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ErfahrungsaustauschTextwerkstatt für Pflegende im Rhein-Sieg-Kreis ins Leben gerufen

Lesezeit 3 Minuten
Stefan János Wagner hat das Projekt ins Leben gerufen und begleitet auch die ersten Treffen.

Stefan János Wagner hat das Projekt ins Leben gerufen und begleitet auch die ersten Treffen.

Troisdorf – Seit Jahren pflegt sie ihren kranken Mann. „Wir schaffen das“, hat sie lange gedacht. Doch manchmal kommen auch die Zweifel. „Es macht müde, immer die Kraft aufzubringen“, sagt die Mittvierzigerin. Ein mögliches Thema für die Texte, die sie in Zukunft gern schreiben würde: „Pflegende schreiben“ heißt ein neues Format des Paritätischen; eine Schreibwerkstatt der Pflegeselbsthilfe Bonn/Rhein-Sieg-Kreis.

„Pflege ist kein Hobby“, weiß auch Stefan János Wagner, der das Projekt initiiert hat und die ersten Treffen begleitet. „Das kommt über einen Menschen“, vor allem in der privaten Pflege: Mehr als eine Million Frauen und Männer in Nordrhein-Westfalen pflegt Angehörige, 640 000 Menschen sind auf Pflege angewiesen.

Die große Verantwortung, die Auseinandersetzung mit der Pflegekasse, der Einsatz oftmals ohne große Pausen belasten die Angehörigen; aber auch die professionell Pflegenden kommen oft an ihre Grenzen. Darum sind sie ebenfalls angesprochen und zur kostenlosen Teilnahme an der Schreibwerkstatt eingeladen.

Pflegende brauchen Unterstützung

„Die Themen bleiben oft im Raum“, sagt Wagner; in der Schreibwerkstatt soll es die Möglichkeit geben, das nicht nur festzuhalten, sondern auch an die Öffentlichkeit zu tragen. Die Texte werden unter anderem über Social-Media-Kanäle verbreitet.

Früher hat auch B. geschrieben, die zum ersten Treffen nach Troisdorf gekommen ist. „Gedichte, ab und zu Tagebuch.“ Doch gerade in den vergangenen Wochen, als es ihr nicht so gut ging, hat sie das nicht getan. „Dabei hätte es mir wahrscheinlich geholfen“; doch brauchte sie ihre Energie für die Betreuung des kranken Ehemanns, der zunehmend Unterstützung benötigt. „Das nimmt einen großen Teil des Tages ein“, bislang ist bei der Familie kein Pflegedienst im Einsatz.

„Dass pflegende Angehörige sich Unterstützung holen“, ist daher auch eine Botschaft an Menschen in gleicher Lage, die sie in ihren Texten vermitteln möchte. „Schaut her!“ lautet ihr Appell an die Leser. Der Staat müsste mehr Unterstützung bieten, ist sie überzeugt.

Ein „Mitmachprojekt“ sei die Schreibwerkstatt, betont Stefan János Wagner. Die Träger öffnen Räume, die Teilnehmer treffen sich zunächst zum Austausch. „Es ist ja nicht jedermanns Sache, Texte zu schreiben“, sagt er. Und so geht es auch zunächst um die Inhalte, um die Erfahrungen, die pflegende Angehörige oder auch Fachpersonal einbringen können, und nicht um den fertigen Text. Der im Regelfall ohnehin nicht bei den Treffen entsteht, wo Wagner „Impulse setzen“ möchte. „Man macht das zu Hause“, macht das mit sich selbst aus, „oft nachts“. Vielleicht aber finde man in der Schreibwerkstatt jemanden, der die Zeilen einmal freundlich gegenliest. Und mit dem man auch über das Treffen hinaus einen Austausch pflegen kann.

Das nächste Treffen der Schreibwerkstatt findet am heutigen Montag, 4. Juni, 14.30 bis 16.30 Uhr bei Mawis Care in Haus Geistingen, Schützenstraße 5, in Hennef statt. Ein weiterer Termin ist am Dienstag, 26. Juni, 15 bis 17 Uhr, dann bei der Selbsthilfe-Kontaktstelle, Lotharstraße 95, in Bonn-Kessenich. Auskunft zu weiteren Terminen der Schreibwerkstatt und Informationen über die Pflegeselbsthilfe Bonn/Rhein-Sieg-Kreis gibt es im Internet.

www.selbsthilfe-Bonn.de

Teilnehmen

Viele Pflegende finden kaum eine Auszeit. Und deshalb kann man an der Schreibwerkstatt auch teilnehmen, ohne das Haus zu verlassen: Texte erbittet Organisator Stefan János Wagner an die Mail-Adresse pflegeselbsthilfe-bonn@paritaet-nrw.org.

Alle Textformen sind möglich, auch Gedichte. Länge und Form bestimmen die Autoren selbst. Ebenfalls möglich ist eine anonyme Zusendung der Manuskripte, doch appellieren die Macher der Schreibwerkstatt: „Bleiben Sie fair“ – auch wenn es zum Beispiel mit dem Pflegedienst Ärger gegeben hat.

Die Teilnahme an den Treffen ist kostenlos, Papier und Stifte werden gestellt. Wer mag, bringt den eigenen Laptop mit zu den Treffen. Auf Wunsch arrangieren die Macher weitere Termine. (dk)

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