Interreligiöse KulturaktionMuslime und Christen demonstrieren Gemeinsamkeit

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Engel der Kulturen

Eine Sand-Schablone des Engels entstand vor der Oberlarer Moschee. 

Troisdorf – Um die Schönheit von Paradies und Schöpfung geht es in der 55. Sure des Korans. Am Samstag trug Hasan Seljami sie vor der Moschee an der Sieglarer Straße vor, nicht nur für Gemeindemitglieder, sondern für rund 200 Teilnehmer auch katholischen und evangelischen Glaubens, die an einer ungewöhnlichen Kunstaktion teilnahmen.

Um Achtung vor der Schöpfung und Mitmenschlichkeit geht es auch den Künstlern Carmen Dietrich und Gregor Merten, die mit ihrem „Engel der Kulturen“, einer ringförmigen Plastik von 1,50 Metern Durchmesser, bereits in 123 Städten zu Gast waren, in Köln ebenso wie in Sarajevo und Tel Aviv.

Vergängliches Artefakt

In Troisdorf war die Prozession, die von der katholischen Kirche St. Hippolytus zur evangelischen Johanneskirche und weiter zur Moschee und zum Rathaus führte, nicht zu übersehen. Vor allem nicht der metallene Engel, dessen Kopf durch einen Halbmond gebildet wird, während die beiden Flügel in ein Kreuz und einen Davidstern übergehen.

Engel der Kulturen Sand

Kinder schütteten Sand in die engelförmige Metallform.

Kindern kam die Aufgabe zu, den Engel an den beiden Kirchen und der Moschee als Form für ein vergängliches Artefakt zu nutzen: Sie schütteten groben Sand in den auf den Boden gelegten Ring, den Gregor Merten festklopfte, bevor der Ring von vielen Helfern vorsichtig in die Höhe gezogen wurde.

Einen so friedlichen und harmonischen Verlauf wie in Oberlar ist der Künstler nicht unbedingt gewohnt, wenn er mit dem Engel in die Öffentlichkeit geht: „In Dresden hat das mal mit einer Verhaftung geendet, das war dramatisch.“

Eine große Fahne mit einer Abbildung des Engels hatten Polizeibeamte für zu groß befunden. „Und der Galgen für Merkel und Gabriel, der war nicht zu groß?“, habe er die Beamten noch in Anspielung auf eine Aktion gefragt, mit der Rechtsextreme zuvor Aufsehen erregt hatten.

Engel der Kulturen2

Die Hände vieler Helfer waren nötig, um den Ring vorsichtig anzuheben. 

Kasim Macit, der Hodscha der Moschee, betonte in seiner Ansprache, die Gemeinde habe in den 40 Jahren ihres Bestehens wichtige Aufgaben im Stadtteil erfüllt, mit dem Tag der offenen Moschee etwa. Es sei wichtig, „nicht übereinander, sondern miteinander zu sprechen“. Auf dem neu geschaffenen Platz der Menschenrechte vor dem Rathaus machte der stellvertretende Bürgermeister Rudolf Eich eine klare Ansage: Der Engel sei Symbol für Toleranz, interkulturellen Dialog und interreligiöses Miteinander. 

„Was am vergangenen Wochenende in Chemnitz passiert ist, Hetzjagden auf Menschen anderen Aussehens und Herkunft, hat in unserem Rechtsstaat nichts zu suchen.“

Carmen Dietrich und Gregor Merten

Carmen Dietrich und Gregor Merten aus Burscheid schufen den Engel. 

Erkan Zorlu, der Vorsitzende des Integrationsrats, hob hervor, dass unter den Teilnehmern auch Aleviten waren, die Bilder der zwölf Imame und des Imams Ali trugen und somit für eine weitere Strömung im Islam standen.

Keine Juden bei der Prozession dabei

Der evangelische Pfarrer Ingo Zöllich wies daraufhin, dass Juden leider fehlten. Er zitierte das Sabbatgebet „Seid mir gegrüßt, Engel des Dienstes“, und der Chor Nova Cantica schloss sich an, unter anderem mit dem Hymnus „Wäre Gesanges voll unser Mund.“

Chor bei Engel der Kulturen

Gesang zum Thema „Ich bin anders – Du bist anders“ kam vor dem Rathaus unter anderem von Kindern der Kita Robert-Müller-Platz. 

Sozialamtsleiterin Ulrike Hanke freute sich sehr, dass der Engel in die Stadt gekommen war. Sie hatte auch den Kontakt hergestellt – Carmen Dieterich und Gregor Merten stammen wie sie aus Burscheid.

Für die beiden war die Arbeit an der Moschee noch nicht getan: Sie verlegten vor dem Rathaus noch einen kleineren Engel als Intarsie im Pflaster und schufen mit einem Schneidbrenner bereits den Kulturboten für die nächste Station: Salzwedel in Sachsen-Anhalt.  

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