„Favorit war Armstrong“Früherer WDR-Sportchef Dietmar Schott war einst Jazzmusiker

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Als Chef der Zeitschrift „Der Jazzer“ holte Dietmar Schott (links) am Hamburger Flughafen die Mitglieder der Old Merry Tale Jazzband ab.

  • Die Karriere des künftigen WDR-Sportchefs lag damals noch in weiter Ferne.
  • Er war Volontär einer norddeutschen Regionalzeitung und gründete mit ein paar Gleichgesinnten die Zeitschrift „Der Jazzer“.
  • Zu fünft gründeten sie die Cabinet Jazzmen und traten in den Hamburger Jazzclubs auf.
  • Und schon bald saß er mit den Größen der Szene im Auto.

Lohmar – Der Meister war muffig. Doch ein paar Minuten nahm sich Miles Davis in seiner Garderobe Zeit für den jungen Interviewer. Dietmar Schott wollte wissen, warum der Jazz-Trompeter dem Publikum beim Konzert in Hamburg – damals mit dem ebenso legendären Bill Evans am Piano – den Rücken zugedreht hatte. „Die Antwort, auf kölsch übersetzt, lautete etwa so: Jede Jeck is anders“, erinnert sich Schott.

Sechs Jahrzehnte sind seit diesem Erlebnis vergangen. Die Karriere des künftigen WDR-Sportchefs lag damals noch in weiter Ferne. Dietmar Schott, der in der Hansestadt lebte, arbeitete aber fleißig an den Grundlagen. Er war Volontär einer norddeutschen Regionalzeitung und gründete mit ein paar Gleichgesinnten die Zeitschrift „Der Jazzer“. Die Jungredakteure waren allesamt Hobbymusiker, die schon als Schüler zusammen gejammt hatten.

Erste Auftritte in Hamburger Jazzclubs

„Meine Freunde hatten ihre Instrumente im Kirchenchor bekommen – Saxofon, Trompete, Banjo, später kam noch Schlagzeug dazu“, berichtet Schott. „Ich bin dann zum Pfarrer gegangen und habe eine B-Tuba bekommen.“ Seine Mutter habe ihn gewarnt: „Wenn du auf diesem Ding einen Ton bläst, kriegst du die gelbe Karte.“ Doch daran hielt sich der Fan des HSV nicht: „Es war ein herrliches Begleitinstrument und hat mir großen Spaß gemacht.“

Zur Person

Von 1988 bis 2002 war Dietmar Schott der WDR-Sportchef beim Radio als Nachfolger von Kurt Brumme. Er moderierte 2000 Sendungen. Seine Spezialgebiete waren Basketball und Pferdesport. Ab 1977 war er bei den Basketballern des BSC Saturn Köln die rechte Hand des Mäzens Fritz Waffenschmidt. (r)

Zu fünft gründeten sie die Cabinet Jazzmen und traten als Dixieland-Formation in den Hamburger Jazzclubs auf. Stolz ist der 82-Jährige noch heute darauf, „dass die viel bekanntere Old Merry Tale Jazzband uns das Arrangement von »Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln gehen« geklaut hat“. Der Song war auf einer A-Seite der zahlreichen Schallplatten, die sich die Cabinet Jazzmen immer wieder anhörte. Unterricht hatte keiner, geübt wurde im Keller, bis es swingte.

Chauffeur der großen Jazz-Musiker

„Mein großer Favorit war Louis Armstrong.“ Und ihn, den großen Satchmo, lernte Schott kennen, als er zum Herausgeber und Chefredakteur von „Der Jazzer“ avancierte. „Das klingt pompös, tatsächlich haben wir das Blatt für 50 Pfennig auf der Straße verkauft, und wir mussten von Laden zu Laden ziehen, um Anzeigen zu akquirieren.“ Zum Job der Band gehörte es auch, berühmte Jazzer am Flughafen Fuhlsbüttel abzuholen und zum Auftrittsort zu chauffieren. Eine gute Gelegenheit, die Stars schon während der Fahrt zu interviewen, darunter waren Nat King Cole, der Klarinettist George Lewis und die Sängerin und Waschbrettspielerin Beryl Bryden.

Und Satchmo, der den Jungs Konzertkarten schenkte. „Nach dem Auftritt gingen wir in seine Garderobe, und er fragte, wo man in Hamburg noch ein bisschen spielen könnte. Ich habe den Chef der »River Kasematten« angerufen, der aus allen Wolken fiel. Um Mitternacht standen dann dort aber 30 Jazzer mit Louis Armstrong auf der Bühne. Die Session dauerte bis zum Morgen.“

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Benefizkonzert für die eigene Zeitschrift

Eine Sternstunde für Dietmar Schott, dessen monatlich erscheinende 16-seitige Zeitschrift nur eine kurze Blüte erlebte. „Wir hatten genug Stoff, in Hamburg war ja musikalisch viel los, und wir bekamen die neuen Platten gratis von den Firmen.“ Doch die Zeitschrift stand nicht nur im Schatten des mächtigen „Melody Maker“, sondern steckte auch finanziell immer wieder in der Klemme.

„Wir hatten Schulden beim Drucker, die durfte dann der Chefredakteur begleichen“, erzählt Schott. „Damit Geld in die Kasse kam, haben wir einmal als Band ein Benefizkonzert gegeben. Das war ein Reinfall: großer Applaus, wenig Geld.“ In guter Erinnerung geblieben ist ihm ein Urlaub mit der Band an der französischen Atlantikküste: „Wir hatten uns an einem bestimmten Tag um 22 Uhr in Arcachon verabredet, und das hat geklappt.“

Sogar die Liebe durch den Jazz gefunden

Als der gebürtige Kölner 1962 in die Domstadt zurückkehrte, um in der Sportredaktion des WDR anzuheuern, war diese Zeit vorbei. Doch der Jazz spielte auch mit, als Schott seine spätere Ehefrau Beate kennenlernte. „Sie war eine Freundin von Manfred Schoof, der sie bat, sich um mich zu kümmern.“ Mit dem Jazztrompeter ist er seit langem befreundet, beide wohnen in Lohmar nur einen Hügel voneinander entfernt.

Auf seinem Gestüt Höhnchen hat Dietmar Schott früher Trabrennpferde gezüchtet, mit denen er zahlreiche Siege einfuhr. Eines seiner Pferde nannte er Satchmo. Heute gibt es hier nur noch einen Vierbeiner, der sein Herrchen ordentlich auf Trab hält: Friso, der vor einem Monat in den Haushalt einzog, ist Dietmar Schotts sechster Cockerspaniel. Keine andere Hunderasse kommt für ihn in Frage, was verständlich ist. Denn der aus einer Zucht in Leer stammende „Friso von Gallifrey“ zeigt sich auch beim Interviewtermin als ausgesprochen fröhlich, verschmust und sanftmütig.

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