, der die ADAC GT Masters fährt. Sein Urteil: „So was Umfangreiches habe ich noch nicht erlebt, da spürst du jede Betonplatte.“

Weil sich das nicht alle leisten können, bot er Rennen in seiner kleinen Halle in Siegburg an, erst einen Simulator, dann zwei, drei und vier. Die Sache kam ins Rollen.

Der Actoracer steht weltweit in vielen Racing-Centern

Bei der nächsten Messe am Nürburgring hatte er den „Actoracer pro“ am Start, er verkaufte ihn die USA und nach Hongkong. Parallel stattete er Racing-Center mit seinen Fahrsimulatoren aus. Deren Betreiber leasen oder kaufen die Geräte. Unter Lingnaus Führung werden Rennen organisiert. Alle haben dieselben Bedingungen, weil sie mit den selben Geräten fahren. Im eigenen TV-Studio werden Sendungen geschnitten und moderiert, Zuschauer sind willkommen.

Nacht der Technik am 1. Oktober

Am 1. Oktober geht die zweite Nacht der Technik von 18 bis 24 Uhr in Bonn/Rhein-Sieg an den Start. Tickets sind bei Bonn-Ticket für zehn/ermäßigt fünf Euro erhältlich, ein Familienticket (maximal zwei Erwachsene) kostet 20 Euro. Die Tickets berechtigen zur Reservierung von zwei Programmpunkten, der Eintritt zur Techniknacht Expo und ins Deutsche Museum ist frei. Es gelten die 3G-Regeln.

Vom „Drehkreuz Troisdorf“ aus sind im Rhein-Sieg-Kreis 13 Unternehmen zu erreichen, darunter die Stadtwerke und der Abwasserbetrieb Troisdorf, Kuraray und das Aggua in Troisdorf, der Tiefbauer Schlechtriem, Lemo Maschinenbau Niederkassel, die Steimel-Maschinenfabrik und der RSVG-Betriebshof Hennef, Hennecke und das Institut für Arbeitsschutz in Sankt Augustin, Westnetz Siegburg und Willms-Fleisch in Ruppichteroth. Dazu präsentieren sich auf der Expo Ingenieure und Kreative.

Auch Bad Godesberg und Bonn sind Drehkreuze: Künstliche Intelligenz im Deutschen Museum, Wasserstoff als Antriebstechnologie bei GKN, innovative Energiebereitstellung von Ecovision sind ebenso Stationen bei der Nacht der Technik wie das THW, das Startup-Förderprogramm Digitalhub und die MVA Bon. Um Forschen, Gesundheit und Zukunftsthemen geht es im Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen, bei Köttgen Hörakustik und der Steep GmbH, die elektromagnetische Verträglichkeit untersucht.  

Die Simulatoren haben es in sich. Inzwischen gibt es den „Actoracer Ultimate“. Der Sitz im Simulator steckt voller Technik, die dem Teilnehmer mit Hilfe vieler beweglicher Teile suggeriert, dass er in einem Rennauto sitzt. Das Bild auf drei großen Bildschirmen vollzieht Kurvenbewegungen des Fahrers nach und erweckt so den Eindruck echten Fahrgefühls.

Der Simulator driftet, jede Bodenwelle ist spürbar, sogar die imaginären Reifen müssen warm gefahren werden, damit sie Grip haben. Bis zu 250 Richtungsänderungen in der Sekunde sind möglich, das Ausbrechen des Hecks ist erlebbar. Beim Gas geben ist der Druck durch die Gurte genau so da wie der Schub nach vorn beim starken Bremsen.

Der Rahmen des Simulators wird von Hand geschweißt

Sogar Grashalme wogen, wenn der Wagen in den Grünstreifen geht. Die Komponenten des Simulators sind hochwertig. Dessen Rahmen wird in Ruppichteroth noch von Hand geschweißt bei einem befreundeten Unternehmen. „Wir sind sehr nah dran an der Realität“, ist Lingnau überzeugt.

Er kann mit der Software nahezu jeden Fahrzeugtyp und die meisten Rennstrecken einspielen. Wer mal 15 Minuten drin gesessen hat, weiß, warum es Motorsport heißt. Schweißgebadet steigen fast alle Simulator-Fahrer aus dem Schalensitz aus.

Am 1. Oktober 2020 hat er die Halle an der Straße In der Raubach in Herchen eröffnet. Am 2. November musste er wieder schließen – wegen Corona. Aber jetzt geht es langsam wieder los, mit dem „umweltfreundlichen Motorsport“, nennt es Lingnau. Bei der „Nacht der Technik“ am 1. Oktober stellt er seine Renn-Simulatoren auch auf der Expo bei den Troisdorfer Stadtwerken aus.

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