Interview mit Peter SchönbergerEin Ziel ist, den VfL jünger zu machen

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Gummersbach – Mit dem 31:26-Sieg gegen Die Eulen Ludwigshafen haben sich die Bundesliga-Handballer des VfL Gummersbach im Kampf gegen den Abstieg Luft verschafft.  Am 1. März  muss der Verein die Unterlagen für das Lizenzierungsverfahren  zur kommenden Saison vorlegen. Wie der VfL aufgestellt ist, darüber sprach Andrea Knitter mit Geschäftsführer Peter Schönberger.

Was bedeutet der Sieg im Kellerduell für den VfL konkret?

Wir sind fünf Punkte von einem Abstiegsplatz entfernt. Unterm Strich war es ein überzeugender Sieg, der für ein positives Gefühl sorgt. So positiv gestimmt blicken wir optimistisch auf die Heimspiele, die bis auf Hannover und Leipzig gegen Mannschaften aus der zweiten Tabellenhälfte gehen.

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Erleichtert dieser Sieg Ihre Arbeit?

Sportlicher und wirtschaftlicher Erfolg hängen zusammen. Eine positive Stimmung ist wichtig und macht den Vertrieb, Ticketing und Merchandising einfacher.

Es wurden jetzt die Zuschauerzahlen für die bisherige Saison veröffentlicht. Demnach hat der VfL mit knapp zehn Prozent die meisten Zuschauer aller Bundesligisten verloren. Ist das die befürchtete Auswirkung der neuen Anwurfzeiten durch den Vertrag mit Sky?

Es ist ein ganzer Strauß an Gründen, zu denen der fehlende sportliche Erfolg der letzten Saison zusammen mit dem Tabellenstand dieser Saison ebenso gehört wie die Anwurfzeiten. Nach einem Sieg verkaufen wir fürs nächste Heimspiel direkt mehr Karten. Es bleibt dabei, wir müssen einen Schritt nach vorne machen und mittelfristig auch wieder eine Chance haben, auf einem Europapokalplatz zu landen.

Ist es messbar, wie sich beispielsweise die ungeliebte Spielzeit am Sonntagmittag um 12.30 Uhr auswirkt?

Wie gesagt gibt es für sinkende Zuschauerzahlen immer eine Vielzahl von Gründen. Wir haben gerade jetzt jedoch einen guten Anhaltspunkt. Als das Spiel gegen Die Eulen Ludwigshafen am vergangenen Sonntag um 12.30 Uhr angepfiffen wurde, hatten wir weniger Tickets verkauft, als für die Partie gegen HC Erlangen, die am Sonntag, 4. März, um 15 Uhr beginnt. Das zeigt, dass die Anwurfzeit eine Rolle spielt und nicht die Attraktivität der Mannschaften, denn die beiden Gastteams stehen im Tabellenkeller. Klar präferiert werden von den Zuschauern aber die Spiele am Donnerstagabend.

Wie lassen sich neue Zuschauer gewinnen?

Über die Erweiterung der Reichweiten, also die Wahrnehmbarkeit des VfL auch über Gummersbach hinaus. So haben wir beispielsweise eine Werbekooperation mit der Kölner Lanxess-Arena begonnen. Sie werben dort für Veranstaltungen in der Schwalbe-Arena und wir für deren Handball-WM in Köln. Dadurch hatten wir zuletzt überdurchschnittlich viele Kartenbestellungen aus Köln. Das Vorbereitungsspiel gegen die HSG Wetzlar fand in Olpe statt, auch eine Maßnahme, die Reichweiten zu erhöhen. In der kommenden Saison sollen die Tickets auch den Fahrpreis im VRS-Gebiet beinhalten, was für weitere Attraktivität sorgt.

Sie sind seit dem 1. Juni 2017 Geschäftsführer des VfL Gummersbach. Wie beschreiben Sie die vergangenen acht Monate?

Man darf nie vergessen, dass der VfL sich nach wie vor in einer Sanierungsphase befindet. Es ist ein dickes Brett, das wir bohren. Im Tabellenstand spiegelt sich unser Budget wider. Eigentlich ist der VfL eine starke Marke, die auch für Europa prädestiniert ist. Doch an den zu hohen Erwartungen der Vergangenheit und der Beinahe-Insolvenz 2011 werden wir noch ein paar Jahre zu beißen haben.

Was heißt das konkret?

Das Geschäftsmodell VfL funktioniert, doch mittelfristig behindern uns die Altlasten noch. Daher sind wir quasi Tag und Nacht dabei, noch zwei oder drei neue starke Partner, die sich engagieren, zu suchen.

Sind daran nicht schon Ihre Vorgänger gescheitert?

