Popup-FreizeitparkWie Kirmes in Corona-Zeiten funktioniert

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Die Kirmes in Troisdorf.

Troisdorf-Spich – Es dreht sich! Timo Fischer strahlt: „Ich brauche die Musik, das Klappern, das Rappeln.“ Ob eine Hand voll Menschen oder ein Dutzend im Kettensitz über dem Spicher Marktplatz fliegen, egal. „Auch wenn hier nichts übrig bleibt, es geht wieder rund“, sagt der junge Schausteller, der das Familienfahrgeschäft in x-ter Generation führt. Das hölzerne, hydraulisch angetriebene Nostalgie-Karussel, erbaut 1934, habe selbst im Krieg nicht still gestanden. Der Popup-Freizeitpark, das meint nicht nur Fischer, sei eine prima Idee, der Pandemie zu trotzen.

Es riecht nach Backfisch und Zuckerwatte, hier knallen die Platzpatronen an der Schießbude, dort prallen Autoscooter gegen die Gummibande, ein Losverkäufer ruft sonor: „Wer will nochmal, wer hat noch nicht?“ Drehorgelsound mischt sich mit Helene Fischers „Atemlos“. Alles wie auf einer Kirmes, doch so darf das Spektakel nicht genannt werden. „Dafür haben wir keine Genehmigung“, sagt Steffen Kremer vom Spicher Junggesellenverein.

100 Mitglieder sorgen für einen reibungslosen Ablauf auf dem mit Flatterband, Desinfektionsspendern und Schildern bestückten Gelände. Hier gilt 3G, streng kontrolliert, Impf- ausweise werden mit Personalpapieren abgeglichen, Gäste ohne Test abgewiesen. Nur auf dem Rundlauf entgegen dem Uhrzeigersinn und bei genügend Abstand und an den reservierten Tischen darf die Maske fallen. Statt Thekenbetrieb servieren die Junggesellen die Getränke. Von all den Einschränkungen ließen sich die Wenigsten die Feierlaune verderben, schildert Stefan Kremer. „Wir hatten um 24 Uhr Mühe, die Massen vom Platz zu bringen.“ Ab Samstag half ein Security-Dienst.

Wochenlange Vorbereitungen, ein Hygienekonzept, immer wieder Abstimmungen mit dem städtischen Ordnungsamt und mit dem Kreisgesundheitsamt, der gescheiterte Versuch, eine mobile Teststation vor dem Gelände aufzubauen, die Verschärfung der Testpflicht mitten im Betrieb – statt ab zwölf schon ab sieben Jahren, „das versteht doch niemand mehr und das verärgert auch die Gäste“, stöhnt Steffens. Lohnt sich der Aufwand überhaupt? „Auf jeden Fall“, sagt Vereinsvorstandsmitglied Marcel Wagner, und das nicht nur finanziell. Die meisten der Gründer von einst hätten selbst Nachwuchs: „Die leuchtenden Kinderaugen sind doch unbezahlbar.“

„Allein von Popup-Parks können wir nicht leben“, sagt Thomas Anders, der den Schießstand in der achten Generation führt. Dennoch sei er den Veranstaltern dankbar: „Gut, dass überhaupt etwas stattfindet.“ Andreas Alexius vom Autoscooter (dritte Schausteller-Generation) tutet ins selbe Horn: „Mit einer Kirmes ist das nicht vergleichbar.“ Die Beschränkung auf 400 Besucher bringe zu wenig Bewegung. Trotzdem: Alles besser als Stillstand, „großes Lob für die Organisatoren“.

Fast ein Jahr Corona-Pause, das sei lang gewesen, sagt Heinrich Kremer und schiebt die Jetons für die Schienenrunde im Feuerwehrauto, auf der Bimmelbahn, auf dem Motorrad oder Pferdchen unterm Schiebefenster durch. „Eltern und Kinder sind glücklich“, konstatiert er. „Viele haben noch nie eine Kirmes erlebt.“ Ist das der Durchbruch? Da sei er skeptisch. „Erst wenn die Weihnachtsmärkte wieder stattfinden, sind wir über den Berg.“

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