Interview der Woche mit Gunnar SchmidtNachwuchs gehört zur VfL-Familie

Lesezeit 6 Minuten
Gunnar Schmidt ist beim VfL zuständig für die Laufbahnberatung der jungen Spieler.

Gunnar Schmidt ist beim VfL zuständig für die Laufbahnberatung der jungen Spieler.

Gummersbach – Gunnar Schmidt (44) ist seit Anfang der Saison zuständig für die Laufbahnberatung der Spieler an der Handballakademie des VfL Gummersbach. Welche Aufgaben er hat und was bisher auf den Weg gebracht wurde, darüber sprach Andrea Knitter mit dem Fachleiter für Sport und Lehrer am Lindengymnasium Gummersbach.

Die jungen Handballer kommen mit dem Ziel an die Akademie, später in der Bundesliga anzutreten. Frech gefragt, wieso brauchen sie da eine Laufbahnberatung?

Weil die Träume beispielsweise nach einer Verletzung auch schnell platzen können. Meine Aufgabe ist es, den Jungs eine Perspektive über den Handball hinaus zu geben, ihnen aber auch das Leben mit Schule und Leistungssport zu erleichtern. Es ist ein immenses Pensum, was die jungen Handballer absolvieren, mit bis zu neun Trainingseinheiten in der Woche, mit Spielen am Wochenende und der Schule, die sie fordert. Ein Bundesligaprofi hat zum Vergleich sechs bis siebenmal die Woche Training, ein Spiel und in vielen Fällen eben keine oder eine eingeschränkte Doppelbelastung.

Alles zum Thema Fußball-Bundesliga

Wie früh setzen Sie mit der Beratung an?

Mit 14 oder 15 Jahren kommen die Spieler in die Handballakademie und wohnen teilweise im Internat. Es ist sinnvoll, schon so früh, mit ihnen und ihren Eltern Kontakt aufzunehmen.

Wie sieht es denn konkret aus?

Am Anfang steht die Entscheidung, welche Schulform von den Eltern für den Sohn gewählt wird. Die intensivste Zusammenarbeit der Akademie gibt es seit Jahren mit der Gesamtschule Marienheide, wo mittlerweile viermal die Woche vormittags trainiert wird. Aber auch mit dem Lindengymnasium oder der Realschule Hepel haben wir Kooperationen, um die talentiertesten Handballer zu fördern. Nationalspieler Julius Fanger hat durch das Entgegenkommen des Lindengymnasiums seit Sommer zweimal die Woche vormittags Training. Wir schauen, wie es funktioniert, und wollen es dann auch für weitere Spieler ausbauen.

Heißt das, dass Sie ständig in Kontakt mit der Schule sind?

Ja, die schulischen Leistungen müssen stimmen. Darauf liegt unser Fokus, und wenn sie nicht stimmen, steuern wir dementsprechend direkt gegen.

Das sind alles Maßnahmen, die es teilweise schon länger gibt. Was ist wirklich neu seit dem Sommer?

Dass es mit Christoph Schindler einen Geschäftsführer gibt, der den VfL Gummersbach als eine Familie sieht, zu der die Handballakademie gehört. Wir haben eine Verantwortung gegenüber den Jungs, die alles für den Verein geben. Dann muss der Verein auch etwas für sie tun. Sie müssen spüren, dass sie die Rückendeckung des Vereins haben. Und das haben sie mittlerweile.

In welchen Maßnahmen spiegelt sich das wider?

Wir haben alles auf links gedreht und neu gemacht. Wir haben z. Bsp. Athletiktrainer Philipp Schmitz mit ins Boot geholt, der sich jetzt bezogen auf die Jungs noch stärker den Fragen der Ernährung widmet. Wir haben den Fahrservice zur Gesamtschule Marienheide optimiert, so dass die Jungs nicht mehr so viel Zeit verlieren. Zudem gibt es für die Sportler in Marienheide spezielles Essen, das über einen Caterer kommt. Peter Honisch, ehemaliger Lehrer am Lindengymnasium, bietet samstags eine zusätzliche individuelle Hausaufgabenbetreuung an. A-Jugend-Trainer Alois Mraz, der am Lindengymnasium sein Anerkennungsjahr als Erzieher absolviert, trainiert dort eine Schulmannschaft. Jeden Dienstag gibt es ein gemeinsames Training talentierter Handballer des Gymnasiums und der Realschule auf dem Hepel. Neu ist zudem, wie gesagt, dass in Marienheide an vier Tagen die Woche vormittags trainiert wird.

