In Siegburg vor GerichtFahranfänger baut mit Tempo 170 auf B56 schweren Unfall

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Eineinhalb Jahre nach dem Raser-Unfall stand der Verursacher vor dem Jugendgericht.

Lohmar/Siegburg – Gerade mal vier Wochen hatte der Unternehmersohn seinen Führerschein, als er mit Tempo 170 einen folgenschweren Unfall baute.

Er war zwischen Lohmar-Franzhäuschen und Siegburg-Stallberg in den Gegenverkehr gedriftet und hatte ein entgegenkommendes Auto gerammt, eine Frau erlitt schwere, drei weitere Personen in einem zweiten Fahrzeug leichte Verletzungen.

Richter: „Es ist ein Wunder, dass es keine Toten gab“

Wegen gefährlicher Körperverletzung und illegalem Autorennen stand der 20-Jährige nun vor dem Jugendgericht. „Es ist ein Wunder, dass es keine Toten gab“, konstatierte Richter Ulrich Feyerabend.

Der Unfall geschah mit dem Golf 8 seines Vaters. Der Auszubildende sollte an diesem Tag im Mai 2021 für die Eltern zum Feinkostladen fahren. Das hätte ihm nicht gepasst, schilderte der Angeklagte. Auf dem Rückweg nach Siegburg aktivierte er den Sport-Modus, steigerte so die Leistung des Hybrid-Fahrzeugs von 150 auf 245 PS. Er muss den Gashebel „bis zum Boden getreten“ haben, so der Richter, aus dem Auto wurde ein „Geschoss“.

Unfall auf B56: Fahranfäger war mit über 160 Stundenkilometern unterwegs 

Einen Frontalzusammenstoß hätten die Fahrerin und der Angeklagte höchstwahrscheinlich nicht überlebt, konstatierte der Sachverständige für Unfallrekonstruktion. Die Auslesung der Steuergeräte ergab, dass der Fahranfänger fünf Sekunden vor der Kollision mit Tempo 166 bis 174 unterwegs war, die Frau mit 72 bis 75 km/h. Erlaubt sind 70. Selbst geübte Fahrer hätten die Kurve auch auf trockenem Asphalt nicht gekriegt, die Kurvengrenzgeschwindigkeit liege bei etwa 140 Km/h.

Mehr als eine Stunde brauchten die Rettungskräfte, um die Schwerverletzte zu bergen. Die 66-Jährige aus Neunkirchen-Seelscheid schilderte im Zeugenstand ihr Martyrium. Der Fuß war so zertrümmert, dass lange die Gefahr einer Amputation bestand. Nach fünf Operationen und einer langen Zeit im Rollstuhl habe sie erst vor vier Monaten Spezialschuhe bekommen, mit denen sie sich mühsam fortbewegen könne. „Das Leben ist extrem eingeschränkt.“ Keine Hoffnung mehr, jemals wieder in den Bergen unterwegs sein zu können, jemals wieder barfuß zu gehen. Weitere Operationen werden folgen. Sie habe durch die starken Medikamente Konzentrations- und Sehstörungen.

Als der Angeklagte aufstand und sie um Entschuldigung bat, reagierte sie verwundert: „Sie hätten sich doch schon zuvor entschuldigen können, anrufen oder schreiben.“ Davon hätte man ihm abgeraten, „wegen der Schuldfrage“, sagte der junge Mann, der seit September eine verkehrspsychologische Therapie macht.

Das Gericht erkannte echte Reue, „nicht nur Selbstmitleid“, und verhängte eine Jugendstrafe: 120 Sozialstunden, eine Geldbuße von 1800 Euro und eine Führerscheinsperre von einem Jahr. Sich ans Steuer setzen dürfe er sich vermutlich längere Zeit nicht. Das entscheide das Straßenverkehrsamt.

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