Weg mit den KippenMario Merella hat recyclebare Eimer für Zigaretten entworfen

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Mario Merella zeigt die Komponenten seines Recycling-Systems: Aus dem Zelluloseacetat der Filter, Plastik und ökologischem Kunstharz entsteht ein spritzgussfähiges Granulat – und daraus werden Sammelbehälter verschiedener Größe gemacht. Die Metallascher sollen in Innenstädten aufgestellt werden.

Mario Merella zeigt die Komponenten seines Recycling-Systems: Aus dem Zelluloseacetat der Filter, Plastik und ökologischem Kunstharz entsteht ein spritzgussfähiges Granulat – und daraus werden Sammelbehälter verschiedener Größe gemacht. Die Metallascher sollen in Innenstädten aufgestellt werden.

  • Sie stören die Allermeisten: Zigarettenstummeln auf der Straße, in den Beeten und auf dem Gehweg.
  • Mario Merella, Vorstand des Vereins Tobacycle, hat recyclebare Behälter zu Entsorgung der Kippen entworfen.
  • Wir erklären, wie diese gemacht und wo sie eingesetzt werden.

Troisdorf – Sie liegen im Rinnstein, in den Fugen von Pflastersteinen, in Beeten und Rabatten: Zigarettenstummel sind der häufigste Müll in der Landschaft. Dabei sind die Kippen nicht nur unschön: Sie enthalten zahllose Giftstoffe, die sich nicht abbauen. Das Umweltministerium reagierte jüngst mit einem neuen Bußgeldkatalog, der für das Wegwerfen einer Kippe eine Ahndung von 100 Euro empfiehlt.

Für Mario Merella aus Troisdorf, Vorstand des Vereins Tobacycle, nicht der richtige Weg, diesem „Problemabfall“, wie er die Stummel nennt, Herr zu werden. Etwa 20 Jahre braucht es, bis ein Filter aus Zelluloseacetat sich auflöst. Die Giftstoffe und das Mikroplastik aber bleiben. Und auch wenn die Raucher ihre Zigarettenreste in öffentlichen Mülleimern entsorgen, gelange das Gift in die Umwelt: „Diese Behälter sind nicht dicht.“ Bei der Entsorgung über den Hausmüll – allein in der Kölner Müllverbrennungsanlage landeten 44 000 Tonnen Stummel im Jahr – entstünden Feinstaub und Kohlenmonoxid.

80 Prozent der Zigarettenkippen werden weggeworfen, die Filter enthalten Mikroplastik, auch die Giftstoffe bauen sich nicht ab.

80 Prozent der Zigarettenkippen werden weggeworfen, die Filter enthalten Mikroplastik, auch die Giftstoffe bauen sich nicht ab.

Eimer aus Zigarettenstummeln

Recycling sei die Lösung, sagt Merella, der im April des vergangenen Jahres ein entsprechendes Sammelsystem vorstellte: Luftdichte Behälter in allen Größen nehmen die giftigen Reste auf. Der Clou: Diese Behälter sind aus Recyclingmaterial mit fünf Prozent Zigarettenkippenanteil. Der Rest besteht aus Altkunststoff und Kunstharz als verbindendes Material. Etwa ein Jahr hält so ein Sammelbehälter, dann kann er zurück in den Kreislauf und erneut recycelt werden. „Fünfmal können wir die Eimer reproduzieren“, erläutert der 55-Jährige.

50 000 Sammeleimer und 20 000 kleine, runde Taschenaschenbecher für den täglichen Gebrauch der Raucher hat Tobacycle bis jetzt herstellen lassen. Und zwar vor der Haustür, das ist Merella wichtig. Produziert werden die Eimer von der Firma Jokey in Wipperfürth, der Altkunststoff kommt sowohl aus der Sortieranlage als auch aus sogenannten „Clean-ups“ in der Region, wo Initiativen die Umwelt säubern.

Vereinsmitgleider holen Eimer ab

„Aus den Kippen für die Kippen“, das ist die Lösung des gemeinnützigen Vereins Tobacycle, den Merella 2016 ins Leben rief. 500 Mitglieder hat der Verein mit Sitz in Köln, die Warteliste ist lang. Vereinsmitglieder engagieren sich dabei zum Beispiel bei der Abholung der Eimer. „Das machen wir mit dem Lastenrad“, sagt Merella. Viele Unternehmen in Köln haben sich schon mit den Sammelbehältern ausstatten lassen, „die Uniklinik, die Caritas, Filmproduktionen, RTL hat allein zehn im Einsatz“, so Merella.

