„Mit Hund wäre das nicht passiert!“Blinder von Elektroauto überrollt und eingeklemmt

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Peter Eschbach ist von dem Unfall immer noch gehandicapt. 

  • Peter Eschbach verlor mit 34 Jahren sein Augenlicht. Nachdem sein treuer Blindenhund verstarb, stellte er einen Antrag auf einen neuen Begleiter.
  • Trotz Blindheit und Unfall hat die rheinische Frohnatur ihre Lebenslust aber nicht verloren.
  • Mit uns hat er sehr offen über skurrile Situationen, hilfsbereite Menschen und sein Leben als blinder Mensch gesprochen.

Lohmar – Jeden Stein und jede Bordsteinkante kennt Peter Eschbach im Stadtzentrum, er bewegt sich flink, oft zu schnell: „Wenn mein weißer Stock das Hindernis berührt, bin ich schon davor gelaufen.“

Beim jüngsten Unfall hätte ihm das Hilfsmittel aber auch nichts genützt: Ein Elektroauto rollte rückwärts aus einer Einfahrt, die Fahrerin wollte sich in den Verkehr einfädeln und überfuhr den Blinden. „Jeder andere hätte das Fahrzeug ja gesehen. Ich konnte es aber nicht hören.“

„Mit Hund wäre das nicht passiert!“

Eschbach wurde eingeklemmt, die Unfallfahrerin reagierte nicht, Passanten hoben schließlich das Auto hoch. Mehrere komplizierte Arm- und Beinbrüche und ein zerquetschter Fuß, der mit 60 Stichen genäht werden musste – unter den Folgen leidet der 53-Jährige noch heute, ein halbes Jahr später. „Mit Hund wäre das nicht passiert!“, sagt Eschbachs Ehefrau Christine entschieden.

Doch da war der treue Buma schon fast drei Jahre tot. Und die Krankenkasse weigerte sich seitdem hartnäckig, die Ausbildung eines Nachfolgers zu bezahlen. Rund 25 000 Euro würde das kosten. Ihr Mann lag noch im Krankenhaus, da schrieb Christine Eschbach einen bösen Brief an die Kasse. „Elf Stunden später kam der Anruf: Der Blindenhund ist genehmigt.“

Eschbach leidet immer noch unter den Folgen des Unfalls

Doch das gemeinsame Training auf der Straße und in öffentlichen Verkehrsmitteln muss aufgeschoben werden, Eschbach, der längere Zeit im Rollstuhl saß, kann immer noch nicht schmerzfrei laufen.

Nur langsam geht es voran, dabei ist so viel zu tun – für das Zusammenleben Behinderter und Nichtbehinderter in dieser Stadt, sein großes Thema seit fast 20 Jahren.

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Eschbach spielt Skat mit Sehenden, schießt Kleinkaliber im Schützenverein, er betreut eine Internetgruppe mit Lohmar-Nachrichten, engagiert sich politisch, ist Vorsitzender des Behindertenbeirats und Pressesprecher der SPD. All das dank der Digital-Technik: „Ich hätte mir damals nicht träumen lassen, welche Möglichkeiten sich für Blinde entwickeln.“

Mit 34 Jahren verlor er sein Augenlicht

Damals, als der gelernte Gas- und Wasserinstallateur mit gerade mal 34 Jahren langsam sein Augenlicht verlor; als kein Experte eine Erklärung für seine von innen entzündeten Augen fand. Neun Monate war er da gerade verheiratet. Ein Mann, voller Lebenslust und Spontanität, der auch schon mal nachts mit dem Auto „zu Mäckes“ fuhr, wenn er Lust auf einen Hamburger hatte.

Es begann eine Odyssee durch Deutschland. Ein Arzt zog ihm alle Zähne, ein anderer entfernte die Mandeln, „um Entzündungsherde auszuschließen“. In Tübingen wurde schließlich die seltene Form Multipler Sklerose entdeckt, Diagnose: „In fünf Jahren sitzen Sie im Rollstuhl.“

„Blind, aber nicht blöd“

Doch Eschbach läuft und läuft, gern auch durch den Park an der Villa Friedlinde, wo er letztens einem Jungen begegnete. „Suchst du einen Schatz?“, fragte der Steppke angesichts des kreisenden weißen Stocks.

Doch bevor Peter Eschbach antworten konnte, zog die Mutter das Kind weg. „Lass’ den Mann!“ In diesem Moment hätte er gern seine Mütze aufgehabt, jene mit dem Spruch „Blind, aber nicht blöd“.

Peter Eschbach ist eine rheinische Frohnatur

Mit fortschreitender Krankheit übernahm Eschbach das Gros der Hausarbeit: „Meine Frau ging ja arbeiten.“ Die Steingut-Tassen und Gläser kommen nur für Besuch auf den Tisch, die Türen werden stets geschlossen, Stühle wieder an den Tisch gerückt, um Stolperfallen zu minimieren. Er macht auch Besorgungen, gibt in vielen Läden nur den Einkaufszettel ab. „Die meisten Leute sind extrem hilfsbereit.“

Andernfalls helfe ihm seine rheinische Frohnatur, manchmal bleibe nur ein Kopfschütteln: Beispielsweise, als ein Taxifahrer von Siegburg nach Lohmar-Ort einen weiten, kostspieligen Umweg über die Höhenorte fuhr; als eine Verkäuferin ihm sündhaft teure Ordner andrehte, „die wurden mir allerdings nach Hause getragen“. Als der Pizzabote den 50-Euro-Schein einsteckte und so mehr als 30 Euro Trinkgeld kassierte. Eschbach: „Ich dachte, ich hätte ihm einen Zwanziger gegeben.“

Dennoch geht der groß gewachsene Mann stets freundlich auf andere zu, ist gesprächsbereit und lässt sich helfen – auch wenn er eigentlich selbst zurechtkommt. „Es gibt Behinderte, die empfinden sogar die Frage „Können wir Ihnen helfen?“ als Beleidigung. Ich sage immer: Seid doch nicht so unfreundlich.“

Auch sein zweites Leben genießt Eschbach 

Mit seinem zweiten Leben hadert er schon längst nicht mehr. „Ich bin nur froh, dass ich die Welt auch gesehen habe.“ Als er sich nach der Diagnose ein Jahr lang verkroch, habe ihn seine Frau mobilisiert: „Ich ging ihr auf die Nerven.“

Nach einem Jahr ging er zum Stammtisch des Blinden- und Sehbehindertenvereins, erhielt dort alle wichtigen Infos, Tipps und Ratschläge. Er lernte die Brailleschrift, scannt Zeitungstexte ein, die der Rechner ihm dann vorliest, beschäftigt täglich „Alexa“, unter anderem als Terminkalender.

Er „schaut“ Fernsehen mit Audio-Deskription, geht zum FC ins Stadion. Und ins Kino, zuletzt in „Star Wars“. Popcorn, Cola, die Dialoge und die Bilder im Kopf, das genießt er: „Die ersten drei Filme konnte ich ja noch sehen.“

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