Aussagekraft im GesichtAndreas Noßmann zeigt aktuelle Arbeiten in der Galerie Radicke

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Die Zeichnung Noßmanns wirken oft mitgenommen. Auch John Lennon sieht übernächtigt aus. 

Sankt Augustin – Nein, ein Schuhfetischist sei er nicht, beteuerte Andreas Noßmann bei der Eröffnung seiner Ausstellung in der Galerie Radicke. Und doch ist der Raum mit den nachkolorierten Schuhzeichnungen der wohl spannendste in einer faszinierenden Schau. Hier finden sich abgewanzte Sneaker neben durchgelatschten Arbeitsschuhen und spitzen roten Highheels verewigt, von Noßmann ironisch mit „Der Teufel trägt Prada“ kommentiert.

„Im Studium haben wir oft Schuhe zeichnen müssen, die wegen ihrer unterschiedlichen Formen ziemlich anspruchsvoll sind. Das habe ich mir bewahrt“, erinnert sich der Künstler.

86 Arbeiten aus den vergangenen zwei Jahren zeigen er und Jutta Radicke, die für ihre erste Ausstellung nach mehrmonatiger Zwangspause eigens eine coronakonforme Doppel-Vernissage auf die Beine gestellt hat. Ihr größter Raum ist den Porträts gewidmet. Bei der Auswahl der Porträtierten ist es weniger die Prominenz als die Aussagekraft der Gesichter, die Noßmann fasziniert.

So gibt sich Theodor W. Adorno asketisch und Hoffmann von Fallersleben geradezu verschlagen, Simone de Beauvoir damenhaft, Marie Curie natürlich. Andreas Noßmann skizziert die Menschen mit Sympathie, aber er schmeichelt ihnen nicht. Sein Johnny Cash ist aufgedunsen und verlebt, auch beim gezeichneten John Lennon scheint die Nacht arg kurz gewesen zu sein.

Ausstellung in der Galerie Radicke

Die Arbeiten können bis zum 15. September nach Terminabsprache unter 02241/33 57 73 oder per E-Mail besichtigt werden.

Es ist nicht nur Noßmanns sichere Hand, auch sein künstlerisches Konzept macht diese Arbeiten unverwechselbar. Die Porträts entstehen zunächst als Federzeichnung, die dezent mit Aquarellfarbe nachkoloriert wird, wobei die Farbe an einzelnen Stellen etwas akzentuiert werden kann. So scheint es, dass viele dieser Porträts eine Art Sepiatönung haben.

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Ebenfalls bemerkenswert ist das verwendete Papier. Ein nahezu lebensgroßes Porträt von Mark Twain entstand auf dem handschriftlich ausgefüllten Auszug eines Kassenbuchs. Für andere Arbeiten verwendete Andreas Noßmann historische Grundbuch-Akten aus dem Gebiet der damaligen DDR, die vereinzelt bis in das 19. Jahrhundert zurückreichen. „Es ist erstaunlich, wie gut dieses Papier für das künstlerische Arbeiten geeignet ist“, berichtet der 59-jährige Wahl-Brühler. Ein Bekannter hatte ihm einst zwei Kisten mit historischen Akten auf dem Flohmarkt besorgt.

Ein weiterer wichtiger Themenblock der Ausstellung fasst Andreas Noßmann unter dem Begriff „Working Class Hero“ zusammen. Er zeigt hart arbeitende Menschen in der Landwirtschaft, wobei der Künstler eine quasi sozialistische Bildersprache mit der Ästhetik einer Graphic Novel kombiniert. Weitere, ebenfalls beeindruckende Naturzeichnungen und Reise-Impressionen runden die Schau ab.

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