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Weihnachtsgeschäft im LockdownWie geht es dem Einzelhandel im Rhein-Sieg-Kreis?

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Die Absage von Weihnachtsmärkten und verkaufsoffenen Sonntagen verändert das wichtige Geschäft am Jahresende.

Die Absage von Weihnachtsmärkten und verkaufsoffenen Sonntagen verändert das wichtige Geschäft am Jahresende.

Rhein-Sieg-Kreis – Die Weihnachtsmärkte? Abgesagt. Die Gastronomie? Geschlossen. Verkaufsoffene Sonntage? Gerichtlich verboten. Gewaltige Umsatzeinbußen beklagen die Einzelhandelsverbände. Wir haben uns umgesehen und -gehört.

„Das können wir nicht so eindeutig sagen“, antwortet Uwe Madel, Geschäftsführer der Buchhandlung am Markt in Hennef. Er denke aber, „dass der Bummelfaktor wegfällt“, an dessen Stelle ein gezieltes Einkaufen getreten sei. Durch die Beschränkungen im Privaten werde es ein anderes Weihnachten geben „und das wird auch den Einzelhandel treffen“: Weil man weniger Verwandte sieht, die zu beschenken sind. Im November haben Madel und seine Geschäftsführerkolleginnen Ursula und Julia Bank dennoch eine Steigerung der Umsätze gegenüber dem Vorjahresmonat verzeichnet.

Doch geht der 56-Jährige davon aus, „dass es eine Verschiebung ist.“ Viele Kunden besorgten ihre Weihnachtsgeschenke nämlich früher als sonst. Ein echtes Fazit könne er erst am Jahresende ziehen. An den verkaufsoffenen Sonntagen hätte Madel gerne teilgenommen, ohne den „Super-Umsatz“ zu erwarten, wie er sagt. Aber es hätte „die Schlangen entzerrt und es für uns leichter gemacht“. Schließlich seien Bücher als Last-Minute-Geschenke gefragt. Gefragt ist auch die Wolle, die inzwischen ebenfalls zum Sortiment gehört. „Es ist schön kalt und man ist mehr zuhause.“

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Freude über treue Kunden

Eigentlich hat Sylvia Bernardini gar keine Zeit für das Gespräch, in ihrem Laden „Tout Chocolat“ an der Siegburger Kaiserstraße hat sie, anders als in den Wochen zuvor, viel zu tun. „Ich habe meine Stammkunden, die haben mich nicht vergessen“; weniger gefragt sind hingegen die Firmenpräsente, weil es keine Weihnachtsfeiern gibt. Immerhin hat sie sich dieses Mal darauf einstellen können, „an Ostern hatte ich wie sonst auch bestellt und musste die Hälfte verschenken.“ Dabei durfte sie auch im Lockdown öffnen, Schokolade ist schließlich ein Lebensmittel.

„Pingelig“ nennt sich die Kauffrau im Umgang mit der Pandemie. Jeder Kunde, der das vor 16 Jahren eröffnete Geschäft betritt, muss die Hände desinfizieren. Gleiches gilt für die Einkaufseimer, die sie bereithält. „Wenn mir jemand Corona hier reinträgt, muss ich zumachen“, schließlich arbeitet sie im Wesentlichen allein. Lediglich Tochter Clarisse – die im gleichen Haushalt lebt – unterstützt die Mutter. „Ich habe nette Kunden“, freut sich Sylvia Bernardini über das Verständnis, das die meisten für die Auflagen haben.

Weniger Laufkundschaft

Auch Martin Hassel in Hennef freut sich über „viel positive Resonanz“. In das seit 53 Jahren familiengeführte Bekleidungsgeschäft an der Frankfurter Straße kommen Kunden, „die sagen, wir wollen den Handel in Hennef unterstützen“. Negativen Einfluss auf die Kundenfrequenz habe die geschlossene Gastronomie, „sehr schlimm“ findet der 56-Jährige die Absage des Weihnachtsmarkts am ersten Adventswochenende.

Zweigeteilt seien derzeit die Tage, berichtet Hassel: An den Vormittagen gebe es normales Geschäft, „nachmittags sind weniger Menschen unterwegs.“ Auf 20 Prozent beziffert er die Umsatzeinbußen des Jahres, auch nach dem Frühjahrslockdown sei das Geschäft schleppend gelaufen. Martin Hassel hat im Frühjahr Überbrückungshilfe bekommen, „das Geld war sofort da“; wie es um die Rückzahlung steht, weiß er noch nicht.

„Sehr traurig und enttäuscht“ haben Martin Hassel und Ehefrau Sandra, die drei Mitarbeiterinnen in Teilzeit beschäftigen, das Verbot der verkaufsoffenen Sonntage zur Kenntnis genommen. Noch gebe es eine gewisse „Verbindlichkeit“ der Kunden, „die Zukunft sieht aber anders aus“, fürchtet er eine Abwanderung in den Onlinehandel. Langfristige Planung sei schwierig.

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Ausgesprochen pessimistisch zeigt sich Siegfried Becker, der mit Ehefrau Christa das Juweliergeschäft Schmitz-Schwellenbach an der Kölner Straße in Troisdorf führt. „Die Innenstädte werden veröden“, vermutet er. „Und die Giganten wie Amazon werden sich die Hände reiben.“ Die eigene Situation sieht Becker nicht so schwarz, nicht zuletzt die Tatsache, dass er als Hausbesitzer keine Ladenmiete bezahlen muss, sei ein Vorteil.

Nur wenige Passanten gehen während unseres Gesprächs am Geschäft vorbei, das seit 1916 im Familienbesitz ist. „Es ist weniger Laufkundschaft da“, haben die Beckers bemerkt. An einem verkaufsoffenen Sonntag hätten sie sich gerne beteiligt, hatten „schon gehofft, dass wir die Umsätze stärken können“. Die seien in den vergangenen zwei Wochen wieder gesunken, nachdem sie sich über den Sommer normalisiert hatten. Aber: „Es kommen schon Kunden, die sich was gönnen.“

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