Interview mit Hendrik Haas„Wir müssen alle in eine Richtung gehen“

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„Man muss sich an jedem kleinen Puzzlestück freuen“, sagt Hendrik Haas, der neue Vorsitzende des VfL-Beirats.

„Man muss sich an jedem kleinen Puzzlestück freuen“, sagt Hendrik Haas, der neue Vorsitzende des VfL-Beirats.

Der Gummersbacher Hendrik Haas (44), Enkel des VfL-Machers Eugen Haas, ist seit kurzem Vorsitzender des neu bestellten Beirats des Handball-Bundesligisten. Andrea Knitter sprach mit ihm darüber, wie er den Verein aufgestellt sieht und welche Aufgaben der Beirat hat.

Der VfL Gummersbach kämpft in der Handball-Bundesliga gegen den Abstieg und die finanzielle Situation des Vereins ist weiter angespannt. Was hat Sie bewogen, den Vorsitz im Beirat anzunehmen?

Meine Verbundenheit zum VfL. Ich bin in Gummersbach geboren, und so lange ich lebe Mitglied im Verein. Mein Opa Eugen Haas und mein Vater Hartmut als Abteilungsleiter Handball waren im VfL aktiv. Ich habe 25 Jahre Handball gespielt und bin vor einigen Jahren in den Hauptvorstand eingetreten, um dem VfL-Vorsitzenden Olaf Schnell zu helfen, den Verein weiterzuentwickeln. Als Abteilungsleiter Handball stehe ich an der Schnittstelle zwischen der GmbH, der die Profis angegliedert sind, und dem Verein, zu dem unter anderem die Handballakademie gehört. Wir haben mehr als 400 Handballer im e.V. gemeldet. Und nicht zu vergessen, der Hauptverein stellt nach wie vor den Lizenzantrag für die Handball-Bundesliga.

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Nachdem der alte Beirat im Sommer zurückgetreten war, gab es eine Vakanz. Mussten Sie erst überredet werden, in einen auf drei Mitglieder verkleinerten Beirat einzutreten?

Nein, es war schon länger klar, dass ich es übernehmen werde, beziehungsweise die Gesellschafterversammlung mich berufen würde. Es ist nur jetzt erst öffentlich gemacht worden. Mit dem VfL-Vorsitzenden Olaf Schnell hat es ja immer einen Vertreter des Vereins im Beirat gegeben. Bevor der Beirat berufen wurde, mussten ja nicht nur einige Dinge geklärt werden, wir haben uns natürlich auch erstmal einen Überblick verschafft.

Welche Aufgabe kommt dem Beirat zu?

Ich sehe uns als Bindeglied zwischen den Gesellschaftern und der Geschäftsführung. Die Aufgabe des Beirates hat sich nicht geändert, wir stehen weiterhin den Geschäftsführern zur Seite. Christoph Schindler ist als ehemaliger Profi und sportlicher Leiter für die sportliche Seite sowie die Sponsorenakquise und die Kommunikation zuständig, Sebastian Glock für die Finanzen.

Bis zum Sommer hatte der Beirat sieben Mitglieder, jetzt sind es nur noch drei. Welche Überlegungen stecken dahinter?

Wir haben zwei neue Geschäftsführer, die noch jung sind und mit vielen neuen Ideen kommen. Es wurde vieles in Frage gestellt und die Uhren wurden auf Null gestellt. Der VfL brauchte einen neuen Impuls, und da hat sich der alte Beirat, der viele Jahre gute Arbeit gemacht hat, entschieden zurückzutreten. Im Raum stand dann die Überlegung, was ein Beirat an Kompetenz braucht.

Wie spiegelt sich das in der Zusammensetzung wider?

Mit Holger Jahn haben wir einen Vertreter von einem der drei Hauptsponsoren und des alten Beirats. Er steht für Kontinuität. Tiberius Jeck, der als Torwart in der Zweiten Bundesliga gespielt hat und die HG Remscheid mit aufgebaut hat, kommt mit viel Handballverstand, aber auch Vertriebserfahrung. Da er kein Oberberger ist, gibt er zudem externe Impulse. Dazu kommt, dass ich als Unternehmensberater auch mein Fachwissen einbringen kann. Wir sind eine kleine Gruppe und stehen in engem Austausch mit den beiden Geschäftsführern.

Mit welcher Idee sind Sie angetreten?

