Totenstille nach VfL-AbstiegLichtlein dachte, dass Kraus sich verletzt hat

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Fans des VfL Gummersbach

Nach dem Spiel herrschte in der Halle Totenstille.

Bietigheim – Es sind kaum mehr als zehn Minuten vor Schluss am Sonntag in der Bietigheimer Arena, da ist das Ende schon nah. 22:19 steht auf der Anzeigetafel, für die SG BBM Bietigheim. Und die Gastgeber, frenetisch angefeuert von ihren Fans in der in dieser Saison zum ersten Mal mit 4517 Zuschauern ausverkauften Halle, feiern jeden eigenen Treffer und jede Parade ihres Keepers Domenico Ebner, als wäre sie schon der Klassenerhalt.

Selbst wenn mancher der mehr als 500 VfL-Fans in der Halle zu diesem Zeitpunkt vielleicht schon ernsthaftere Zweifel als je zuvor am Klassenerhalt seines Clubs hegt: Niemand lässt es sich anmerken. Lautstark halten sie dagegen und feuern ihr Team an.

Von Anfang an lag die Anspannung in der Luft

Von Beginn an ist beiden Mannschaften in der Bietigheimer Arena der Druck des Abstiegsendspiels anzumerken. Vor allem im Angriff: Nach einem frühen Tor durch Ivan Martinovic dauert es bis zur 14. Minute, ehe Pouya Norouzi den zweiten Treffer für den VfL erzielen kann. Auch Bietigheim hat bis dahin erst dreimal getroffen. Vor allem Torhüter Carsten Lichtlein hält sein Team in dieser Phase mit seinen Paraden im Spiel.

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Der VfL Gummersbach steigt ab.

Danach nimmt das Spiel Fahrt auf – auch in den Angriffsreihen. In der 19. Minute kann VfL-Kapitän Drago Vukovic, der nach einer mehr halbjährigen Verletzungspause pünktlich zum Saisonfinale wieder auf der Platte steht, mit dem Tor zum 6:6 erstmals für den Ausgleich sorgen.

Kapitän Vukovic überraschte

Überhaupt, Vukovic: Bis zuletzt sollte niemand wissen, dass der 35-jährige Kroate, der sich im November einen Achillessehnenriss zugezogen hat, doch noch fit geworden ist. Sehr fit sogar: Sowohl in der Abwehr als auch im Angriff ist er bei seinem Comeback sofort wieder Führungsspieler, zieht hinten Stürmerfouls und trifft vorne. Zum letzten Mal allerdings: Unmittelbar nach Spielende wird Vukovic sein Karriereende bekanntgeben.

Mitte der ersten Halbzeit liegt Bietigheim weiter vorne, aber der VfL bleibt trotz mehrerer Zwei-Minuten-Strafen dran, schafft immer wieder den Ausgleich und geht durch einen Siebenmeter-Treffer von Marvin Sommer zur Schlusssirene mit einem 13:14 in die Halbzeit.

Schwacher Start in die zweite Hälfte

Fehlstart nach der Pause: Mit zwei schnellen Toren zieht Bietigheim auf 16:13 davon, ehe Michael „Mimi“ Kraus mit einem Siebenmeter an seinem früheren Nationalmannschaftskollegen Carsten Lichtlein scheitert. Doch Gummersbach trifft vorne weiter nicht, zudem muss Lichtlein kurz nach seiner Parade mit einer Zwei-Minute-Strafe vom Feld. Der VfL bleibt trotzdem dran, verkürzt nach 37 Minuten durch Eirik Köpp wieder auf 15:17.

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Alexander Becker im Angriffsmodus.

Bietigheim legt nach, trifft zweimal vom Kreis zum 19:15. Gummersbach kommt zurück, verkürztein der 46. Minute bei Überzahl durch einen Treffer von Florian Baumgärtner nach einer gelungenen Abwehr ins leere Tor auf 18:20. Der Abstand bleibt zunächst gleich, doch die Zeit wird knapp: Mit dem Zwei-Tore-Vorsprung gehen die Gastgeber beim Stand von 22:20 in die letzten zehn Minuten.

Wahnsinnige Crunchtime

Und dann beginnen genau diese wahnsinnigen zehn Minuten: Durch Treffer von Moritz Preuss, Stanislav Zhukov und Pouya Norouzi gleicht der VfL aus und geht sogar in Führung. In der 56. Minute hat Preuss frei am Kreis sogar die Chance, auf 24:22 zu erhöhen. Er scheitert, im Gegenzug trifft Kraus zum Ausgleich. Kraus ist es dann aber auch, der beim 25:25 kurz vor der Schlusssirene den Sieg und den Klassenerhalt mit einem Fehlwurf verpasst.

Was hängen bleibt, sind die Sekunden nach dem Wurf von Kraus: Carsten Lichtlein macht zunächst keine Anstalten, den Ball schnell nach vorne zu bringen – und das, obwohl da noch einige Sekunden bleiben und Gummersbach doch unbedingt einen Sieg zum sicheren Klassenerhalt braucht.

Lichtlein dachte, die Zeit wurde gestoppt

Lichtlein sagt am Montag, er habe gemeint, dass sich Kraus erneut den Oberschenkel verletzt habe und deswegen liegen geblieben sei. „Ich war davon ausgegangen, dass die Schiedsrichter die Zeit anhalten.“ Lichtlein beklagt zudem, dass die Mannschaft nicht gewusst habe, wie es bei den Eulen gestanden habe. 

„Am Ende ist das aber alles Spekulation.“ Viel entscheidender sei die Phase in der Saison gewesen, als der VfL noch unter Denis Bahtijarevic ein ums andere Mal so hoch verloren habe. Das schlechte Torverhältnis habe sich nun gerächt.

Stille in der Halle: Bietigheim war abgestiegen, Gummersbach musste zittern. In Ludwigshafen stand es zwei Minuten vor Schluss 30:30. Lange Minuten warteten VfL-Spieler, Offizielle und Fans, bis die ernüchternde Nachricht eintrafen: Durch den 31:30-Erfolg der Eulen ist der erste Abstieg der Oberberger nun Wirklichkeit.

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Die Spieler trösten sich nach dem Spiel gegenseitig.

Am Tag nach dem Spiel sagt Torge Greve zu den letzten zehn Sekunden: „Es wäre sicher falsch, den Abstieg an dieser einen Situation festzumachen. Es war eine unübersichtliche Situation: In Ludwigshafen stand es 30:30, und niemand wusste wirklich, wie lange da noch zu spielen ist. Da könnte ich auch eine Menge anderer Szenen aus dem Spiel aufzählen – zum Beispiel in der 56. Minute, als Moritz Preuss frei durch ist und das 24:22 machen kann.“

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Als langjähriger Trainer des VfL Lübeck-Schwartau kennt Greve die Zweite Liga in- und auswendig: „Wichtig ist jetzt vor allem Demut. Niemand darf glauben, dass wir da durchmarschieren, nur weil wir der VfL Gummersbach sind. Es wird fünf bis sechs Mannschaften geben, die um den Aufstieg spielen. Das, wovon der VfL in den vergangenen Jahren profitiert hat, dass es nur zwei Abstiegsplätze gibt, könnte nun sein Problem werden: Jetzt gibt es eben auch nur zwei Aufstiegsplätze.“

Zu seiner persönlichen Zukunft sagte der Trainer: „Ich gehe davon aus, dass ich der Trainer sein werde. Wir werden zwar noch Gespräche führen, aber dabei geht es vor allem darum, eine schlagkräftige Truppe zusammenzustellen, die in der Zweiten Liga oben mitspielen kann.“

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