VfL Gummersbach in BietigheimDramatisches Finale gegen den Abstieg rückt näher

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Torge Greve

Gummersbach – Wie es ist, wenn ein Bundesliga-Dino aus der ersten Liga absteigt, weiß Torge Greve nur zu genau. Über die Parallelen zum Fußball, wo sein Herz und das seines Sohnes für den im Vorjahr abgestürzten Hamburger SV schlägt, möchte der im schleswig-holsteinischen Rendsburg geborene Trainer des Handball-Bundesligisten VfL Gummersbach vor dem Abstiegsendspiel am Sonntag, 15 Uhr, bei der SG BBM Bietigheim-Bissingen (live bei Sky Sport) nicht philosophieren: „Das ist eine schöne Geschichte, aber das wäre zu einfach.“

Ohnehin, sagt Greve, gehe es bei der Vorbereitung der Mannschaft auf das Spiel um alles andere als um alte Geschichten des VfL Gummersbach: „Die Spieler haben mit diesen alten Zeiten nichts zu tun.“ Für sie gehe es ausschließlich darum, sich auf die aktuelle Aufgabe zu konzentrieren. Und die wird schwer genug: Die Oberberger müssen gewinnen, wenn sie den ersten Abstieg nach 53 Jahren Bundesliga vermeiden wollen. Zwar spricht das Torverhältnis gegenüber den punktgleichen Bietigheimern (jeweils 13:53) klar für den VfL. Bei einem Unentschieden der beiden Kontrahenten könnten aber die Eulen aus Ludwigshafen (12:54) mit einem Heimsieg gegen Minden aufgrund des dann besseren Torverhältnisses doch noch vorbeiziehen.

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Dass die Ludwigshafener sich diese Chance mit ihrem sensationellen 29:26-Erfolg am vorletzten Spieltag im Derby beim Tabellenvierten, den Rhein-Neckar Löwen, gesichert haben, will Greve nicht überbewerten: „Für uns ändert das nichts. Auf Unentschieden hätten wir auch sonst nicht gespielt.“ Dabei weiß auch der Coach, dass es gegen Ende des engen Spiels durchaus einen Unterschied machen kann, ob sein Team zwingend einen Sieg braucht – oder doch nur einen Punkt.

Und genau so ein enges Spiel erwartet Greve in Bietigheim. „Das wird eine Kopfsache“, sagt der Trainer. Gerade psychologisch gesehen könnte der Vorteil aber bei den Gastgebern liegen: Fünf ihrer insgesamt 13 Punkte holten die Bietigheimer in den letzten drei Heimspielen, zuletzt gab es zwei Siege gegen Hannover und Lemgo. Der VfL wiederum konnte in der gesamten Saison nur einen Auswärtssieg landen – am 13. Dezember mit 27:26 in Ludwigshafen.

Zudem haben die Oberberger zuletzt vor allem zu Hause gegen Erlangen, aber auch gegen Göppingen in den entscheidenden Phasen mögliche Punkte aus der Hand gegeben. Greve glaubt trotzdem nicht, dass seine Truppe deshalb im Nachteil sein könnte. „Etwas unterscheidet das Spiel in Bietigheim von unseren letzten Begegnungen: Dieses Mal hat auch der Gegner Druck.“

VfL-Geschäftsführer Christoph Schindler wiederum erinnert sich an eine ähnliche Lage im Vorjahr: „Als wir im vergangenen Sommer nach Hüttenberg gefahren sind, war die Ausgangssituation ähnlich. Am Ende haben wir gewonnen und den Klassenerhalt gesichert.“

Das Spiel sei eine „Extremsituation für beide Teams“, so Schindler. Was ein Abstieg für den VfL bedeuten würde, sei noch gar nicht abzusehen – selbst wenn inzwischen die Zweitliga-Lizenz sicher sei. „Wir haben einen sportlichen Plan für beide Szenarien – auch einen für die zweite Liga.“ Es sei jetzt aber nicht der Zeitpunkt, darüber zu sprechen. Am liebsten würde er ganz darauf verzichten – nach dem gelungenen Klassenerhalt.

Und die Frage nach dem Bundesliga-Dino? Kann Schindler die nach dieser Woche überhaupt noch hören? Der Geschäftsführer denkt kurz nach, dann sagt er: „Wir würden es einfach gerne weiter bleiben.“

Kommentar: Frank Klemmer über den möglichen Abstieg des VfL Gummersbach

Es ist 21 Jahre her, dass zum letzten Mal ein vermeintlich ewiger Erstligist in dieser Region erstmals aus der Bundesliga abgestiegen ist. Damals dichtete eine Band den Titel „Es tut so weh“ mit Zeilen wie „Es ist passiert, mein 1. FC Köln ist in die Zweite Liga abgestiegen“.

Was dieses Lied der „Wise Guys“ und seine bittersüßen Zeilen mit dem VfL Gummersbach zu tun hat? Eine ganze Menge. Alle jene FC-Fans, die sich nach sechs Abstiegen und sechs Wiederaufstiegen noch daran erinnern können, wie es war, zum ersten Mal abzusteigen, obwohl das angeblich in der DNA des eigenen Fans gar nicht vorgesehen ist, die wissen genau, was jetzt gerade in den Gummersbachern und den Fans ihres Handballvereins in diesen Tagen vorgeht.

Noch dazu ist es nicht so einfach wie in Köln: Der FC kommt immer wieder – inzwischen zum sechsten Mal. Im Handball läuft das anders. Das zeigen Clubs wie der TV Großwallstadt oder TuSEM Essen. Weil man das im Oberbergischen weiß, würde es den Abschied von der ersten Liga noch schwerer machen. Deshalb würden die Gummersbacher auf die Erfahrung der Kölner und mitfühlende Lieder gerne verzichten – und am liebsten ganz einfach drinbleiben.

Einfach irgendwie drinbleiben – für die Zukunft ist das aber nicht wirklich eine Option. Mit jedem neuen Jahr, in dem sich der Club zum Klassenerhalt plagt, steigt der Frust auch bei den Fans über den ewigen Abstiegskampf des ewigen Bundesligisten. Das heißt: Es tut jetzt schon richtig weh.

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