Wir haben alles in Frage gestellt, weil wir wussten, dass wir so nicht einfach weitermachen können. Die Neubesetzung der Geschäftsführerposition war so etwas wie die Initialzündung, da durch sie auch die Kompetenzen neu verteilt wurden. Wir sind mit viel Realismus gestartet. Wir wollen den VfL weiterentwickeln, wissen aber auch, dass wir betriebswirtschaftlich vernünftig handeln müssen.

Seit bekannt ist, dass Sie im Beirat sind, wie oft mussten Sie schon hören, dass unter Ihrem Großvater Eugen Haas alles besser war?

Sehr oft. Dabei kann man nicht so einfach den Vergleich ziehen. Würde man so denken, dann wäre der VfL 1950 mit dem Gewinn der Mittelrheinmeisterschaft stecken geblieben. Doch mein Großvater und seine Mitstreiter waren Visionäre und haben nach vorne geblickt. Sonst hätten sie beispielsweise nie Hansi Schmidt aus Rumänien nach Gummersbach geholt. Wir können stolz sein auf die Tradition, müssen aber ebenso modern denken. Genau das haben wir mit der Kampagne „Heimat des Handballs“ thematisiert.

Empfinden Sie die Tradition als Hemmschuh?

Nein, ich freue mich immer darüber, was der Verein in seiner Geschichte erreicht hat. Durch die Tradition lastet aber mehr Druck auf dem VfL, weil mehr Augen auf uns gerichtet sind. Das zeigt sich auch an den Einschaltquoten bei Sky, die trotz unserer sportlichen Situation immer noch sehr gut sind. Die Tradition hilft aber nicht, die sportliche und wirtschaftliche Lage zu verbessern. Daher müssen wir uns weiterentwickeln, wie es Frank Bohmann, Geschäftsführer der Handball-Bundesliga, bei der Präsentation unserer Kampagne deutlich gesagt hat: Wir müssen ein moderner Verein werden.

Wo sehen Sie den VfL?

Die Lage ist nicht einfach. Es hat ja nichts mit Untätigkeit zu tun, dass der Bundesliga-Kader so klein ist, sondern mit den wirtschaftlichen Möglichkeiten. Die wirtschaftliche Gesundung des Vereins ist die Hauptaufgabe. Die Wechselwirkung von sportlichem und wirtschaftlichem Erfolg ist natürlich gegeben. Es laufen aber schon viele Dinge sehr gut.

Was meinen Sie konkret?

Die Handballakademie ist vor vielen Jahren gegründet worden, um Bundesligaspieler zu entwickeln. Es wurde im letzten Jahr viel in der Akademie getan, was die guten Ergebnisse auch zeigen. Wir haben einige Nachwuchsspieler in der Bundesliga-Mannschaft. Ein weiteres positives Beispiel ist unsere hervorragende Infrastruktur. Die Schwalbe-Arena ist ja eine echte Heimat des Handballs. Bei all dem darf man nicht vergessen, dass die Handball-Bundesliga ein attraktiver Markt ist und wir durch den Vertrag der Liveberichterstattung durch Sky eine hohe Reichweite haben.

Aber die anhaltende sportliche Situation hinterlässt auch Spuren. Die Schwalbe-Arena ist kaum ausverkauft.

Jeder freie Platz tut mir im Herzen weh und wir brauchen die Unterstützung der Fans. Auch das ist eine Aufgabe, der wir uns stellen wollen. Man darf aber auch sportlich nicht so ungeduldig sein und erwarten, dass wir schon bald wieder in der Champions League spielen. Was seit Sommer auf den Weg gebracht wurde, war zumindest ein guter Start, doch es ist kein 100-Meter-Sprint. Man muss sich an jedem kleinen Puzzlestück freuen. Damit meine ich zum Beispiel, dass die Neuzugänge, die im Sommer gekommen sind, intelligente Einkäufe sind.

Haben Sie bei Ihrem Amtsantritt mit Ihren Kollegen einen Zeitplan aufgestellt?

Ja, einen Mehrjahresplan über fünf Jahre, in denen wir sportlich und wirtschaftlich im Gleichschritt gehen wollen. Über allem steht die Frage, was müssen wir tun, um dahin zu kommen. Das heißt Fans in die Halle zu bekommen und Sponsoren zu gewinnen und zu behalten.

Gibt es für Sie ein Motto?

Handball ist ein Mannschaftssport – auf dem Platz und außerhalb. Deshalb müssen wir alle in eine Richtung gehen. Mit der Grundidee sind wir dann auch wieder sehr an der meines Opas.

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