Hochschule in Sankt AugustinCafé-Plausch ist bei Sprachtandems Pflichtsache

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Sankt Augustin – Bittere Tränen weinte Sonia Valdes: „Mir war so kalt hier.“ Ihre Vermieterin hatte ein Rezept: „Sie gab mir eine warme Flasche.“ Nein, nichts Hochprozentiges, erfährt Björn Leek auf Nachfrage, sondern ein Behältnis für heißes Wasser. „Ach, eine Wärmflasche meinst du“, sagt der Fachhochschulstudent, für den die Treffen mit der jungen Frau aus El Salvador ein Teil seiner Ausbildung sind. Die findet dann mal nicht auf dem Campus statt, sondern im Café.

Leek und Valdes bilden ein „Sprach-Tandem“. Sie hätte gern schon viel früher den Kontakt geschlossen, „aber du wolltest ja nicht“, wirft sie ihm scherzhaft vor. Seit drei Monaten ist Valdes in Deutschland, besucht die Deutsche-Welle-Akademie, saß zum Einstieg in einem gemeinsamen Kurs von Deutscher Welle und Hochschule mit Leek. „Er ist Fotograf, ich habe ein Fashion-Blog – und brauche dafür gute Fotos.“ Und, hat er schon die Kamera ausgepackt? „Nein“, sagt er und grinst. „Wir haben bisher nur geredet.“

Bekannt in El Salvador

Mode war da kein Thema. Ihr Alltag in El Salvador umso mehr. Die Diplomaten-Tochter besuchte in der Hauptstadt San Salvador die Deutsche Schule, studierte Business Administration und Internationale Beziehungen. 24 000 Fans hat ihr Internet-Blog, „dort bin ich prominent, die Leute erkennen mich auf der Straße“, sagt sie und zieht eine Grimasse. „Hier bin ich ein Niemand.“

Sie gestikuliert lebhaft, die Worte sprudeln nur so hervor. Sie habe zu wenig Vokabeln, und sie mache Fehler in der Grammatik, räumt sie ein. „Er korrigiert mich.“ Im Studium ergäben sich nicht so viele Gelegenheiten, Deutsch zu sprechen: „70 Prozent findet auf Englisch statt. Und ansonsten geht es viel um Fachsprache für Politik und Recht.“

Eine Stunde sprechen sie Deutsch, eine Stunde Englisch, damit auch Björn Leek sprachlich profitiert. Inhaltlich öffnet Valdes – Berufswunsch: Fernsehmoderatorin – ihm ein Fenster zur lateinamerikanischen Welt. Spätestens dann ist die Pflicht des FH-Kurses „Interkulturelle Praxis“ vergessen, und der Kaffeeplausch wird zum reinen Vergnügen. „Etwas aus erster Hand zu erfahren über das Leben in einer anderen Kultur, das ist optimal.“ Der 31-Jährige, der freiberuflich als Mediendesigner und Fotograf arbeitet, hat seinerseits eine Menge zu erzählen. Nach einer Ausbildung verpflichtete er sich für zwölf Jahre bei der Bundeswehr, strebt nun nach dem Master in Kommunikation eine Führungsposition in der Wirtschaft an, „vielleicht als Unternehmensberater“. Der hellhäutige, eher ruhigere Deutsche, die temperamentvolle, glutäugige Frau aus El Salvador haben viel gemeinsam: „Wir sind gleich alt und beide Individualisten“, sprudelt sie los, „und“ – sie macht eine Pause, schaut ihn an, fragt „Darf ich das erzählen?“ und fährt nach seinem Nicken fort: „Wir sind beide geschieden.“ „Ich noch nicht“, sagt er. „Aber fast.“

Wetter ein wichtiges Thema

Das Familienleben spiele in ihrem Land eine große Rolle. Alle hätten Kinder. Und dass ältere Leute allein lebten, das gebe es nicht. Hier Senioren allein beim Einkauf zu sehen, beim beschwerlichen Einstieg in den Bus, das sei gewöhnungsbedürftig. „It breaks my heart“, sagt sie und greift sich ans Herz. Ihre Eltern wollten sie besuchen kommen, im Sommer. „Meine Mutter liebt Deutschland, sie findet es hier so sicher.“ In El Salvador würden Menschen auf der Straße beraubt und ermordet, „für ein Handy“. Sie selbst war schon ein paar Mal in Deutschland, besuchte ihre beiden hier studierenden Brüder. „Es war immer im Sommer.“ Das Wetter ist auch ein wichtiges Thema im Sprach-Tandem. In El Salvador spiele es keine Rolle. Entweder sei es 25 bis 30 Grad und trocken, oder 25 bis 30 Grad und regne. „Hier sagen die Menschen, es ist warm“, sie wundert und schüttelt sich. „Aber es ist nur nicht ganz so kalt wie sonst.“

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