Elende Zustände in Hennefer StallJunge Frau rettet verwahrlosten Rindern das Leben

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Bis zum Bauch im Mist, abgemagert und krank: 19 Kühe in einem Hennefer Stall.

  • 19 Kühe lebten völlig allein gelassen in einem verdreckten Staal in Hennef.
  • Yvonne passierte den Ort immer wieder bei Spaziergängen. Sie beschloss einzugreifen und schaltete die Behörden ein.
  • Sie sammelte Spenden, führte unzählige Telefonate und schrieb E-Mails. Einige der Tiere konnten so gerettet werden.

Hennef – Elendes Muhen drang aus dem Kuhstall. Nicht zum ersten Mal hatte Spaziergängerin Yvonne (vollständiger Name der Redaktion bekannt) das Blöken von Kühen aus dem verwahrlosten Gebäude in Hennef gehört. Immer hatte sie überlegt: Ist das normal? Darf ich das Grundstück betreten und nachschauen? „An diesem Tag konnte ich es nicht übers Herz bringen, einfach nach Hause zu gehen“, erzählt die 30-Jährige.

Yvonne schaltete Polizei, Ordnungsamt und Kreisveterinäramt ein

Zu eindringlich und verzweifelt klang das Rufen. Sie folgte den Geräuschen, betrat den Stall – und sah Kühe, Kälber und einen Bullen bis zum Bauch im Mist stehen, im Dunkeln. Ihre Klauen waren schon so lang, dass sie sich wie Pantoffeln nach oben bogen. „Ich hatte vielleicht eine Kuh erwartet, aber nicht so viele“, erinnert sie sich. Das Ausmaß des Elends überwältigte sie.

Und dann setzte ihr Kampfgeist ein. Yvonne begann zu telefonieren und E-Mails zu schreiben. Polizei, Ordnungsamt, Kreisveterinäramt. „Ich wusste nicht, an wen ich mich wenden kann. Ich habe jeden Strang, den ich packen konnte, genutzt.“

Das zuständige Amt

551 Meldungen zum Thema Tierwohl/Tierquälerei gingen 2019 beim Kreisveterinäramt ein, berichtet Antonius Nolden von der Pressestelle des Kreises. Jedes Jahr gebe es etwa 500 dieser Anzeigen. Der Fall aus Hennef sei aber eine Ausnahme. „Die Haltungsbedingungen, die Zahl der Tiere sticht heraus.“ Meist gehe es um zwei bis drei abgemagerte Pferde.

Wer einen Fall von Vernachlässigung oder Misshandlung melden will, muss sich unter 02241/13 23 35 oder per E-Mail ans Kreisveterinäramt wenden und genau beschreiben, wo sich die Tiere befinden und wer der Besitzer oder Halter ist. „Wir sind verpflichtet, dem nachzugehen“, sagt Nolden.

veterinaeramt@rhein-sieg-kreis.de

150 Nachrichten schickte sie allein an diesem Sonntag im Dezember raus, sie telefonierte bereits am frühen Montagmorgen wieder. Das Ordnungsamt klingelte zweimal bei dem Bauern, traf ihn nicht an und fuhr wieder, „ohne überhaupt in den Stall zu gehen“, bemängelt die 30-Jährige. Sie wandte sich an das Kreisveterinäramt und erreichte es, dass nur wenige Stunden später der Bauernhof inspiziert wurde.

Tierschutzverein Rüsselsheim nahm sich der Kühe an

Die Tiere würden in den kommenden zwei Tagen abgeholt, teilte die Pressestelle des Rhein-Sieg-Kreises damals mit. Der Besitzer, der den Hof ohnehin aufgeben wollte, habe gleichgültig gewirkt. In einem schlechten Zustand seien die Fleischrinder aber nicht.

Yvonne widerspricht: Abgemagert und krank seien die Tiere gewesen, auch wollte sie sich nicht damit abfinden, dass sie geschlachtet werden sollten. Sie kontaktierte Gnadenhöfe und Tierschutzvereine in ganz Deutschland, bekam Absagen. Es gab keinen Platz für so viele große Tiere, die unter Quarantäne gestellt werden mussten.

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Yvonne lebt seit fünf Jahren vegan. Aus ethischen Gründen, wie sie sagt.

Am Dienstagmorgen teilte ihr das Kreisveterinäramt mit, die 19 Rinder seien zum Schlachter gebracht worden. Doch Yvonne telefonierte weiter auf der Suche nach dem rettenden Strohhalm. „Das war eine emotionale Achterbahn“, erzählt sie. Am Dienstagabend kam die gute Nachricht vom Tierschutzverein Rüsselsheim: „Wir übernehmen die Tiere.“

16 000 Euro Spenden kamen zusammen

Sechs Rinder waren zu diesem Zeitpunkt schon getötet worden. Keine Chance sah das Amt, die restlichen Tiere zurückzuholen, sie seien ja schon beim Schlachter. Also telefonierte Yvonne mit dem Viehhändler, bot 100 Euro mehr für jedes Rind. „Der Händler machte einen übertriebenen Preis“, sagt sie, um ein Vielfaches höher als der Schlachtpreis. Der Verein aber zahlte.

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Der völlig verdreckte Stall in Hennef.

Yvonne begann, Spenden zu sammeln und bekam 16 000 Euro zusammen. Zwölf Rinder wurden freigekauft. „Der Bauer wollte den Zuchtbullen behalten, weil er den schlachten und essen wollte“, berichtet sie. Aber auch dieses Tier wollte sie nicht aufgeben. Sie kaufte den Bullen gemeinsam mit dem Rüsselsheimer Tierschutzverein frei.

„Jedes Leben ist wertvoll“

„Ich war noch nie ein Mensch, der weggeguckt hat“, sagt Yvonne zu ihrem Einsatz für die Tiere, die für viele Menschen doch nur Lieferanten für Steaks sind. „Jedes Leben ist wertvoll.“ Seit fünf Jahren lebt die Henneferin vegan, „aus ethischen Gründen“, führt einen Blog über veganes Essen. Sie habe zwar Aufklärung durch ihre Lebensweise geleistet, sagt sie, „aber ich habe immer den Wunsch gehabt, Tierschutz aktiver zu machen.“ Vor allem die Unterstützung durch die Tierschutzorganisation Peta habe sie bestärkt.

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Peta hat inzwischen Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Bonn gegen den Bauern erstattet. „Wer Rinder in derart tierquälerischer Weise hält, muss mit einer harten Strafe rechnen. Wir hoffen, dass dem Tierhalter in der Konsequenz auch ein Tierhaltungsverbot auferlegt wird“, sagt Dr. Edmund Haferbeck, Leiter der Wissenschafts- und Rechtsabteilung bei Peta.

Und die geretteten Kühe? Sie leben nun in einem offenen Stall mit frischem weichem Stroh, berichtet Yvonne. „Das ist dreieinhalb Stunden von hier entfernt. Ich besuche sie im Februar.“

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