Interview mit Andreas Fischer„Wir sind alle Gefangene unserer Familiengeschichte“

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Buchautor Andreas Fischer an der Stelle, wo das Fotogeschäft seiner Eltern stand: An das Gebäude erinnert nur noch die Brandmauer des Nachbarhauses.

Troisdorf – Mit Dokumentarfilmen wurde er bekannt. Jetzt hat der aus Troisdorf stammende Andreas Fischer seinen ersten Roman geschrieben. Darin widmet er sich seiner Familie, die vom Nationalsozialismus geprägt war. Mit ihm sprach Andreas Helfer. 

Das Thema Krieg ist aktueller, als wir es uns bis vor kurzem noch hätten vorstellen können. Was geht in Ihnen vor, wenn Sie Berichte und Bilder aus der Ukraine sehen?

Andreas Fischer: Wie vermutlich jedem setzen mir die Nachrichten und Bilder sehr zu. Für mich gibt es den zusätzlichen Aspekt, dass Günther, der Bruder meiner Mutter, Silvester 1941 in der Ukraine gefallen ist. Er war 20 Jahre alt und 5 Tage im Einsatz, dann war er tot. Es gibt kein Grab, er wurde an einem Feldweg begraben, aber heute gibt es kein Grab mehr, da habe ich nachgeforscht. Mich überfiel zu Beginn des Krieges jetzt die Fantasie, dass nun Panzer dort herumfahren und Günthers Knochen durch die Ketten aus der Erde gepflügt werden. Es sind diese furchtbaren Wiederholungen von Gewalt, Tod, Schmerz und Trauer, die mich so fassungslos machen, aber da bin ich ja nicht allein mit der Gefühlslage.

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Der Buchtitel „Die Königin von Troisdorf" spielt auf Andreas Fischers Großmutter an, die auch auf dem Cover zu sehen ist.

Warum blieb der „Endsieg“ aus, wie Sie im Titel des Romans schreiben?

Mir wurde irgendwann bewusst, dass diese Familie ein ganz anderes Leben geplant hatte. Es gab Brüder, die im Krieg gefallen sind, mit denen es eine ganz andere, größere, lebendigere Familie gewesen wäre. Auch gab es berufliche Pläne meines Vaters. Er wollte nach dem Endsieg mit seinem Bruder in der heutigen Ukraine ein großes Fotolabor aufbauen. Mein Gefühl ist, das ganze Leben der Familie nach dem Krieg war ein Ersatz für das eigentliche Leben, das sie geplant hatte.

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Wussten Nachbarn, was sich hinter dem nach außen makellosen Schein abspielte?

Nein, es wurde sehr viel Aufwand getrieben, um die Fassade für Kunden und Nachbarn aufrecht zu erhalten.

Sehen Sie sich als Gefangener der Familiengeschichte?

Das sind wir alle, mehr oder weniger. Nur wissen das viele nicht.

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