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„Singen ist mehr als Geld verdienen“Interview mit Lohmarerin Bonita Jeanetta Niessen

Lesezeit 4 Minuten
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  • Die Lohmarerin Bonita Jeanetta Niessen hat sich einen Namen als Sängerin gemacht.
  • Peter Lorber sprach mit ihr im Landhaus Lichthof in Deesem.
  • Unter anderem geht es um die Bedeutung ihres Berufs und die Folgen von Corona.

Sie waren 14 Jahre alt, als die Apartheid in Ihrer Heimat Südafrika endete. Wie haben Sie das erlebt?

Bonita Jeanetta Niessen: Wir waren Teenager und haben tagelang groß gefeiert.

Welche Bedeutung hat die Person Nelson Mandela für Sie?

Mandiba, wie wir ihn liebevoll nannten, hat uns wie ein Vater an die Hand genommen. Schon als er 1990 aus dem Gefängnis entlassen wurde, waren wir alle von Glück beseelt, und das Referendum machte es endgültig. Es war wirklich eine Erlösung für das ganze Land.

Ihre Stimme ist von Pop, Soul, Rock bis Gospel vielfältig, und Sie haben eine außergewöhnlich sichere Intonation. Wurde Ihnen das in die Wiege gelegt?

Meine Mama hat von Anfang an zuerst für mich und dann mit mir gesungen. Sie hat mir die Wichtigkeit des mehrstimmigen Gesangs verdeutlicht. So kam es, dass ich im Kinderchor, Kirchenchor, Schulchor, Gospelchor sang. Wenn du solistisch werden willst, ist es essenziell, im Chor zu singen. Man lernt, das Ohr zu entwickeln und die Stimme zu bilden.

Wie war das, mit Michael Bublé Duett zu singen, und wie nahe kamen Sie an ihn heran?

Ich kannte zuerst nur seine Stimme. Als ich wusste, dass ich mit ihm im Fernsehen auftrete, hatte ich das Bild von einem Schwarzamerikaner vor mir. Backstage stand aber ein unscheinbarer, netter Junge mit Jeans und Baseball-Cap vor mir: „Ach, du bist Bonita.“ Mit seiner Lässigkeit und seinem Humor nahm er mir die Nervosität. Beim Liveauftritt hörte er nicht auf, Blödsinn zu machen, und hat mir übertrieben in die Augen geschaut. Ich musste oft wegschauen, weil ich meinte, gleich loslachen zu müssen.

Sie haben auch mit anderen großen Stars gearbeitet, wie kamen Sie mit denen und wie die mit Ihnen klar?

Mit den meisten sehr gut. Ich war bei Daliah Lavis letzter Deutschlandtournee dabei. Sie war eine Grande Dame. Wenn sie in den Raum kam, war alles leise und erstrahlte irgendwie. Vor allem war sie liebevoll, hat sich ihren Untergeordneten gewidmet. Das war für mich Vorbild, ich dachte: So möchtest du auftreten. Annie Lennox nahm einen an wie eine Freundin, sie wollte wissen, wie meine Stimmung ist, und hat mir die Wange gestreichelt. Ich dachte, ich werde mir nie mehr das Gesicht waschen.

Sie sagten „die meisten“. Es gab also auch andere Charaktere?

Ja, aber nicht viele. Darüber spreche ich aber nicht.

Zur Person

Als Au-pair-Mädchen kam die gebürtige Südafrikanerin Bonita Jeanetta Niessen, geborene Louw, 1996 nach Deutschland. Schnell wurde das musikalische Talent der heute 42-Jährigen erkannt. Sie lebt heute mit ihrer Familie in Lohmar.

Einem breiten Publikum wurde Niessen  bekannt, als sie 2004 in Stefan Raabs Sendung „Stefan sucht den Super-Grand-Prix-Star“ (SSDSGPS) hinter Max Mutzke den zweiten Platz belegte. Sie trat unter anderem mit Kool and The Gang, Helene Fischer, Eurythmics und Till Brönner  auf, sang im Fernsehen mit Michael Bublé. Bonita Jeanetta Niessen veröffentlichte mehrere Alben, im Musical „Martin Luther King“ singt sie die Rolle der Rosa Parks, die  mit  ihrem Protest gegen die Rassentrennung  in einem   Linienbus in Alabama die schwarze Bürgerrechtsbewegung mit begründete. (loi)

Wie hat sich die Pandemie bei Ihnen ausgewirkt?

Corona hat mich platt gemacht. Mit der Band B.B. & The Blues Shacks wären wir im Sommer in Kalifornien gewesen. Außerdem wurde das Chormusical „Martin Luther King“, das sehr gut lief, um mehr als ein Jahr verschoben. Es fühlt sich an wie eingesperrt, gefesselt. Vor kurzem hatte ich einen Auftritt, vor wenigen Leuten. Aber das „Endlich wieder“ hat mich glücklich gemacht. Ich mache viel in meinem Studio, editiere Podcasts, gebe Gesangsunterricht.

Und Sie haben Ihr Auskommen damit?

Ich lebe. Aber ich will singen. Singen ist mehr als Geld verdienen. Die Musikbranche braucht jetzt Menschen, die helfen.

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Was meinen Sie damit?

Es heißt immer, Musik hilft den Menschen. Ich weiß von einer Oma, die es krank macht, dass sie ihre Enkel nicht umarmen darf. Aber sie hört viel Musik, das hilft ihr. Da gibt es viele Beispiele. Wenn wir die Berufung haben, Menschen zu helfen, dann ist doch der Beruf systemrelevant. Da muss es doch andere Unterstützung geben als die Soforthilfe. Es wird einfach ignoriert, dass eine Branche am Boden liegt.

Haben Sie musikalische Vorbilder?

Die Größten waren Ella Fitzgerald und Karen Carpenter. Wahnsinnige Stimmen. Es gibt von Karen und Ella ein Video, wo sie im Duett „As Time Goes By“ singen. Beide waren da von ihren Krankheiten gezeichnet und strahlten trotzdem Freude und Glück aus. Das rührt mich an.

Sie haben das Landhaus Lichthof in Deesem für sich entdeckt. Als Ort der Inspiration vielleicht?

So ist es. Solange ich in diesen dunklen Zeiten auf einen Lichtblick warte, wird der Lichthof der Ort für mich sein, in dem sich mein Licht in Form von Musik und Gesang erhellt. Er macht mir Hoffnung auf die Zukunft, in der ich noch viele Menschen erfreuen und meine Ahnen stolz machen kann.

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