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Singende Patienten„Pneumissimo“ singt in Troisdorf gemeinsam gegen die Atemnot

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„Es gibt so viel Mut für den Alltag“: Das Singen im Chor hilft den Aktiven auf vielen verschiedenen Ebenen.

„Es gibt so viel Mut für den Alltag“: Das Singen im Chor hilft den Aktiven auf vielen verschiedenen Ebenen.

Troisdorf – Mit Dehnen und Räkeln beginnt die Probe, mit Gymnastik für die Fußgelenke und einem Rumpfkreisen im Sitzen. „Macht die Vokale gähnweit auf“, fordert Dr. Anette Einzmann später die Sängerinnen und Sänger in der Kapelle des Krankenhauses St. Johannes in Sieglar auf. „Achtet auf das t, das k, das p“ – nicht nur Konsonanten im Liedtext sind das für die 16 Teilnehmer an dieser Chorprobe, sondern „Zwerchfellimpulse“. Spätestens jetzt wird klar, dass hier kein Standardchor probt: Der Chor „Pneumissimo“ versammelt Menschen mit COPD, einer schweren Lungenerkrankung. Singen ist für sie Atemgymnastik, Spaß an der Musik und geselliges Beisammensein zugleich.

2015 gründete Einzmann einen ersten Chor in Köln, seit September 2017 kommen singende Patienten auch in Troisdorf zusammen. Im Oktober des vergangenen Jahres stieß Erika Prox dazu, die von der positiven Wirkung auf ihre Lunge überzeugt ist. „Für den Tag ist es super“, sagt die Spicherin, „wenn ich hier rauskomme, ist es eine ganz andere Atmung“. Marion Rahn aus Bergheim spürt die positive Veränderung noch länger. „Weil sich einiges gelöst hat, wenn ich hier rausgehe“ – die Verschleimung der Lunge ist eines der Probleme, das den Erkrankten zu schaffen macht.

Verbesserung der Sauerstoffsättigung

„Drei bis vier Prozent mehr Sauerstoffsättigung“ mache bei ihr das Singen aus, berichtet Anneliese Klein, die seit neun Jahren auf ein Sauerstoffgerät angewiesen ist. „Wirklich dreckig“ sei es ihr schon bisweilen vor der Probe gegangen. Wenn sie sich dennoch aufraffte, tat ihr das gut. „Ich habe dieselben Werte wie vor einem Jahr“, freut sich Andrea Breker. „Das macht mich stolz.“

Falsche Töne sind kein Problem für Chorleiterin Einzmann, die diplomierte Atemtherapeutin ist. „Man muss stimmbildnerisch gut arbeiten, damit es für das Atemmuster und die CO2 -Abgabe passt“. Denn die fehlende Möglichkeit des vollständigen Ausatmens ist es, was den Patienten das Gefühl der Atemnot bereitet. Nur durch eine Operation kann bislang ein Emphysem behandelt werden, eine bei Fortschreiten der Krankheit häufig auftretende Überblähung der Lungenbläschen. „Wir versuchen zu klären, ob man das durch das Singen verbessern kann“, sagt Katrin Enste, die den Chor zum Thema ihrer Doktorarbeit gemacht hat. Als heilbar gilt die Erkrankung nicht, lediglich bremsen lässt sich der Verlauf.

Einig sind sich alle Chormitglieder, dass der Gesang eine positive Auswirkung auf die Psyche hat. „Ich komme besser durch den Tag“, berichtet Silvia Peuthert, die zuvor lange in einem Frauenchor sang. „Sehr gut gelaunt“ geht auch Rainer Walrafen nach den Proben nach Hause. Er ist an Parkinson erkrankt, was ihn einerseits kurzatmig macht, zudem aber auch depressive Stimmungen mit sich bringt. „Das Singen hilft mir in doppelter Weise“ – und auch seiner Frau Karin: „Es gibt so viel Mut für den Alltag.“

Die Vereinsspitze wirbt derweil um Unterstützung: Ein Jahr lang finanzierte die Stiftung „Atemwege“ das Projekt, zwei Jahre danach ein großes Pharmaunternehmen. Ob dieses sein Engagement fortsetzt, ist derzeit ungewiss. Gerne würden Einzmann und ihre Mitstreiter daher weitere Förderer gewinnen. www.pneumissimo.de

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