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Sankt Augustiner ModellprojektHilferuf für Garten der Nationen

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Im Schatten der Mülldorfer Hochhäuser wurden die „Gärten der Nationen“ angelegt. Das Ziel des Projektes wurde aber offenbar verfehlt. 

  • Das Projekt „Gärten der Nationen“ startete vor sechs Jahren in Sankt Augustin-Mülldorf mit vielen Vorschusslorbeeren.
  • Mittlerweile ist Ernüchterung eingetreten.
  • Auf den Parzellen sind Migranten praktisch unter sich, Deutsche die absolute Ausnahme.

Sankt Augustin – Das soziale Gartenprojekt erhielt eine Menge Vorschusslorbeeren: Nicht nur Gemüse und Obst sollten im Schatten der Mülldorfer Hochhäuser wachsen, sondern auch das Miteinander und die Toleranz. Doch die Vereinsvorsitzende kann sechs Jahre nach Eröffnung der „Gärten der Nationen“, die für zwei Millionen Euro angelegt wurden, keine Erfolgsgeschichte erzählen. Tania Webers Rechenschaftsbericht im Sozialausschuss war ein Hilferuf.

Demnach ist von gedeihlichem Miteinander wenig zu spüren. Viele Pächter müssten immer wieder überredet werden, sich in die Gemeinschaftsarbeit einzubringen und die vereinbarten Stunden zum Wohle aller abzuleisten, berichtete Weber: „Die Leute sind störrisch.“

Zu 80 Prozent von Bund, Land und EU finanziert

Die „Gärten der Nationen“ liegen am Naherholungsgebiet „Grünes C“, das im Zuge der Regionale 2010 angelegt wurde. Die Kosten in Höhe von zwei Millionen Euro trugen zu 80 Prozent Bund, Land und EU. Den Rest, 400 000 Euro, zahlte die Stadt.

Das Ziel: „Wenn Zuwanderer und Alteingesessene zusammen gärtnern, erfahren sie gleichzeitig auch ganz praktisch etwas über die Wurzeln des jeweils anderen. So gedeihen nicht nur Blumen und Gemüse, sondern auch das gegenseitige Verständnis wächst“, heißt es. Und weiter: „Vorurteile, Klischeevorstellungen und Berührungsängste gegenüber Fremden werden während der gemeinsamen Arbeit ganz natürlich abgebaut.“

Doch die einheimische Bevölkerung ist absolut in der Minderheit, 95 Prozent sind laut Rechenschaftsbericht Migranten, viele kaum der deutschen Sprache mächtig. Vorsitzende Tania Weber: „Wir haben für die größten Volksgruppen Übersetzer.“ (coh)

65 Parzellen mit insgesamt 9000 Quadratmetern Nutzfläche gibt es, 50 bis 150 Quadratmeter groß. Insgesamt umfasst das Areal auf dem früheren Acker 35.000 Quadratmeter. Zwei Parzellen werden gemeinschaftlich genutzt. Mehr als die Hälfte der Mitglieder haben seit dem Start 2013 den Verein schon wieder verlassen.

Zehn Parzellen liegen brach

Nach sechs Kündigungen zum Ende des Jahres 2018 liegen zehn Parzellen brach. Aufgrund der Datenschutzgrundverordnung sehe sich der Verein nicht in der Lage, diese neu zu verpachten, so die Vorsitzende.

Es hake an vielen Stellen. Die beiden Gemeinschaftskomposthaufen funktionierten nicht, weil Nutzer auch unzerkleinerten Strauchschnitt und Biomüll dort abkippten. Hilfreich wären einzelne Haufen auf den Parzellen, „doch das ist gegen die Gartenordnung“.

Die Mitglieder wünschten sich Zäune. Die sind jedoch verboten, ebenso wie Lauben und Pavillons. Fotos des Ausschussvorsitzenden Jörg Kourkoulos zeigen zahlreiche Aufbauten. Weber kommentierte: „Wenn wir sagen, dass die weg müssen, weigern sich die Mitglieder einfach.“ 

Einige seien verschwunden, stattdessen seien Carports entstanden. Drei stehen bereits, mit Sondererlaubnis der Stadt, drei weitere werden in Kürze folgen. Ursprünglich waren nur zwei der hölzernen Unterstände auf den Gemeinschaftsparzellen vorgesehen, als Wetterschutz und für die Gartengeräte, diese hätten aber nicht genug Platz geboten, so Weber.

Sie und ihre Vorstandskollegen hätten alle Hände voll zu tun, die Vereinsziele zu vermitteln. Im Rechenschaftsbericht heißt das lapidar: „An der Festigung der Vereinsideale wird weiterhin gearbeitet.“ Doch offenkundig reden sich Weber und Co. oft erfolglos den Mund fusselig: „Dann wird gefragt: »Was hast du uns eigentlich zu sagen?«“

Der Vorstand bitte dringend um Unterstützung: Jemand von der Stadt müsse den Leuten Vorschriften und Verbote nahebringen. Tania Weber: „Uns glauben sie nicht.“

Erschrecken im Ausschuss

Die Politiker aller Fraktionen im Sozialausschuss nahmen die deutlichen Worte erschrocken zur Kenntnis, lobten das Engagement des Vorstands und setzen auf die Hilfe der Stadt – zumindest in Sachen Datenschutz. Gerhard Schmitz-Porten (SPD) regte an, die Umgestaltung der Anlage nach dem Willen der Nutzer zu prüfen.

Auch in normalen Kleingartenanlagen gehe es ja international zu. „Die Frage ist nur, inwieweit wir durch die Zuschüsse gebunden sind.“

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