Ukrainische GrafikTroisdorf zeigt Schönheit und schreiende Anklage

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Eindrucksvolle Bilder zeigt die Schau, die (von links) Ute Wegmann, Anna Sarvira, die Erste Beigeordnete Tanja Gaspers und Dr. Pauline Liesen in der Remise der Burg Wissem vorstellten. 

Troisdorf – Man habe ihr gesagt, sie solle nur das Nötigste mitnehmen, hat Julia Tveritina als Text zu ihrem Bild geschrieben. „Alle meine wertvollen Erinnerungen“ hat das Kind in seinen Rucksack gepackt. „Doch nun sind diese anscheinend gestohlen oder zerstört.“

So farbenfroh die Grafik ist, so erschütternd ist die Botschaft: Julia Tveritina erlebt seit sechs Wochen den Krieg in ihrer Heimat Ukraine. Ihre Arbeit ist Teil der Ausstellung „Ukraine einst und jetzt“ in der Remise der Burg Wissem, die am Freitag um 19 Uhr eröffnet wird und bis zum 8. Mai zu sehen ist..

Raveparty und Raketenbeschuss

Eigentlich sind es zwei Ausstellungen, die Dr. Pauline Liesen mit ihrem Team binnen weniger Wochen organisiert hat. Bilder der Schönheit, des kulturellen Reichtums und der Lebensfreude hängen auf der einen Seite der Remise. „Yellow and Blue“ heißt das Projekt aus dem Jahr 2016. Der blaue Himmel über dem Weizenfeld ist zu sehen, der blaue Fluss Dnepr im gelben Rahmen, aber auch die Raveparty in Kiew.

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Architektonische Fantasie präge auch die Hauptstadt Kiew, schreibt Zhenya Oleinyk zu ihrer Arbeit.

Im scharfen Kontrast stehen die Plakate an der Wand gegenüber: Raketen auf Charkiw, die gemarterte und gekreuzigte Friedenstaube, die verzweifelt Fliehenden im endlosen Stau. Eine schreiende Anklage, ein verzweifelter Aufschrei angesichts von Tod, Vertreibung und Zerstörung im Heimatland der Künstlerinnen und Künstler.

Insgesamt gebe es inzwischen rund 160 Poster um den Krieg aus den Reihen der Künstlergruppe Pictoric (siehe „Die Gruppe“), erzählte Mitgründerin Anna Sarvira am Donnerstag in Troisdorf. „Wir haben leider zu viele Gründe dafür.“ Sie selbst, deren Lebensgefährte in Köln lebt, war durch einen Zufall bei Kriegsbeginn in Deutschland.

Die Gruppe Pictoric

Junge ukrainische Illustratorinnen und Illustratoren, die zu einem Auslandsaufenthalt nach Polen reisten, gründeten 2014 die Gruppe Pictoric. Damals gehörte Anna Savira zu den Gründungsmitgliedern, deren Ziel es war, die Ukraine mit Grafik und Grafikdesign weltweit zu repräsentieren.

Ausstellungen der Gruppe gab es in einer winzigen Galerie in Kiew, zu Pandemiezeiten auch in einem Supermarkt. Anna Sarvira selbst hat noch in diesem Februar eine Art künstlerisches Tagebuch für das Museum of Modern Art in New York erstellt.

Die Bilder der Schau in Troisdorf sollen nach der Ausstellung verkauft werden, um Hilfe für die Ukraine zu unterstützen. Weitere Arbeiten von Pictoric sind in einer stetig wachsenden Sammlung auch online zu sehen. (dk) www.supportukraine-pic.com

„Die meisten sind jetzt noch in der Ukraine“, sagt Sarvira; weil sie ihre Männer und Freunde nicht zurücklassen wollen, oder weil sie – die männlichen Kollegen – selbst im wehrfähigen Alter sind. Etliche Stunden am Tag versucht Sarvira, den Kontakt in die Heimat zu halten. Nicht immer gelingt es ihr, grafisch zu arbeiten; an anderen Tagen „muss ich mich ausdrücken“. Alle Bilder seien sehr persönlich, ganz besonders, wenn sie von schrecklichen Ereignissen an Orten hört, die ihr vertraut sind.

Organisiert in wenigen Wochen

Erst Mitte März hatte Ute Wegmann, Autorin und Journalistin, die Museumsleiterin Dr. Pauline Liesen angerufen. Zuvor war sie in Köln Anna Sarvira begegnet, war „begeistert von der Kraft und Qualität der Bilder“, die die junge Frau im Gepäck hatte. Und die Wegmann ebenso wie die Künstlerin gern einem möglichst großen Publikum zugänglich machen wollte. Mit dem Rückhalt aus dem Rathaus und Unterstützung ihres Teams, wie Museumsleiterin Liesen betonte, gelang es innerhalb nur weniger Wochen, die bemerkenswerte Ausstellung auf die Beine zu stellen.

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Außergewöhnlich ist diese auch in einer anderen Hinsicht: Zu sehen sind digitale Ausdrucke, keines der Originale konnte die Ukraine bislang verlassen. Zudem ist die Arbeit der Künstlergruppe ein „Work in Progress“. Es entstehen immer neue Arbeiten, die über die Internetseite zu sehen sind. „Die Bilder verändern sich“, weiß Ute Wegmann; „man sieht, wie sich der Krieg verstärkt hat.“

"Jetzt sieht man viel Verzweiflung"

Inzwischen gebe es viele Darstellungen zum Beispiel von Kindern mit ihren Eltern im Keller. „Jetzt sieht man viel Verzweiflung.“ Zeichen der Hoffnung sind die anderen Arbeiten in der Remise. „Das“, sagt Ute Wegmann, „ist es, wo wir wieder hinwollen.“

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