RuppichterothKirche redet über Missbrauchsverdacht und Suizid des früheren Pfarrers

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St. Severin, eine der vier Kirchen der katholischen Gemeinde.

St. Severin, eine der vier Kirchen der katholischen Gemeinde.

Ruppichteroth – „Die Menschen sind bestürzt, fassungslos, manche auch sprachlos“, sagt Pfarrer Christoph Heinzen zur Stimmung in der Gemeinde über eine „doppelte Katastrophe“: die Nachricht vom sexuellen Missbrauch, den Heinzens direkter Vorgänger während seiner Amtszeit als Kaplan in Solingen und Wuppertal in den 90er Jahren an einem Jungen verübt haben soll, und kurz darauf die Meldung vom Suizid des mutmaßlichen Täters.

„Das ist eine Dimension, mit der die Leute erstmal klarkommen müssen. Es herrscht auch eine gewisse Ratlosigkeit“, sagt Heinzen. „Viele sagen, dass sie erst eine gewisse Zeit brauchen, um das Ganze zu verdauen. Andere suchen nach Worten für die eigenen Gefühle.“

St. Severin, eine der vier Kirchen der katholischen Gemeinde.

St. Severin, eine der vier Kirchen der katholischen Gemeinde.

Betroffene sollen sich an das Erzbistum Köln wenden

16 Jahre hatte der tatverdächtige Pfarrer in Ruppichteroth gearbeitet, als zugewandt und engagiert wurde er beschrieben. „Die Reaktionen zeigen: Niemand hätte diese Person mit Missbrauchsvorwürfen in Verbindung gebracht. Je enger die persönlichen Kontakte, desto größer werden die Fragezeichen, wird auch die Erschütterung“, sagt Heinzen.

Betroffene und Zeugen werden nun gebeten, sich an die „Stabsstelle Intervention“ des Erzbistum Kölns zu wenden. Dazu veröffentlichte das Erzbistum einen Aufruf, den die Seelsorger in allen Gemeinden, in denen der Pfarrer tätig war – neben Ruppichteroth sind dies Wuppertal, Solingen, Bergisch Gladbach, Kerpen und zuletzt Neunkirchen-Seelscheid – am Wochenende in den Kirchen verlesen haben.

Gesprächsforum

Am kommenden Freitag, 5. März, 20 Uhr, gibt es ein offenes Gesprächsforum in Sankt Severin. Eine Veranstaltung, zu der alle eingeladen sind, die Kritik, Sorgen, Fragen und Befindlichkeiten äußern möchten. Dafür stehen dann auch Vertreter des Erzbistums zur Verfügung. (as)

Darin heißt es: Die Klärung von Verdachtsfällen und konsequente Aufarbeitung von Fällen sexuellen Missbrauchs sei ein „wichtiges und zentrales Anliegen des Erzbistums Köln“. Auch wenn der tatverdächtige Pfarrer unterdessen gestorben ist, werde man dem Fall weiter nachgehen und ihn „vollumfänglich aufklären. Sollte es weitere Betroffene geben, möchten wir jedem einzelnen die notwendige Hilfe und Unterstützung zukommen lassen“.

Situation in Kirchen allgemein von Misstrauen geprägt

Als Leitender Pfarrer des Kirchengemeindeverbandes Ruppichteroth verlas Heinzen dieses Proclamandum während der Gottesdienste in den vier Kirchen der Bröltalgemeinde: in St. Servatius, St. Severin, St. Maria Magdalena und St. Josef. Außerdem wurde der Text in den Schautafeln vor den Gebäuden angeschlagen und ist auf der Internetseite der Gemeinde verlinkt.

„Unser vierköpfiges Seelsorgeteam bietet selbstverständlich persönliche Gespräche an. Gerade die sind wichtig für Menschen, die einen niedrigschwelligen Kontakt suchen“, betont der 43-Jährige. Falls gewünscht, werde man die Hilfesuchenden dann an die Beratungsstelle im Erzbistum vermitteln, die über umfassende Möglichkeiten der psychologischen Betreuung und auch Dokumentation verfüge.

Pfarrer Christoph Heinzen ist Priester in Ruppichteroth. Der Tatverdächtige war sein Vorgänger.

Pfarrer Christoph Heinzen ist Priester in Ruppichteroth. Der Tatverdächtige war sein Vorgänger.

Wichtig sei aber auch, dass sich Menschen direkt an diese externen Ansprechpartner wenden könnten. „Auf dem Land kennt man sich. Das kann ein Hemmschuh sein. Manche möchten gern anonym bleiben und wählen deshalb lieber einen neutralen Raum“, berichtet Heinzen, der seit sechseinhalb Jahren in Ruppichteroth praktiziert und dem viele Gemeindemitglieder vertraut sind.

Was das Thema Missbrauch in der Kirche betreffe, so sei die Situation allgemein „von Misstrauen geprägt“. Das bereite ihm Sorge, „weil sich Seelsorge auf Vertrauen gründet“, so der Pfarrer. Umso wertvoller sei, was ihm Gemeindemitglieder nun spiegeln: „Die Menschen fühlen sich hier gut aufgehoben.“ Er selbst empfinde eine große Verantwortung, Betroffenen, aber auch Angehörigen des toten Pfarrers in einer angemessenen Weise gegenüberzutreten.

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Dass die Zahl der Kirchenaustritte nun auch in der Bröltalgemeinde hochschnellen wird, glaubt Heinzen nicht. „Das ist natürlich schwer abzuschätzen. Wir haben Austritte, aber nicht in der großen Zahl, wie es im städtischen Kontext der Fall ist. Im übrigen will ich mich nicht auf die Quantität fixieren. Jeder einzelne Austritt bedrückt mich, weil dahinter eine Enttäuschung und eine besondere Geschichte steht.“

Was den Zustand der Kirche insgesamt betrifft, sagt Pfarrer Heinzen: „So schlimm die Situation auch ist, so bin ich doch zuversichtlich gestimmt. Man hat verstanden, dass wir zu einer größtmöglichen Transparenz in der Kommunikation kommen müssen. Die wurde in der Vergangenheit oft von der Struktur behindert. Jetzt sehe ich eine neue Art des Umgangs miteinander.“

Verlesung auch in Bergisch Gladbach und Kerpen

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