„Es brennt noch in mir“Joey Kelly spricht im Interview über Extremsport und die Musik

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Der Musiker und Extremsportler Joey Kelly spricht im Interview über sein Leben in Lohmar und das Gute an Herausforderungen.

  • Bei diesem Bericht handelt es sich um einen Text aus dem Archiv, der unsere Leserinnen und Leser besonders interessiert hat. Er wurde zum ersten Mal am 10. April 2021 veröffentlicht.

Seit vielen Jahren lebt Joey Kelly in Lohmar. Er machte als Musiker, Extrem- und Ausdauersportler sowie als Geschäftsmann international Karriere. Mit dem 47-Jährigen unterhielt sich Peter Lorber.

Die Kelly Family erlebte 2017 ein erfolgreiches Comeback. Haben Sie damit gerechnet?

Joey Kelly: Nicht dass eineinhalb Millionen Besucher zu den Konzerten kommen und wir über eine siebenstellige Summe an CDs verkaufen würden. Dabei war es zunächst ein Comeback-Versuch. Trotzdem hatten wir beim ersten Konzert in der Dortmunder Westfalenhalle Optionen für zwei weitere Auftritte gesichert. Es gab keine Promotion, wir machten abends um 22 Uhr in Facebook bekannt, dass am nächsten Tag um 10 Uhr der Vorverkauf beginnt. Es war nach 17 Minuten ausverkauft, die beiden anderen fast genauso schnell.

Wie unterschied sich das Tournee-Publikum von 2017 von dem des ersten Kelly-Family-Hypes ab 1994?

Gefühlt war es zu 60 Prozent das gleiche Publikum wie damals. Die restlichen Zuschauer sind neu hinzugekommen, unter anderem auch Nachwuchs der Fans von damals. Manche sprachen mich an: „Ich kannte deine Mutter!“ Ein schönes Gefühl.

Die Tour lief fantastisch und dann bremste sie Anfang 2020 der erste Lockdown aus.

Keineswegs. Wir hatten schon vorher geplant, dass wir nach unserem Auftritt in München (23. Februar 2020, d. Red.) wieder unsere eigenen Wege gehen werden. Das gaben wir im Dezember 2019 bekannt, ohne zu wissen, dass kurz darauf eine ganze Branche am Boden liegen wird. Das ist verrückt.

Wirken beim jetzigen Erfolg Ihre Eltern noch nach?

(Er holt eine Weihnachts-CD von 1981 hervor, auf dem die ganze Familie abgebildet ist, zeigt mit strahlendem Gesicht auf seine Eltern) Zu einhundert Prozent. Meine Eltern hatten eine Vision und glaubten daran. Sie haben das gepflanzt, was wir bis heute ernten dürfen. Mit dem Album „Over The Hump“ wurden wir eine Marke, eine Plattform von der wir nach wie vor profitieren.

Es heißt in einem bekannten Online-Lexikon, Ihr Vater hätte mit „eiserner Hand geführt“?

Ehrlich, ich lese schon lange nicht mehr, was im Netz über uns und mich geschrieben wird. Ich bin stolz, dass mein Vater uns so erzogen hat. Er hat Werte gefördert. Wir waren 18 Jahre auf der Straße und haben als Team um den Erfolg gekämpft. Mein Vater hat einen großartigen Job gemacht. Auch nachdem unsere Mutter so früh gestorben war.

Und Ihr ganz persönliches Verhältnis zu Ihrem Vater?

Er hat mir früh Verantwortung übertragen und hat mich mit 26 Jahren zum Geschäftsführer unserer Produktionsfirma Kel-Life gemacht. Er hat sein Vertrauen in mich gesetzt. Das sagt genug.

Mit Kel-Life sicherte sich die Familie alle Rechte an den Songs. Da ja nicht alle Mitglieder Songs schreiben, stellt sich vielleicht die Frage, ob da manche nicht zu kurz kommen.

Unser Vater hat vor 30 Jahren eingeführt, dass alles Geld, das durch die Songs reinkommt, aufgeteilt wird. Unter allen. Bei den Songmeetings hat jeder seine Lieder eingebracht, das war praktisch der Trichter. Und weil das Vorgehen nicht an Geld fixiert war, traten die Interessen der Einzelnen zurück. Alles andere ist ungesund.

Die 18 Jahre auf der Straße und später auf den Bühnen waren bestimmt nicht einfach. Wird man nicht heimatlos?

