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Schredderanlage im Industriepark„Radioaktiv“ - was plant IMR?

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Steht den Gegnern der Recycling-Anlage im IPAS als Experte zur Seite: Klaus Koch vom Umweltnetzwerk Hamburg fordert eine Umweltverträglichkeitsprüfung von IMR. (Bild: Schwarz)

Steht den Gegnern der Recycling-Anlage im IPAS als Experte zur Seite: Klaus Koch vom Umweltnetzwerk Hamburg fordert eine Umweltverträglichkeitsprüfung von IMR. (Bild: Schwarz)

GROSSBÜLLESHEIM – Wer geglaubt hat, der Protest der Bürger gegen die geplante Schredderanlage im Industriepark am Silberberg (IPAS) ebbe nach der Ablehnung des Euskirchener Stadtrates ab, dürfte überrascht sein. Die Gegner der Anlage fahren neue und schwere Geschütze auf. Der Bürgerverein und die Grünen haben sich die Dienste des Ökologen Klaus Koch vom Hamburger Umweltnetzwerk gesichert - und der warf gestern in Euskirchen einen Begriff in die Debatte ein, der für weitere Aufregung sorgen dürfte.

„Wir haben herausgefunden, dass in der Anlage nicht nur radioaktive Abfälle angenommen werden, sondern auch demontiert und gelagert werden sollen“, erklärte Koch und zitiert Seite 114 des Antrags der Firma Innovative Metal Recycling (IMR) im Verfahren nach Bundesimmissionsschutzgesetz (Bimsch), wo in der Tat von der „Demontage radioaktiver Stoffe“ die Rede ist.

Doch was bedeutet das? Die Rundschau mailte gestern einen Fragenkatalog an die Geschäftsführung von IMR mit der Bitte um Stellungnahme zu den Behauptungen Kochs. Doch Geschäftsführer Steffen Adam teilte der Redaktion telefonisch mit, dass diese Fragen Bestandteil des Genehmigungsverfahrens seien, das derzeit beim Kreis Euskirchen behandelt werde.

Zudem könnten sie beim öffentlichen Erörterungstermin am 20. Januar behandelt werden. „Wir halten an dem Genehmigungsverfahren fest“, stellte Adam klar. Mehr wolle er derzeit dazu nicht sagen. Von der Pressestelle des Kreises Euskirchen war gestern zu erfahren, dass es sich um Elektroschrott handele - etwa PCs und Bildröhren -, die leicht radioaktiv seien. „Das wird in dem Verfahren natürlich behandelt“, so Kreispressesprecher Walter Thomaßen. Hierzu sei der Arbeitsschutz bereits um eine Stellungnahme gebeten worden.

Für Umweltexperten Koch wirft der Antrag von IMR auf die Genehmigung der Recycling-Anlage indes mehr Fragen auf als er Antworten gibt. So mache das Unternehmen keine Angaben darüber, in welchen Abfällen Radioaktivität vorhanden sein könnte - und in welchem Ausmaß. „Was dann mit diesen Stoffen weiter passiert“, so Koch, „ob die auch geschreddert werden sollen und möglicherweise auch eine Kontamination stattfindet, die auch eine Gefährdung für die Bevölkerung oder umliegenden Betriebe zur Folge hat, geht aus dem Antrag nicht hervor.“ Lediglich über die Menge gebe es eine Aussage: Von einer Tonne radioaktiven Abfalls pro Jahr sei die Rede.

Die Bevölkerung, so Koch, habe ein Recht zu wissen, ob - und wenn ja, über welchen Weg - derartige Abfälle in den IPAS gelangen: „Es dürfte die Anwohner doch interessieren, ob das durch ihren Ort gefahren wird.“ Es müsse auch im Interesse des Unternehmens liegen, hier für Klarheit zu sorgen, meint Koch. Zudem sollten die radioaktiven Abfälle von den Mitarbeitern per Hand sortiert werden, liest Koch aus dem Antrag heraus.

Darin steht, dass unter anderem die Demontage quecksilberhaltiger Bauteile, Batterien, Akkus, Toner und Farbkartuschen, Asbest, FCKW, Bildröhren und eben radioaktiver Stoffe vorgenommen werden sollten.

Warum aber kommt Koch ausgerechnet jetzt mit diesem „Hammer“ aus der Deckung? Dramaturgische Gründe wollte er gestern nicht ganz von sich weisen. Die Frist für Einwände beim Kreis läuft am 21. Dezember aus.

Zunächst sei er aber davon ausgegangen, dass die Abfälle am Firmeneingang auf Radioaktivität geprüft werden und nach Entdeckung durch Detektoren erst gar nicht auf das Gelände gelangen sollten - doch das habe sich offenbar als Irrtum erwiesen, so Koch. Er fordert eine Unterbrechung des Verfahrens beim Kreis und von IMR eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) für die Anlage. Die habe IMR der Stadt Euskirchen und den Ratsfraktionen zwar zugesagt, aber diese Zusage dann wieder zurückgezogen, erklärte Koch. Auch zu dieser Aussage schwieg die Führung von IMR gestern.

Im Genehmigungsantrag der Firma sieht Koch mannigfache Verletzungen der Sorgfaltspflicht bei den Gutachtern, die zum Teil haarsträubend seien: Es habe keine Untersuchung stattgefunden, welchen Belastungen das Gebiet heute schon ausgesetzt sei, behauptet Koch. „Es sind Daten aus fremden Gebieten verwandt worden.“ So hätten die Gutachten Werte der Wetterstation in Nörvenich herangezogen, die 20 Kilometer entfernt sei.

Im Gutachten werde behauptet, der Standort liege in einer regenreichen Region - das Gegenteil sei aber der Fall, so der Ökologe: „Hier ist eine niederschlagsarme Region.“ IMR schweigt auch zu diesen Vorwürfen.

Klaus Koch ist jedenfalls derzeit öfters im Kreis Euskirchen unterwegs. Am Dienstag beriet er drei Stunden lang Großbüllesheimer Bürger bei der Erstellung von schriftlichen Einwendungen gegen das Vorhaben von IMR.

„Etwa 100 Bürger haben daran teilgenommen“, so Koch, der vom Bürgerverein und den Grünen als Sachbeistand engagiert worden ist.

Denn die Sorge der Anlagen-Gegner ist auch nach dem Ratsbeschluss vom 19. November immer noch akut. Heute vor zwei Wochen hatte der Stadtrat zwar den Verkauf des städtischen Geländes an IMR einstimmig abgelehnt, doch die Bürger befürchten nun, dass im Falle einer Genehmigung der Anlage das Unternehmen versucht, das Gelände auf juristischem Wege zu erhalten. Klaus Koch kann sie da wenig beruhigen: „Das Vorhaben ist noch längst nicht vom Tisch.“

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