Schwertkampf in SiegburgStatt Blut fließt Schweiß unter der Siegbrücke

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Die Schwerter kreuzen sich. 

Siegburg – „In die Knie! Füße auseinander! Andere Hand im Blickwinkel halten! Und niemals stehenbleiben!“ Die Kommandos gelten zwei Jugendlichen, die mit höchster Aufmerksamkeit einander umkreisen.

Drei weitere Kämpferpaare tun das Gleiche. Einer der jungen Männer trägt Schottenrock, ein anderer einen ledernen Harnisch, der Nächste Kettenhemd. Und alle führen ein Schwert in der Hand.

Mittelalterlich-martialisch anmutende Szenen spielen sich unter der Siegbrücke (Bonner Straße) ab. Regelmäßig trainieren dort die Schüler von Jan Wilhelm. „So nennt mich eigentlich keiner mehr“, sagt der 35-Jährige. Als Raziel – den Namen hat er in einem Märchen gelesen – ist der Ruppichterother seit 15 Jahren in Sachen Schwertkampf unterwegs, seit neun Jahren gibt er Kurse.

Mit Helmen und einem schweren Sack voller Schwerter zum Training

Sein Arbeitsplatz ist das „Rheingold“, der „Laden für Mittelalter & Fantasy“ in der Siegburger Annostraße. Mit Helmen und einem schweren Sack voller Schwerter geht es samstags nach Geschäftsschluss zur Sieg.

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Mit Eisenhandschuhen wird das schwere Schwert getragen.

Bruderschwert, Bärbel, Felix, Knochen, „Bis einer heult“ und ein Dutzend weiterer Schwerter sind am Brückenpfeiler aufgereiht. Raziel gibt ihnen Namen, die sich zum Teil auf Personen beziehen. Die Schwerter „Bahngleis 1“ und „Bahngleis 2“ heißen so, weil es um zwei besonders robuste Exemplare handelt.

Deko-Schwerter hingegen eigneten sich nicht für den Kampf, erklärt der Fachmann. „Die würden beim ersten Schlag brechen.“ Es müsse aber auch nicht vierfach gefalteter Stahl sein. „Das Einfachste ist das Beste“, sagt Raziel und rät Anfängern zu einem leichten Schwert aus Federstahl.

Schon beim Aufwärmen spürt der Laie, warum er nicht direkt zu einem Anderthalbhänder oder gar einem beidhändig zu führenden Schwert greifen sollte.

Das Halten der schweren stählernen Waffe geht schnell gehörig in die Arme

Allein das Halten der stählernen Waffe geht nach wenigen Sekunden gehörig in die Arme. Samael (Jan Tofahrn), der zu den erfahrenen Kursteilnehmern zählt, hat ein Profischwert und trägt dazu Plattenhandschuhe mit Stahllamellen. „Das sind zusammen 3,1 Kilo“, rechnet der 30-Jährige aus Troisdorf vor.

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Die richtige Haltung der Waffe ist wichtig. 

Dass der historische Schwertkampf ein äußerst erschöpfender Sport ist, zeigt sich bei einem filmreifen Scharmützel von Raziel und Jörg Wilhelm (32). Während die anderen sich noch im Zeitlupentempo abtasten, fliegen die Haarmähnen der Brüder, klingen ihre aneinander schlagenden Schwerter fast im Sekundentakt.

Auch die Ritter im Mittelalter hielten das nicht lange durch. „Die Kämpfe waren kurz“, erklärt Jörg Wilhelm, als er wieder bei Atem ist. Raziel taucht die Hände in den bereitstehenden mit Eimer mit Siegwasser und schaufelt sich das Nass ins Gesicht.

Keine Stiche, keine gezielten Schläge an den Kopf

Viel Schweiß fließt unter der Siegbrücke, Blut nicht. „Keine Stiche, keine gezielten Schläge an den Kopf, wenn wir ohne Helm kämpfen“, nennt Raziels Co-Trainer Kevin Buderbach (29) zwei wichtige Regeln. „Man kassiert ab und zu einen blauen Fleck“, berichtet Fabio Bettin, „aber das ist bei anderen Kampfsportarten auch so.“

Der 25-Jährige nimmt gern die Anfahrt aus Bonn auf sich, Tobias Lehmberg (47) reist samt Schwertern in abschließbarer Transporttasche sogar aus Köln an. „Die Lernmethoden sind super gut, die Leute sind ganz entspannt“, sagt Bettin, und es koste nur zehn Euro im Monat. Sein nordisches Breitschwert, „Der Brecher“, sei sehr kopflastig, „das erhöht die Wucht“.

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Unterschiedliche Schwerter stehen zum Training bereit.

„Da steckt viel Physik drin“, erklärt Buderbach. Pariert werde ein gegnerischer Schlag mit der Stärke, dem Schwertabschnitt direkt über dem Heft, wo ein gegnerischer Schlag kaum Hebelkraft habe. Die Schwertspitze dagegen sei der Teil, der beim Schwingen der Waffe die höchste Geschwindigkeit und somit eine enorme Schlagwucht erreiche.

„Wurde einem im Mittelalter das Schlüsselbein zertrümmert, war das Leben schon ruiniert“, erläutert Raziel, weshalb es bei den Schwertern der Ritter gar nicht so auf die Schärfe der Klinge angekommen sei, zumal, wenn sie in Rüstungen gekämpft hätten.

Im Einsatz sind nur Schwerter mit stumpfem Blatt 

Beim Schwertkampfsport kommen freilich ohnehin nur Schwerter mit stumpfem Blatt und abgerundeter Spitze zum Einsatz. Sicherheit steht an erster Stelle. Trotzdem mahnt Raziel seine Schüler: „Wenn ihr zu schnell werdet, werde ich bissig.“

Und wieder der Hinweis an die Anfänger: „Ihr sollt tief stehen!“ Und dem anderen nie mit breiter Brust entgegen treten, sondern immer seitlich, um wenig Angriffsfläche zu bieten: „Je weniger der Gegner von dir sieht, desto besser.“

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Außerdem sollen alle üben, das Schwert mit rechts und links zu führen. Dann könne man jederzeit wechseln, wenn die Kraft nachlasse. „Ich habe ein Jahr lang mit links den Haushalt gemacht“, erzählt Raziel, wie er selbst Geschick und Muskeln in seinem linken Arm trainiert habe.

Er und Kevin Buderbach beherrschen sogar die hohe Kunst, beidhändig, will heißen: mit jeweils zwei Schwertern zu kämpfen. Für ihre Eleven gibt es noch viel zu lernen. Bis zum Einbruch der Dämmerung kreuzen sie unter der Siegbrücke die Klingen.

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