Wirbelsturm im 60-Seelen-DorfIm Sommer 2000 wurde Büllesbach zu Twister-City

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Wirbelstürme sind hierzulande selten. Diese Windhose zog im Mai 2015 durch Bützow in Mecklenburg-Vorpommern.

Wirbelstürme sind hierzulande selten. Diese Windhose zog im Mai 2015 durch Bützow in Mecklenburg-Vorpommern.

Hennef – Am Dienstag vor 18 Jahren, am Abend des 24. Juli 2000, passierte es. Danach war das 60-Seelen-Dorf am Scheußbach nicht mehr das, was es bis dahin war. Am Dienstag vor 18 Jahren wurde Büllesbach zu Twister-City.

Büllesbach wird zu Twister-City

Das 50 Zentimeter breite Schild unter der Ortseingangstafel hat schon viele rätseln lassen. Twister-City – was hat das zu bedeuten? „Ich habe die Schilder ungefähr drei Wochen später aufgehängt“, sagt Andreas Behner. Drei Wochen, nachdem am 24. Juli 2000 um 17.30 Uhr eine Windhose Büllesbach heimgesucht hatte. Der Kinofilm „Twister“ (1996) über Tornado-Forscher in den USA dürfte Behner inspiriert haben.

Das ramponierte Dach der Aldas: An mehreren Stellen hatte der Wirbelsturm Dachpfannen herausgerissen.

Das ramponierte Dach der Aldas: An mehreren Stellen hatte der Wirbelsturm Dachpfannen herausgerissen.

Der Büllesbacher Tornado war vor allem für Markus „Mäc“ Alda ein einschneidendes Erlebnis. „Mein Chef hat meinen Arbeitskollegen angerufen, ich hatte damals noch kein Handy“, erzählt der 55-Jährige. Als der Kollege ihm ausrichtete, dass er sofort nach Hause fahren müsse, „da ist ein Wirbelsturm durchs Dorf gezogen“, wähnte sich Alda bei „Verstehen Sie Spaß?“ und meinte: „Ja, ja, wo habt ihr denn die Kamera versteckt?“ Als er in Büllesbach ankam, die umgestürzten Bäume und sein Haus sah, musste er sich erst einmal hinsetzen. Freunde und Nachbarn hatten sich bereits versammelt, um zu helfen. „Wir haben SMS rumgeflitscht“, erzählt Behner (46), „wer konnte, ist angerückt.“ Die Nachricht „Beim Mäc fehlt das halbe Dach“ wirkte wie ein Alarmruf. Mehr als 20 Leute packten mit an, einige hatten Kettensägen mitgebracht.

Zinkfass flog 200 Meter weit

„Hier war alles zu, hier konnte keiner mehr durchfahren“, berichtet Behner. 25 Meter hohe Tannen waren der Windhose zum Opfer gefallen. Ein 80 Kilo schweres Zinkfass wurde später 200 Meter entfernt gefunden. „Ich war im Haus, da sah ich plötzlich den Baum liegen“, erinnert sich Aldas Tante Anneliese Alda (80). Gemeint ist die Tanne, die seit mindestens 50 Jahren am Rand des Grundstücks an der Königswinterer Straße (L 268) gestanden hatte. Vier Meter über dem Boden war der Stamm von der Windhose abgedreht worden. Der Baum muss regelrecht hochgewirbelt worden sein. Das Bruchende ragte über die Leitplanke auf der gegenüberliegenden Straßenseite, während die Tannenspitze das Garagentor der Aldas berührte.

Opfer der Windhose: Eine ganze Reihe von mächtigen Tannen lag mit zersplitterten Stämmen auf den Grundstücken und der Straße.

Opfer der Windhose: Eine ganze Reihe von mächtigen Tannen lag mit zersplitterten Stämmen auf den Grundstücken und der Straße.

Auf unerklärliche Weise unbeschädigt blieb die vom Haus zur Straße gespannte Stromleitung, unter der die Tanne lag. Mehr Sorgen bereitete Markus Alda freilich das Dach. An etlichen Stellen waren Dachziegel herausgerissen, und eine Regenfront war angesagt. Glück im Unglück: Als man schon mit Planen zugange war, kamen zwei Dachdecker vorbei, die damals im Dorf wohnten. Sie hatten noch eine Palette mit passenden Pfannen.

„Leg dich auf den Boden, bis es vorbei ist!“

Menschen kamen nicht zu Schaden. Auch für eine hochschwangere Nachbarin der Aldas ging die Sache glimpflich aus. „Leg’ dich auf den Boden, bis es vorbei ist!“, habe ihr der Großvater zugerufen, als sich die Windhose näherte. Das Kind kam am nächsten Tag in Troisdorf im Krankenhaus zur Welt: Morice Zumhoff feiert morgen seine Volljährigkeit. Dass er – etwas übertrieben – fast im Auge eines Tornados zur Welt gekommen wäre, kann er sein Leben lang als Anekdote zum Besten geben.

Der Weg der Windhose

Der Weg der Windhose

Zu der Windhose weiß Markus Alda noch zu erzählen, dass diese bei Eudenbach entstanden ist. Das habe ihm ein Kollege berichtet, der dem Wirbel auch nachgefahren sei und damals seinen Chef benachrichtigt habe. „Da am Pflaumenbaum vorbei ist sie heruntergekommen“, erklärt Alda und zeigt in den Hang hinter dem Haus. Dann sei die Windhose weiter in Richtung Hüchel gezogen, kurz vor Hüchel stehengeblieben und wieder zurückgekommen. In Twister-City löste sie sich auf.

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