„Die Wiese“ in LohmarOhne Arbeitsplan und Verein – 30 Nachbarn teilen sich Garten

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Schauen, schnuppern, essen: Selbstbedienung herrscht nicht nur auf dem Kräuterbeet. 

Lohmar – „Die Wiese“ ist ein Idyll und ein Experiment zugleich: Die Sitzgelegenheiten, die Pflanzen, die Spielgeräte, die Hütten gehören niemandem oder allen, je nachdem, wie man es sieht. Es gibt keine Vereinsstruktur und keinen Arbeitsplan, und doch wird gemäht und gebaggert, gesät und geerntet. Rund 30 Nachbarn engagieren sich in Neuhonrath für einen Generationentreffpunkt, der ganz ohne Geld geschaffen wurde. Wie funktioniert das?

Einer muss den Anfang machen. Als Caro Schulte-Bisping und ihrem Mann Florian von einer Bekannten für kleine Pacht ein 10.000 Quadratmeter großes Areal an der Schachenaueler Straße angeboten wurde, überlegten die Eltern zweier kleiner Kinder nicht lange. Die frühere Schafweide, dicht bewachsen mit Brennnesseln und Drüsigem Springkraut, könnte doch ein Gemeinschaftsgarten werden, naturnah und nachhaltig, so ihre Vision im Frühling 2020.

Dann packten sie an: „Wir haben hier zunächst mit Handsensen gearbeitet und schließlich eine Motorsense besorgt“, erzählt die 36-jährige Betriebswirtin in Elternzeit. Ihr Mann Florian Schulte-Bisping schätzt auch in dieser Hinsicht die Gemeinschaft: „Man muss nicht alle Werkzeuge selber besitzen, irgendwer hat immer den passenden Bohrer oder die richtige Maschine.“

Allein geht hier gar nichts. Caro Schulte-Bisping, durch Engagement im Kindergarten schon recht gut vernetzt, suchte weitere Mitstreiter im Ort, auch über Online-Netzwerke. Fand junge Familien, aber auch Ältere, Paare und Alleinstehende. Die Gelegenheit war günstig: „Durch Corona fiel ja sonst alles aus.“ Unter freiem Himmel konnten die Aktiven gemeinsam mit genug Abstand arbeiten. Ein Nachbar stellte seinen Bagger zur Verfügung, von anderen Menschen im Viertel, das geprägt ist von Einfamilienhäusern mit kleineren Gärten, kamen überzählige Pflanzen.

Keine Kosten im gemeinschaftlichen Garten – alles Sperrmüll oder geschenkt

„Wir haben Blumen und Sträucher ausgegraben, Stauden geteilt und veredelte Obstbäume gesetzt.“ Allerdings nur einheimische Pflanzen; Bambus und Schmetterlingsflieder, zum Beispiel, sind tabu. Auch alte Zäune ergatterte die Gruppe, die ständig wuchs; eine größere Hütte, eine Schaukel. Das kleine Hexenhäuschen, in dem höchstens drei Kinder Platz haben, zog erst letztes aus dem Kindergarten um auf „Die Wiese“.

Es darf nichts kosten. Das ist ein Prinzip. Die Liegen, die Gartenstühle, der große Schirm – alles vom Sperrmüll oder geschenkt. Der Spielturm unter der Piratenflagge ist Marke Eigenbau aus alten Holzpaletten, die Umrandung des Spargelbeets war mal ein Bettgestell. „Die Pflanze habe ich zu Weihnachten bekommen“, berichtet Caro Schulte-Bisping, „leider dauert es drei Jahre bis zur ersten Ernte.“ Alte Ziegel umrahmen die dicken Kohlrabiköpfe, Stämme das etwas erhöhte Kräuterbeet mit der Tafel „Selbstbedienung“, aus Weidenzweigen wurden lauschige Sitzecken, aus einem abgesägten Baumstamm mit ausrangiertem Sattel ein Spielpferd.

Weiteres Prinzip: Hier wird nicht gegossen, was viel Arbeit erspart. Übers Gelände fließt zwar ein Bach – der dient aber nur als Kühlung für Getränke und Kinderfüße. „Die Pflanzen bilden, wenn es trocken ist, längere Wurzeln und schaffen es auch so“, erklärt die Initiatorin. Nur was frisch in die Erde kommt, braucht ein wenig Nass zum Anwachsen.

Nicht alles gelingt. So blieben einige Stecklinge kahl, vermutlich erfroren. Auch die Weidenlauben grünen nicht sowie gedacht. Dazu kam das Hochwasser: Der Bach trat weit über seine Ufer und überzog Beete und Wiese mit Schlamm und Steinen. Der Aggerverband wird das nun wieder harmlos plätschernde Rinnsal in Kürze neu befestigen.

„Die Wiese“ ist nicht abgezäunt, Schilder weisen aber darauf hin, dass nur die vernetzten Nutzer jederzeit willkommen sind. Zum Arbeiten und Faulenzen, zum Spielen und Toben, Reden und Ruhen. Die Jüngste im Bunde ist 14 Monate alt, die Älteste 90. Wegweiser, künstlerisch gestaltet, führen zum Fahrradparcours, auf dem es wellenförmig auf und ab geht. Moritz (10) dreht Runden auf dem Pumptrack, den der Nachbar mit dem Bagger geschaffen hat.

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Ein cooler Spaß. Für die, die nicht mehr zu den Kleinen gehören wollen, entsteht hinter dem Margeritenhügel eine Ecke zum Chillen – in Gemeinschaftsarbeit, natürlich: „Hier helfen die Kinder gerne mit, im Gegensatz zu daheim, wollen zeigen, was sie können“, sagt die zweifache Mutter.

Zwanglos soll es sein, daher wurden auch die Familienbeete nach dem ersten Jahr vergesellschaftet. „Ich wollte unsere Mengen an Kartoffeln zum Kartoffelfest beisteuern, aber da gab es bei vielen Hemmungen, einfach zuzugreifen“, erzählt Schulte-Bisping. Mein und dein, das passte nicht.

Fertig ist ein Garten nie. Und „Die Wiese“ bietet so viel Platz auch für neue Ideen. Wie einen Boule-Platz. Für die Anlage muss die Nachbarschaftsgruppe wohl ein Prinzip außer Acht lassen und Material kaufen. Das Geld dafür allerdings haben begeisterte Neuhonrather ihnen in die Hand gedrückt mit den Worten: „Diese tolle Idee möchten wir unterstützen.“

So kann es auch andernorts funktionieren:

Ein Gemeinschaftsgarten kann auch andernorts funktionieren, davon sind die Aktiven überzeugt. Sie hoffen, dass ihr Beispiel Kreise zieht. 

Ihre Tipps: Die Gruppe darf nicht zu klein sein, so dass das Projekt nicht nur aus Pflichten besteht. Aber auch nicht zu groß, weil es sonst unübersichtlich wird, man sich nicht persönlich kennt.

Kommunikation ist wichtig. Auch gewisse Regeln. Aber nicht zu viele. Gut ist, wenn alle Altersschichten, viele Nationalitäten mitmachen. Der Austausch ist fruchtbar. So weckt eine Nutzerin mit russischen Wurzeln viel ein. Eine Frau aus Afghanistan versorgte die Gruppe mit Spinatgebäck – das Gemüse stammte, natürlich, von der Wiese. (coh)

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