Affäre um WM 2006Zur Anklage gegen die Sommermärchen-Macher – Ein Kommentar

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Zwanziger und Niersbach

Theo Zwanziger (l.) und Wolfgang Niersbach

  • 6,7 Millionen Euro sollen von der Fifa an den früheren Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus überwiesen worden sein.
  • „Irgendwie“ gelangten sie dann zum früheren Fifa-Funktionär Mohames bin Hammam nach Katar.
  • Die Affäre hat ihre Spuren hinterlassen. Und auch bei den Fußballfans bleibt der Verdacht.

Es ist längst Herbst geworden. Das Sommermärchen ist im Grau versunken. Und die bisher ungeschoren gebliebenen Protagonisten des Skandals um die Fußball-WM von 2006 in Deutschland haben vermutlich gehofft, dass es genau dort auch bleibt. Im Grau. Bis zur Verjährung.

Auf der Zielgeraden hat die Schweizer Bundesanwaltschaft die Sommermärchen-Macher nun aber eingeholt und will sie in einem Prozess im Schnelldurchgang noch abfangen. Im November 2015 war das Verfahren eröffnet worden, spätestens im April 2020 soll ein Urteil fallen. Recht so. 

Verschleierung als Kulturprogamm

Es geht konkret um 6,7 Millionen Euro, die 2005 vom deutschen WM-Organisationskomitee über den Weltverband Fifa mutmaßlich an den früheren Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus überwiesen wurden – und die dann „irgendwie“ zum früheren Fifa-Skandalfunktionär Mohamed bin Hammam nach Katar gelangten. Die Zahlung wurde vom DFB als Beitrag zum WM-Kulturprogramm deklariert. Eine Verschleierung, die sich zusätzlich steuermindernd auswirkte.

Die deutsche Staatsanwaltschaft ermittelt. Das Frankfurter Landgericht verzichtete auf die Eröffnung des Hauptverfahrens, die Staatsanwaltschaft legte Rechtsmittel ein. Eine Entscheidung steht aus. Der Verdacht bleibt.

Verfahren gegen Franz Beckenbauer abgetrennt

Niemand ist im Laufe der Jahre wirklich ungeschoren geblieben. Die schwerwiegenden Vorwürfe und Enthüllungen von schwarzen Kassen, Hinterzimmer-Diplomatie, Gemauschel und Korruption haben ihre Spuren hinterlassen.

Sie haben in der Zwischenzeit die gesamte Verbandsspitze aus dem Amt gefegt und die Lichtgestalt des deutschen Fußballs nicht nur viele Lux gekostet. Heute ist Franz Beckenbauer so krank, dass das Verfahren gegen ihn abgetrennt wurde. Mit ihm wäre das nötige Eiltempo nicht möglich, denn der ehemalige OK-Chef ist nicht in der Lage, vor Gericht auszusagen.

Am Ende wird es eine Entscheidung geben

Der ehemalige DFB-Präsident Theo Zwanziger und Ex-Generalsekretär Horst R. Schmidt schießen scharf gegen die Schweizer Bundesanwaltschaft und betonen weiter ihre Unschuld. Auch beim Fan und zahlenden Zuschauer hat die Affäre ihre Spuren hinterlassen – inzwischen als nur noch eines von vielen Beispielen für die opportunistische Berufsethik von Sportfunktionären. 

Es mag naiv sein: Aber wer nichts zu befürchten hat, der kann froh sein, wenn ein Gericht seine Unschuld bestätigt – und damit viel Ballast abwerfen. Am Ende wird es eine Entscheidung geben. Und die Schweizer Behörden haben Zeit, sich ähnlich akribisch um ihre Eidgenossen und Fifa-Bosse Sepp Blatter und Gianni Infantino zu kümmern.

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