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Ei-Automat, FußballgolfMit diesen Ideen wollen Landwirte ihre Betriebe retten

Lesezeit 5 Minuten
Bio-Bauer Bruno Stauf verkauft Eier aus dem Automaten

Bio-Bauer Bruno Stauf aus Pohlhausen hat jetzt auch Eier aus dem Automaten.

  • 1750 Höfe vertritt die Kreisbauernschaft Bonn/Rhein-Sieg aktuell, doch ihre Zahl schrumpft.
  • Die Landwirte müssen sich etwas einfallen lassen, um die Familienbetrieb zu retten.

Rhein-Sieg-Kreis – Fußballgolf, Kochkurse und Facebook-Videos – die heimischen Landwirte lassen sich etwas einfallen, um ihre Familienbetriebe zu retten. 1750 Höfe vertritt die Kreisbauernschaft Bonn/Rhein-Sieg aktuell, doch es werden immer weniger.

Ihre Zahl schrumpft um rund fünf Prozent von Jahr zu Jahr. Weil sich keine Nachfolger finden, weil der Preisdruck der Massentierhaltung so hoch ist, weil die Bürokratie den Landmann – und die Landfrau – über Gebühr belastet. Die Äcker und Wiesen gehen aber nicht verloren, Nachbarbetriebe nehmen sie mit Kusshand. Es gibt zu wenig landwirtschaftliche Flächen im Kreis. Naturschutz, darunter vor allem der Gewässerschutz, hat Vorrang.

Hofladen für sechsstellige Summe errichtet

Mit diesem Argument wurde einst auch das Bauerngut Schiefelbusch von der Stadt gestoppt: Helga und Albert Trimborn hatten zusätzlich zu ihrem Hof in Lohmar-Scheiderhöhe auch an der Sülztalstraße Flächen bewirtschaften wollen. Hier durfte dann der Krewelshof gebaut werden von einem Bauern aus der Eifel. Ohne Äcker, ohne Wiesen, aber mit vielen Veranstaltungen. Ein Erfolgsmodell, die Parkplätze sind vor allem am Wochenende voll.

Alles zum Thema Hochschule Bonn-Rhein-Sieg

Trimborns errichten nun direkt daneben einen imposanten Hofladen. Ein Riesenprojekt für eine mindestens sechsstellige Summe, eine genaue Investition wollten die Landwirte nicht nennen. „Damit wollen wir näher am Kunden sein“, sagte Helga Trimborn im Gespräch mit dieser Zeitung. Zur 200 Quadratmeter großen Verkaufsfläche kommen Kühlräume und Vorbereitungsräume, Lager, Büros und Sozialräume.

Studie der Uni Bonn

Neue Projekte in der Landwirtschaft werden von Forschern der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg am Campus Sankt Augustin unter die Lupe genommen. Die Verbraucher achteten bei Lebensmitteln auf Herkunft, nachhaltige Anbaumethoden und Saisonalität ebenso wie auf Teilhabe und Zusammenarbeit mit Landwirten. Fünf Modelle, Selbsternte, Mietgärten, solidarische Landwirtschaft sowie gemeinschaftliche Vermarktungs- und Finanzierungspläne, werden auf ihre Nachhaltigkeit hin überprüft und bewertet. Im Fokus steht die Frage, ob Partizipation Vertrauen, Wohlbefinden und Zufriedenheit steigert – bei Verbrauchern und Erzeugern.

Die FH arbeitet mit drei weiteren Hochschulen in Südwestfalen, Rhein-Waal und der Uni Bonn zusammen. Das zehnmonatige Projekt am Internationalen Zentrum für Nachhaltige Entwicklung der FH wird vom Wissenschafts- und vom Landwirtschaftsministerium des Landes mit 32.000 Euro gefördert.

Die komplette Produktpalette, die heute schon oben auf dem Berg zu haben ist, gibt’s dann auch unten an der wichtigen Verbindungsstraße zwischen Rösrath und Lohmar und nur ein paar Hundert Meter entfernt von der Auf- und Abfahrt der A3. Es gebe zwar einen Trend zu regionalen Produkten, der Kunde scheue aber oft die weiten Wege zu den Höfen, was auch etliche Kollegen auf den Höhenlagen Lohmars betreffe. Ihr Familienbetrieb investiere für die kommenden Generationen, so die 58-jährige Helga Trimborn, die vier Trimborn-Kinder sind mit im Boot.