Wir hatten doch mit unseren Konzerten maximalen Erfolg. Es war eine Maschine, die anfing zu laufen. Wir fingen an in Lettland, spielten bis Portugal und fingen wieder oben an.

Wie kommen Sie persönlich durch die Pandemie?

Gut. Ich habe viel zu tun, halte Vorträge über Video-Chats, kümmere mich um meine Geschäfte und trainiere.

Was halten Sie von den staatlichen Corona-Maßnahmen?

Man muss nicht mit allem einverstanden sein, aber im Vergleich zu anderen Ländern geht es uns hier gut. Wichtig ist, dass wir jetzt zusammenhalten und die Maßnahmen durchziehen.

Dann lassen Sie sich impfen?

Natürlich. Wenn ich mich schütze, schütze ich auch die anderen. Es geht darum, dass ich nicht zum Spreader werden darf.

Als Extremsportler nahmen Sie Strapazen in Kauf. Von 50 Grad Hitze im Death Valley bis 40 Grad Minus in der Antarktis. Haben Sie keine Angst um Ihre Gesundheit und vor Unglücken?

Ich war immer top vorbereitet, sportlich durch das LAZ Puma Rhein-Sieg und Trainer Thomas Eickmann. Passieren kann klar etwas. Unangenehm waren die Nächte allein im Dschungel. Man weiß, dass nachts die großen Tiere kommen. Da hatte ich richtig Schiss. Im Amazonas bin ich beim Fischen ins Wasser gefallen, keine zehn Meter von einem Kaiman entfernt. Ich bin schnell wie nie geschwommen.

Wieso tun Sie sich solche Quälereien an, wie etwa in 17 Tagen von Wilhelmshaven zur Zugspitze zu laufen?

Weil es Spaß macht, an die körperlichen und psychischen Grenzen zu gehen. Wenn man drin ist, ist es ein Kampf zwischen Körper und Wille. Nachher empfinde ich Freude, und daraus ziehe ich Energie fürs Leben.

Würden Sie grenzwertige Touren Ihrem Sohn Luke, der Sie ja schon begleitet hat, erlauben?

Nein, da hätte ich zu viel Angst. Aber er ist 20, und verbieten kann ich es ihm nicht.

Und wenn er Sie doch mal fragt, ob Sie mit ihm so eine Dschungel-Tour machen?

Ich käme mit.

Sie sind viel beschäftigt. Könnte das in der Zukunft nicht irgendwann zu viel werden?

Noch bin ich nicht müde, ich hoffe, ich werde 80 (er lacht laut). Ich bin da, wo ich hinwollte, habe Frau, vier Kinder und fühle mich sehr wohl in Lohmar und überhaupt in Deutschland. Es brennt noch in mir. Mein Vorbild ist Rüdiger Nehberg, der ließ sich mit 68 im Dschungel von einem Hubschrauber abseilen. In Unterhosen und nur mit einem Messer ausgerüstet. So etwas würde mich reizen, vielleicht anders bekleidet. Derzeit bereite ich mich übrigens auf einen Marathon am Nordpol vor.


Zur Person

Joey Kelly wurde 1972 als Joseph Maria Kelly in Gamonal (Spanien) geboren. Mit der Kelly Family war er als Straßenmusiker in den USA und europaweit unterwegs, der internationale Durchbruch gelang der Großfamilie im Jahr 1994 mit dem Album „Over The Hump“. Mit einigen seiner Geschwister gelang ihm 2017 ein Comeback.

Von 1996 an betrieb Joey Kelly Ausdauer- und später Extremsport. Seine sportliche Fitness bringt er in Wohltätigkeitsveranstaltungen ein, beispielsweise seit 2003 beim RTL-Spendenmarathon. Allein im vergangenen Jahr brachte es über eine Million Euro für Kinder in Not ein. (loi)


So macht Joey Kelley Sport ...

50 Marathons (42,195 Kilometer) 31 Ultra-Marathons (100 Kilometer) 13 Ironman (3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren, 42,195 Kilometer Laufen) Zehn Wüsten-Ultra-Läufe (darunter Badwater Run im Death-Valley USA 217 Kilometer, Sahara-Wüstenlauf 240 Kilometer) Namibia -Ultra (441 Kilometer) Viermal „Race across America“, Fahrrad je 4800 Kilometer „Wettlauf zum Südpol“, 400 Kilometer in zehn Tagen (loi)

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