Zehn Euro kostet das Leihen eines Zehn-Liter-Eimers, das Abholen und Austauschen des Eimers ist kostenfrei. Vereinsmitglieder zahlen 20 Euro im Jahr und bekommen die Sammelbehälter unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Auch das Siegburger Lokal Casbah hat einen solchen Kippeneimer und entsorgt darin den Inhalt der Tischascher.

Das Pilotprojekt

Die Verwaltung im Wipperfürther Rathaus will das Kippen-Sammelsystem des Vereins in der Innenstadt einführen – die Hansestadt wäre damit bundesweiter Vorreiter. Sammelbehälter von Tobacycle könnten dort aufgestellt werden, wo erfahrungsgemäß viele Raucher zusammenkommen: Am Marktplatz, vor Supermärkten, am Berufskolleg, aber auch in Firmen. Erste Gespräche mit den Gaststätten soll es bald geben. Die Taschenascher und Sammeleimer von Tobacycle könnte man mit dem Logo der Stadt versehen und gegen eine Pfandgebühr unters Volk bringen, so die Idee.

Parallel dazu will die Stadt weiterhin mit Ordnungsgeldern gegen Umweltsünder vorgehen. Wer eine Kippe auf die Straße schnippt, zahlt in Oberberg derzeit ein Bußgeld von 40 Euro. Eine Erhöhung der Beiträge könne man durchaus in Erwägung ziehen, heißt es aus dem Rathaus. Bürgermeister Michael von Rekowski hofft, dass das Tobacycle-System zu einem Umdenken beiträgt, die Umwelt schont und den städtischen Haushalt entlastet: „Umso sauberer die Innenstadt ist, desto weniger müssen wir für Reinigungskräfte ausgeben. Davon profitieren alle Bürger.“ In einem zweiten Schritt sei es gut denkbar, das System auch auf die Dörfer auszudehnen, zum Beispiel bei Schützenfesten, sagt Pressesprecherin Sonja Puschmann. (cor)

In einem Jahr kamen so 30 Kilo zusammen. Der Verein wiegt die abgeholten Kippen und führt Protokoll. Die Stummel werden in drei Sammellager gebracht, wo sie luftdicht verschlossen aufbewahrt werden und auf ihr späteres Leben als Sammeleimer warten. Drei Tonnen lagern allein in Hennef, in Köln 700 Kilo, in Troisdorf 300 Kilo. „Da luftdicht gesammelt wird, sind die Kippen kein Problemabfall mehr, ihre Entsorgung ist also nicht mehr dringend“, erklärt Merella.

Auch Zigarettenindustrie soll sich beteiligen

Gerade hat der Troisdorfer die Stadt Wipperfürth beraten, die die City mit den luftdichten Aschern aus Metall von Tobacycle ausrüsten will (Lesen Sie dazu auch: „Das Pilotprojekt“). Offenbach, Frankfurt, Nürnberg, Ludwigsburg und Konstanz haben ebenfalls Interesse. Eine Vorreiterfunktion habe es, wenn Kommunen vormachten, wie die giftigen Kippen richtig entsorgt und Teil eines Recycling-Kreislaufs würden, sagt Merella. Auch die Zigarettenindustrie sollte sich einklinken, so sein Wunsch. Der Troisdorfer, selbst Raucher, will andere animieren und für das Thema sensibilisieren, das er als seine Lebensaufgabe begreift.

Im August 2016 hatte der damals 52-Jährige sein Leben völlig umgekrempelt: Beziehung beendet, Wohnung gekündigt, Firma geschlossen. „Ich hatte viel Arbeit, aber sie war nicht befriedigend“, erinnert er sich. In einem Hotelzimmer war sie plötzlich da, die Idee, die sein Leben ändern sollte: Zigarettenkippen umweltfreundlich entsorgen und recyceln. Zwei Jahre arbeitete er mit Hochdruck an dem Konzept, und auch jetzt widmet er Tobacycle fast seine ganze Zeit „Ich arbeite 100 Stunden in der Woche, aber der Energiefluss ist da“.

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