30 Mitarbeiter hat das mittelständische Unternehmen, das auch ein Hofcafè betreibt, Urlaub auf dem Bauernhof bietet, Wurst und Eier über Supermärkte und Verkaufsautomaten vertreibt, eine mobile Hofkäserei hat, einen eigenen Metzger beschäftigt – und außerdem auf Flächen an der B56 zwischen Siegburg und Seelscheid Blumen zieht und Spargel anbaut. Die kleine Verkaufsstelle an der wichtigen Pendlerstrecke läuft. Im Frühjahr ist Eröffnung an der Sülztalstraße. Für Albert Trimborn ein wichtiger Moment: Die Flächen schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite wurden schon vor rund 100 Jahren von seinen Vorfahren beackert.

Auch andere Landwirte im Kreisgebiet werden für den Erhalt des Betreibes kreativ. Wir haben Beispiele neuer Landwirtschafts-Projekte gesammelt:

Wachsen und schrumpfen als Strategie

Der eine setzt auf Größe, der andere will gerade nicht wachsen. Die Landwirte Hans-Theo Wallau in Hennef und Bruno Stauf in Neunkirchen-Seelscheid haben beide Milchvieh, aber eine gegensätzliche Philosophie. Wallau führt als Betriebsleiter der Hof Überholz KG in Eulenberg mit rund 250 Schwarz- und Rotbunten Milchkühen plus 220 Stück Jungvieh, 180 Hektar Grünland und Hektar Ackerland einen der größten Höfe der Region, produziert mehr als zwei Millionen Liter Milch. Stauf im Dorf Pohlhausen hat seine Herde verkleinert, komplett auf Demeter umgestellt. Mit seiner Milchtankstelle war er Vorreiter, ein Protest gegen die Abhängigkeit von Molkereien und Einzelhandelskonzernen. Auch seine Bio-Eier aus dem 24-Stunden-Automaten verkaufen sich gut. Sein Vorteil ist die Lage: direkt an der B 56 und unweit der B 507.

Fußballgolf

Philipp Töllner setzt in Königswinter auf Pensionspferdehaltung, Ackerbau, Maislabyrinth – und Fußballgolf. Doch die Bürokratie stoppte dieses Projekt vorübergehend, eine Genehmigung fehlte. Nach einjähriger Zwangspause rollt beziehungsweise fliegt der Ball wieder auf Gut Heiderhof. Töllner hatte den Betrieb 2006 von seinen Eltern übernommen.

Kochstudio mit Kursen

Der Landwirtssohn Lukas Tölkes hat den Schritt gewagt und einen Betrieb gegründet auf gepachtetem Grund in Ruppichteroth, laut Kreisbauernschaft in der Region einzigartig. Er hält Fleischhähnchen, Gänse und Rinder, produziert das Futter selbst. Es gibt einen Bio-Hofladen, ein Café und Kochkurse mit dem Küchenstudio im Ort. Tölkes, 26 Jahre alt, verheiratet und Vater einer kleinen Tochter, nutzt die neuen Medien: Er postet Fotos, Videos und aktuelle Infos.

Grüne Kiste und gemeinsames Ackern

Die Hüsgens galten erst als „Öko-Spinner“, heute beziehen viele die Grüne Kiste aus Hennef-Süchterscheid. Doch muss der Familienbetrieb immer wieder werben für Kohl und Pastinake, die oft vor der Lieferung getauscht werden gegen Paprika und Tomate – zwar bio, aber aus Spanien. So hat die zeitsparende Umstellung auf Computerverwaltung auch ihre Schattenseiten. Ein Anruf im Büro war eine kleine Hürde, ein Mausklick ist schnell getan. Die Hofpost mit politischer Botschaft liegt aber noch in der Kiste – schön altmodisch auf Papier. Auf eine enge Beziehung zum Verbraucher setzt Bernd Schmitz aus Hennef-Hanf. Solawi (Solidarische Landwirtschaft) sichert einen Teil seines Einkommens, die Kunden bekommen ein Jahresabo seiner Feldfrüchte und arbeiten mit: auf dem Acker und bei der Ausgabe in drei Depots.

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