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Großer Bahnhof für gelben WagenHistorische Postkutsche kommt in Much an

Lesezeit 3 Minuten
Durchs Werschtal zogen Sam und Falko die Postkutsche zum Technik- und Bauernmuseum nach Berzbach.

Durchs Werschtal zogen Sam und Falko die Postkutsche zum Technik- und Bauernmuseum nach Berzbach.

  • Bevor es losging, wurden die Hufe von Sam und Falko noch mit Fett bepinselt. Dann machten sich die beiden Alt-Oldenburger samt Postkutsche auf die Fahrt Richtung Berzbach.
  • Genauer gesagt: Ins Bauern- und Technikmuseum. Dort wird sie in einem eigens geschaffenen Anbau ausgestellt.
  • Der Gemeinderat fasste im Oktober vergangenen Jahres den entscheidenden Beschluss: Als Dauerleihgabe geht das Gemeindeeigentum in die Nachbarkommune und wird dort ins Museumsleben integriert.

Much – Zahlreiche Fotografen und Filmemacher richteten ihre Kameras auf das schwarz-gelbe Gefährt, das aus dem Werschtal kommend auf sie zurollte. Es war die letzte Fahrt der Postkutsche, sie führte zum Bauern- und Technikmuseum in Berzbach. Dort wird sie in einem eigens geschaffenen Anbau ausgestellt. Eine Glaswand ermöglicht den ungehinderten Blick zu jeder Zeit. Die Erbauer schufen zudem einen barrierefreien Zugang, so dass auch Menschen mit Handicap einen Blick auf das plüschig rote Innere werfen können.

Kutscher Guido Kaltenbach und sein Neffe Jannis hatten die beiden Alt-Oldenburger Sam und Falko nicht nur herausgeputzt. Sie holten auch noch ein paar Minuten heraus auf dem rund elf Kilometer langen Weg von Nümbrecht nach Berzbach, rund anderthalb Stunden benötigten sie. Denn dort hatte das etwa 1,8 Tonnen schwere Schmuckstück zuletzt gestanden.

Geschichte

Im Sommer 1973 begann die Zeit der touristischen Fahrten mit der Postkutsche zwischen Nümbrecht und Wiehl im Oberbergischen Kreis. Mehr als 1000 Passagieren im Jahr nutzten die Verbindung. Auf dem Bock saß mit Sabine Pabusch-Utke zuletzt eine der wenigen Postillioninnen in Deutschland.

Das 150-jährige Bestehen der Poststrecke zwischen Nümbrecht und Wiehl wurde im April 2015 gefeiert. Die Anfänge des Postwesens im Oberbergischen liegen sogar schon im Jahr 1828. Ab 1925 fuhr ein Omnibus auf der Strecke zwischen Wiehl und Nümbrecht. Das alte Fuhrwesen hatte damit ausgedient. (höh)

Im Jahr 2018 hatte die Eigentümerin, eben die Gemeinde, die regelmäßigen Fahrten zwischen Nümbrecht und Wiehl eingestellt. Hohe Kosten, neue Verordnungen, immer zwei Personen auf dem Kutschbock und dazu die heißer werdenden Sommer, die zum Ausfall vieler Fahrten führten – die Tourismusattraktion wurde eingestellt. Der Nümbrechter Bürgermeister Hilko Redenius machte sich auf die Suche nach einer Lösung, doch weder Museen noch Gastronomie sprangen an. Der Nachbau von 1972 ist der 1871 in Dienst genommenen Kutsche nachempfunden und deshalb wohl nicht überall museabel.

In Berzbach wäre der Bürgermeister beinahe am Bauern- und Technikmuseum vorbeigefahren. Mit Leiter Karl-Josef Haas kam er schnell ins Gespräch. „Der war sofort Feuer und Flamme, musste aber erst noch den Verein fragen“, erinnert sich Redenius. Denn das gut gepflegte Fahrzeug sollte ja nicht auf dem Feld landen, also musste erst noch ein Unterstand gebaut werden. Je 5000 Euro gab es von der Sparkasse Gummersbach und den Gemeindewerken Nümbrecht, ebenso viel packte de r Verein drauf – so ließ sich das neue Zuhause realisieren.

Der Gemeinderat fasste im Oktober vergangenen Jahres den entscheidenden Beschluss: Als Dauerleihgabe geht das Gemeindeeigentum in die Nachbarkommune und wird dort ins Museumsleben integriert. „Wir weinen ihr eine Träne nach“, bekannte Redenius. Immerhin hat schon der sowjetische Staatschef Leonid Breschnew sie genutzt, wie der Geschäftsführer des Heimatvereins Nümbrecht, Dieter Hüschemenger, zu berichten wusste. „Hier steht sie gut, ab und zu mal mit dem Feudel drüber gehen“, gab er Haas mit auf den Weg.

Muchs Bürgermeister Norbert Büscher zeigte sich erfreut über den Zuwachs, mit seinen Eltern hatte er eine Fahrt damit zu deren Goldhochzeit organisiert. Haas hatte die Tour zuvor genossen, gemeinsam mit den Vorstandskollegen Karl-Heinz Ludwig und Eckard Hilmer. Und durfte sich über 500 Euro von den Gemeindewerken freuen, die ihm Geschäftsführerin Karina Tuttlies überreichte. „Fahrten sind zunächst nicht vorgesehen“, betonte er.

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