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Nachfolger gesuchtSiegburger Arzt will seine Praxis verschenken

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Arzt verschenkt Praxis1

Dr. Richard Beitzen wird bald 68 Jahre alt. Einen Nachfolger für seine gut laufende Praxis hat er noch nicht. 

Siegburg – „Ich verschenke meine Praxis“, sagt Dr. Richard Beitzen. Er ist es leid. Seit fünf Jahren sucht er eine Nachfolge für die rund 170 Quadratmeter große Praxis in Kaldauen, in der er als Hausarzt arbeitet. Mit 67 Jahren will er sich aus dem Geschäft zurückziehen. Er will sich nicht mehr mit immer neuen Abrechnungsmodellen beschäftigen müssen.

Ein erster Anlauf mit einer Ärztin hat nicht funktioniert, Beitzen entließ sie aus dem Vertrag. Er hat zwei professionelle Praxismakler eingesetzt, ist über die Kassenärztliche Vereinigung (KV) und die Apotheker- und Ärztebank an die interessierte Ärzte-Öffentlichkeit gegangen.#

Langwierige Verhandlungen

Fünf Gespräche mit potenziellen Nachfolgern hat Beitzen geführt. Rund 150.000 Euro hatte ein Gutachten ausgewiesen. Knapp 35.000 Euro davon entfallen auf die materiellen Werte wie die Möbel und Geräte. Der Rest errechnet sich aus Infrastruktur, Patientenstamm, Praxismanagement und gut ausgebildetem Personal. In den Verhandlungen ist der Mediziner schon bis auf 100.000 Euro herunter gegangen.

Im Rhein-Sieg-Kreis fehlen Hausärzte

Die Übersicht der haus- und fachärztlichen Versorgung der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein weist aus, dass im rechtsrheinischen Rhein-Sieg-Kreis 17,5 Sitze für Hausärzte nicht besetzt sind, bei insgesamt 350 Hausärzten. Allein in Hennef fehlen demnach sieben,  in Sankt Augustin fünf, in Niederkassel vier und in Siegburg/Lohmar 1,5. (rvg)

Doch alle Aspiranten sind abgesprungen, entweder war es ihnen zu teuer oder zu weit entfernt. Zuletzt zogen sich die Gespräche mit einer Kollegin über neun Monate hin. Auf seine Nachfrage hat Beitzen dann erfahren, dass sie andernorts fündig geworden war.

Dabei hätten die Nachfolger 1000 Patienten zu versorgen, die Praxis ist technisch bestens ausgerüstet, mit Ultraschall- und Lungenfunktionsgerät sowie Belastungs-EKG. „Der Kollege oder die Kollegin könnte sofort anfangen, ohne irgendetwas machen zu müssen“, sagt Beitzen.

Das Gebäude, in dem Praxis untergebracht ist, wurde 2003 grundrenoviert. Mit einem Aufzug sind die Räume barrierefrei zu erreichen. Auf insgesamt 960 Quadratmetern ist hier die Siegburger Arbeitsgemeinschaft für ambulante Medizin angesiedelt. Neben den Hausärzten – Beitzen teilt sich mit einer Kollegin drei Sitze – sind Kinderärzte, Psychiater, Psycho- und Physiotherapeuten sowie Logopäden dabei, die eine breite Versorgungspalette anbieten.

Eine Besonderheit ist der Boden, ein Eichen-Bootsparkett. Bevor der 67-Jährige 1986 hier einzog, gab es im ersten Obergeschoss die Siegburger Rollschuhbahn. Übrig geblieben davon ist das edle Holz. Das kommt besonders gut im Eingangsbereich zur Geltung. Übrigens werden alle nicht praxisspezifischen Räume gemeinsam genutzt, Rezeption und Wartezimmer, sanitäre Anlagen und Garderobe etwa. Die Mietverträge sind langfristig abgeschlossen, es besteht Planungssicherheit.

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„Ich behandle inzwischen Menschen in der vierten Generation“, erzählt Beitzen. „Einfach zusperren möchte ich nicht, denn dann stehen die Patienten auf der Straße.“ Deshalb hat er sich zu dem ungewöhnlichen Schritt entschlossen, einen Teil seiner Altersversorgung einfach zu verschenken. „Von meiner Praxis habe ich gut gelebt“, gibt er einem möglichen Nachfolger mit, auch wenn er einräumt, dass er damit nicht reich geworden ist.

Etwa 20 Weiterbildungsassistenten sind bei ihm gewesen, einer ist heute gar Professor für Allgemeinmedizin an der Universitätsklinik Bonn. Dass er Hausarzt aus Leidenschaft ist, zeigt sein Lebenslauf: Zehn Semester hat er Germanistik und Sport studiert, weil sein Numerus Clausus nicht reichte. Mit 32 Jahren war er fertig mit dem Medizinstudium, vier Jahre später kam er nach Kaldauen.  

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