Die Maßnahmen, die Sie genannt haben, wenden sich vor allem an die jüngeren Jahrgänge. Welche Angebote gibt es für die älteren Spieler, die Sie beispielsweise für die zweite oder erste Mannschaft halten möchten?

Es sind vor allem Maßnahmen, die nicht direkt kurzfristig greifen, sondern sich langfristig auszahlen, um mehr Spieler in die Bundesliga zu bekommen. Wir wollen aber auch erreichen, dass die Spieler sich hier wohlfühlen und sesshaft werden, wenn sie es nicht in die Bundesliga schaffen oder vielleicht noch etwas Zeit brauchen. Damit sie weiter hochklassig Handball spielen können, haben wir die Drittliga-Mannschaft. Zudem versuche ich für sie, Ausbildungsplätze zu bekommen.

Gibt es da schon Erfolge zu vermelden?

Ja, Eldar Starcevic hat eine Ausbildung zum Mobilfunkkaufmann bei Teleo begonnen, und Yannik Biolowas ist bei Orthopädieschumacher Achim Hardt in der Lehre, um nur zwei Beispiele zu nennen. In den Herbstferien besuchte die komplette A-Jugend die Firma Jung in Schalksmühle, wo 16 Ausbildungsberufe vorgestellt wurden. Wir haben den größten Businessclub der Bundesliga, und die jungen Handballer haben über Jahre bewiesen, dass sie leistungswillig und zielstrebig sind. In Zeiten von Fachkräftemangel ist das eine Win-win-Situation für den VfL und die Firmen.

Gilt das auch für Studienwünsche? Der Campus Gummersbach der TH Köln bietet ja bereits ein flexibles Studium für Sportler an.

Im Moment klopfe ich ab, welche weitergehenden Möglichkeiten der Zusammenarbeit es mit der Sporthochschule Köln und der Uni Köln geben könnte. Es gibt aber auch noch einiges mehr.

Was meinen Sie damit?

Es gehört ja auch dazu, den Jungs zu zeigen, dass es auch noch ein Leben außerhalb des Leistungssports gibt. So macht z. Bsp. Fynn Gonschor ein Freiwilliges Soziales Jahr beim VfL. In dem kümmert er sich unter anderem um Jo Deckarm, trainiert aber auch die Bambini. Wir planen zudem an einer noch intensiveren Zusammenarbeit mit dem Victors Hotel, in dem das Internat der Handballakademie untergebracht ist. Die Jungs sollen sich in der angeschlossen Altenresidenz engagieren, aber auch mal hinter die Kulissen des Hotelbetriebs zu schauen, wie beispielsweise in die Hotelküche.

Das erinnert an die Idee von Bob Hanning, Manager der Füchse Berlin, seine Jugendspieler in den Ferien bei der Müllabfuhr arbeiten zu lassen.

Soweit möchte ich nicht gehen, aber es schon wichtig, dass die Jungen trotz ihrer hohen Belastung nicht vergessen, wie die Welt außerhalb des Handballs aussieht.

Ist es bei alledem nicht auch eine besondere Motivation für die Jugendspieler, dass mit Luis Villgrattner, Fynn Herzig, Yonatan Dayan und Pierre Busch einige von ihnen schon regelmäßig Einsatzzeiten in der Bundesligamannschaft haben?

Auf jeden Fall. Da hilft die gute Zusammenarbeit mit Bundesligatrainer Denis Bahtijarevic. Das ist auch ein Baustein, durch den der VfL Gummersbach zu der Familie wird, die wir uns wünschen. Dazu gehört, dass die Jungs teilweise schon regelmäßig mit den Profis zusammen trainieren oder sogar schon spielen. Über die Jahre haben wir schon viele gute Spieler gehabt, von denen viele weggegangen sind. Das wollen wir verhindern, indem wir die Jungs rundum betreuen und ihnen eine Perspektive bieten. Egal, ob wir sie über die Jahre bis in die Bundesliga oder erfolgreich ins Berufsleben begleiten.

Rundschau abonnieren