Tag der SchornsteinfegerMaja Braun ist eine der wenigen Frauen in diesem Beruf

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Schwindelfrei muss die Schornsteinfegerin sein. Maja Braun grüßt von einem Dach in Niederkassel-Rheidt.

Niederkassel – Einen Panoramablick auf den Rhein genießt Maja Braun an diesem diesigen Vormittag. Nur ein paar Meter vom Ufer entfernt bewegt sie sich leichtfüßig übers Dach eines Hauses in Rheidt. „Schwindelfrei sollte man in diesem Beruf schon sein“, sagt sie lachend, als sie an der Kante steht und fürs Foto ihren Zylinder lupft. Der bleibt meist im Lieferwagen, wenn die 28-Jährige mit Stoßbesen und anderem Kehrzeug die Kunden in ihrem Bezirk in Niederkassel und Alfter aufsucht.

Für die Schornsteinfegerin ist der steife Hut trotzdem ein wichtiges Requisit, das etwas über Standesbewusstsein und Handwerkerstolz erzählt. „Früher durften nur Adelige einen Zylinder tragen“, erzählt Maja Braun. „Weil die Schornsteinfeger zum Establishment gehörten, hatten sie ebenfalls dieses Privileg.“ Und praktisch war der Hut auch, er diente als Schutz gegen Regen und Staub „und als Behälter fürs Butterbrot“, so die Bonnerin. Den Rang eines Kaminkehrers markiert er bis heute: Wer den Zylinder tragen will, muss mindestens Geselle sein.

Maja Braun ist Meisterin und hat das Ziel vor Augen, in einigen Jahren einen eigenen Betrieb zu eröffnen, als eine der wenigen Frauen in diesem Beruf. Warum das so ist, kann die Handwerkerin auch nicht erklären. „Weil man sich schmutzig macht“ – diesen Erklärungsversuch von Azubi Nils, der an diesem Vormittag mit ihr unterwegs ist, will sie nicht akzeptieren.

Die gebürtige Berlinerin wollte eigentlich Jura studieren – mit dem Berufsziel Richterin. „Aber ich habe mein Abitur mit minimalem Aufwand gemacht. Deshalb habe ich mich entschlossen, eine Ausbildung zu machen, bei der man etwas getriezt wird.“ Das entsprechende Angebot kam in Form einer Annonce bei der Arbeitsagentur. Dass in der Berufsschulklasse neben 25 männlichen nur drei weibliche Aspiranten saßen, hat sie nicht irritiert.

Schornsteinfeger ist als Beruf „spannend und vielfältig“

„Dieser Beruf ist spannend und vielfältig“, erkannte Maja Braun, die später neben dem Job ihre Meisterausbildung machte, dafür jahrelang auf Freizeit und Urlaub verzichtete.

Dass auch der Schornsteinfeger-Beruf unter Nachwuchsmangel leidet, registriert sie mit Bedauern. „Wer Freude an diesem Job hat und ein bisschen Grips, kann hier viel erreichen.“ Maja Braun sorgt nicht nur in Gebäuden für Betriebs- und Brandsicherheit. Als selbstständige Energieberaterin ist sie auch Ansprechpartnerin für Heiztechnik, Wärmedämmung und Stromverbrauch – ein Thema, das mit dem Klimawandel an Brisanz gewinnt.

Diskriminierung in diesem traditionellen Männerberuf habe sie „fast nicht“ erlebt, sagt Braun. „Manchmal gab es erstaunte Blicke, aber insgesamt sind die Leute offen.“ Selbstbewusstes Auftreten und ihre Fachkenntnis hätten unterstützend gewirkt. Dazu ihre Diskretion, die in diesem Job unerlässlich ist. Wer Kamine und Heizungen eines Hauses inspiziert, vom Keller bis aufs Dach steigt, bekommt Einblicke in unterschiedliche Lebenswelten. Aber Anekdoten über kuriose Erlebnisse kommen Maja Braun nicht über die Lippen. „Wir haben strikte Schweigepflicht“, sagt die Meisterin.

Was sie verraten darf: Als Glücksbringerin wird der Mann oder die Frau im schwarzen Kehranzug immer noch geschätzt. So erlebt Maja Braun, dass Menschen ihr über die Schulter spucken oder mit Ruß an den goldenen Knöpfen reiben. „Früher waren die tatsächlich aus Gold, heute sind sie aus Messing“, so Braun.

Benefizaktion

Der „Tag des Schornsteinfegers“ steht unter dem Motto „Triff das Glück in deiner Nähe“. Das Schornsteinfeger-Handwerk hat zu einer Spendenaktion zugunsten schwerkranker Kinder aufgerufen, die das Williams-Beuren-Syndrom haben. Verbunden ist die Aktion mit einem Wettbewerb in den sozialen Netzwerken: Die Schornsteinfeger sind aufgerufen, sich in Berufskleidung in einem schönen Umfeld ihres Bezirks fotografieren zu lassen. Die Beiträge sind auf einer Website zu sehen, auf der ein Spendenzähler eingerichtet ist. Das Geld kommt dem Verein Glückstour zugute. (as)

Die Miniaturen auf den Knöpfen – der heilige Florian, Schultereisen und Reisigbesen – zeugen von der Symbolkraft des Berufs. „Bei der dichten Bebauung mit Fachwerkhäusern führte früher in den Städten ein Brand schnell zur Katastrophe“, sagt Maja Braun. „Allein der Schornsteinfeger garantierte Schutz und Sicherheit.“

Heute spielt die klassische Kehrarbeit mit dem Stoßbesen immer noch eine Rolle, aber moderne Messmethoden sind in den Vordergrund gerückt. Doch manchmal reicht auch der Fachfrau ein Blick in den Kamin, um lapidar festzustellen: „Der ist so sauber, darin kann man sich ein Butterbrot schmieren.“  

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