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Wenn ein Stuhl leer bleibtAn der Frida Kahlo Schule sterben manche Kinder früh

Lesezeit 3 Minuten
Steine mit den Namen der gestorbenen Mitschüler werden in den Wasserlauf des Brunnens gelegt.

Steine mit den Namen der gestorbenen Mitschüler werden in den Wasserlauf des Brunnens gelegt.

  • An der Frida Kahlo Schule werden Kinder mit Behinderung unterrichtet.
  • Einige von ihnen sind so schwer behindert, dass sie noch während der Schulzeit sterben.
  • Paul Zenner ist der Religionspädagoge der Schule. Er hilft den Kindern mit dem Tod umzugehen.

Sankt Augustin – „Es gibt im Unterbewusstsein der Menschen feste Vorstellungsbilder, wenn es um das Thema Tod geht“, berichtet Paul Zenner. Er ist Religionspädagoge und Pfarrer an der Frida-Kahlo-Schule in Sankt Augustin. Dort werden Kinder mit Behinderung unterrichtet. „Je nach Art ihrer Behinderung sterben sie schon früh“, berichtet er. „Plötzlich bleibt ein Stuhl in der Klasse leer.“

So wurde der Tod ein Thema im Unterricht. Zenner fiel auf, wie viele Kinder in Bildern ihre Trauer besser ausdrücken konnten als mit Worten. „Vielen Menschen geht das so.“ Er ließ sie ihre Empfindungen also malen, nachdem Klassenkameraden gestorben waren.

Symbole des Todes

Beim Gang durch die Klassen und in der Schule fiel ihm auf: „Ich erkannte immer wieder dieselben Symbole auf den Blättern“, berichtet Zenner. „Es waren Schiffe im Wasser, Türen, Bäume und Schmetterlinge.“ Er beschäftigte sich mit dem Thema intensiver und merkte schnell, dass diese „kollektive Menschheitserfahrung kulturübergreifend zu beobachten ist. Es gibt wohl im Unterbewusstsein der Menschen dazu fest verankerte Strukturen“.

In der griechischen Mythologie werden die Toten mit einer Fähre über den Fluss gebracht, im Norden Europas spielen Schiffe beim Totenkult eine Rolle, ebenso wie in Ägypten. Das Thema ließ ihn nicht mehr los. Er sprach mit seinen Kollegen darüber, wie man das Thema Tod im Unterricht und in der Schule verarbeiten könnte. „Ein fester Ort des Gedenkens an verstorbene Klassenkameraden in der Schule, der jedoch nicht nur das Ende eines Lebens darstellt, sondern etwas von Aufbruch hat“, schwebte ihm vor.

Ein Wasserlauf mit den Namen der Verstorbenen

Da fielen ihm die Symbole auf den Bildern ein. „In einem Arbeitskreis kam uns die Idee, alles in einem Brunnen zu kombinieren.“ Mit Hilfe einer Künstlerin wurde ein Entwurf erarbeitet, der die gemalten Symbole miteinander in Verbindung setzt. Ein Segelschiff mit einem Baum als Mast, davor ein kleiner Fluss. Im seinem Wasser befinden sich Steine, auf denen die Namen verstorbener Schüler stehen.

Die Klasse legt die Steine gemeinsam in den Brunnen. Das erleichterte den Abschied. Zenner: „Die Mitschüler stehen immer wieder vor dem Brunnen, schauen auf die Steine und nehmen so langsam Abschied.“ Der Stein bleibt dort so lange, bis die Klasse ihre Schulzeit beendet hat, dann wird er als endgültiger Abschied zum Grab gebracht.

In diesem Sommer hat Zenner nach 25 Jahren seine Tätigkeit als Lehrer und Seelsorger beendet und ist in den Ruhestand gegangen.

Der Brunnen bleibt weiter in der Schule. „Er ist eine gute Sache“, sagt seine Kollegin Linda Ruschmeier. „Er hilft den Kindern, die Trauer zu verarbeiten.“ Das Thema Tod und Erinnerung werde so nicht an den Rand gedrängt.

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