Es gibt jetzt aber einen großen Unterschied, und das ist die Live-Berichterstattung durch Sky, ARD und ZDF. Wir haben alle Werbemittel neu auswerten lassen, und es hat sich gezeigt, dass eine Firma, die in den VfL investiert durch die Live-Berichterstattung das Dreifache ihrer Investition bekommt. Das heißt, wer beispielsweise 500 000 Euro investiert, bekommt einen Gegenwert von circa 1,5 Millionen Euro. Das hat unsere Sponsoren beeindruckt und bietet uns die Chance, auch national Partner zu finden.

Was aber trotzdem nicht so einfach ist.

Nein, es erfordert auch ein strategisches Umdenken bei den Unternehmern, die immer noch sehr fußballorientiert sind. Wir können da nur mittelfristig und nicht kurzfristig Erfolg haben.

Hatten Sie gedacht, dass es so schwierig werden würde?

Nein, das hätte ich nicht gedacht. Ich habe erst einmal nur die Marke VfL gesehen, die eine unglaubliche Magie hat. Doch es ist eine echte Herausforderung und ein sehr zäher Prozess.

Hängt das auch mit der sportlichen Situation des VfL zusammen?

Die interessiert potenzielle neue Sponsoren im Gegensatz zu den Zuschauern und den bestehenden Sponsoren eher weniger. Wichtig ist es jedoch, dass in der Mannschaft auch einige über die Region hinaus bekannte Spieler sind, wie derzeit Carsten Lichtlein oder Simon Ernst und Moritz Preuss.

Bis zum 1. März müssen die Unterlagen, mit denen die Lizenz für die kommende Saison beantragt wird, abgeben werden. Wie sieht es damit aus?

Es ist für Vereine generell nicht einfach, im März ein Szenario schlüssig zu begründen, das sich erst auf die nächste Saison bezieht und deshalb auf Hoffnungen setzt. Wir kommunizieren aber sehr offen mit der Liga. Ich bin kein Traumtänzer und würde zum Beispiel niemals zwei neue Hauptsponsoren einrechnen, die ich nicht habe. Wir haben aber in den vergangenen acht Monaten mit vielen neuen kleinen Sponsoren Mehreinnahmen erwirtschaftet, die uns jetzt für das Lizensierungsverfahren helfen werden.

Sie müssen derzeit aber auch zwei Trainer bezahlen, da der entlassene Dirk Beuchler ja noch einen Vertrag bis Sommer 2019 hat.

Ein Sportbudget sollte daher immer zirka zehn Prozent für solche unvorhersehbaren Veränderungen berücksichtigen.

Was muss angeschoben werden, um die wirtschaftliche Lage des Vereins zu verbessern?

Von den Sponsoren im Bereich von 40 000 bis 50 000 Euro könnten wir noch breiter aufgestellt sein, und ein weiterer Partner im sechsstelligen Bereich täte uns auch gut. Im Merchandising geht es nach oben, was auch mit der Neuaufstellung unseres Online-Shops zu tun hat. Beim Ticketing ist das erste Ziel, dass 50 Prozent der Heimspiele ausverkauft sind. Weitere Sponsoren müssen auch für die Handballakademie gefunden werden, die sich ausschließlich dem Leistungssport widmen und damit Teil der GmbH sein soll. Ziel der Akademie muss es sein, Profis auszubilden und dabei gleichzeitig die Jugendlichen zu Persönlichkeiten reifen zu lassen.

Sie sind vom Eishockey zum Handball gewechselt. Wie fühlen Sie sich nach acht Monaten in der für Sie zuvor fremden Sportart?

Als ich mir mit meiner Frau das erste Spiel des VfL live angesehen habe, war ich schon nach fünf Minuten nervlich angeschlagen und von der Dynamik des Sports absolut fasziniert. Ich bin zwar immer noch sehr eishockeyaffin, weil ich auch selbst gespielt habe, finde aber, dass Handball ein ganz toller Sport ist. Die Spieler sind im Gegensatz zu anderen Sportarten sehr authentisch und bodenständig, es sind gute Jungs und es herrscht eine gute Stimmung in der Mannschaft. Es ist toll, im Mutterland des Handballs bei einem Verein wie dem VfL zu arbeiten und dann auch noch in der besten Liga der Welt. Die Arbeit macht mir jeden Tag Spaß und der Sport auch.

Sie haben beim VfL einen Vertrag über drei Jahre mit der Option auf Verlängerung unterschrieben. Was möchten Sie erreichen?

Zum Beispiel den VfL jünger zu machen, ohne dabei seine Identität zu gefährden. Zudem seine wirtschaftliche Basis zu verbreitern. Wenn wir in den kommenden drei Jahren ohne einen weiteren Hauptsponsor 800 000 Euro an Mehreinnahmen machen, sind wir absolut im Plan. Ich finde es manchmal ein bisschen schade, dass die breite Öffentlichkeit den Verein nur nach den sportlichen Aspekten beurteilt. Ein Verein lebt auch und besonders von seiner breiten wirtschaftlichen Basis, deren Entwicklung genauso spannend und wichtig ist, wie der momentane sportliche Erfolg.

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