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Stadtviertel Kessenich wird zum Ortsteil

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KESSENICH. Einem Teil der Bürger im Norden der Kreisstadt ist es ohnehin ein Dorn im Auge, dass Kessenich offiziell als Anhängsel der Kernstadt Euskirchen gilt. Doch das wird in wenigen Tagen anders sein: Dann nämlich wird öffentlich bekannt gemacht, dass auch das Stadtviertel Kessenich ein eigenständiger Stadtteil ist - so wie Flamersheim, Stotzheim oder Billig.

Immer wieder, so Bürgermeister Dr. Uwe Friedl, sei er von Kessenichern um diesen Schritt gebeten worden. Der Stadtrat folgte nun einstimmig seinem Vorschlag.

Bis zur kommunalen Neugliederung 1969 war Kessenich schon ein Ortsteil, wurde dann aber der Kernstadt zugeordnet - ein formaler Schritt, den die Bürger aber nicht wirklich vollzogen, wie auch 40 Jahre danach das Ortsschild „Kessenich“ zeigt.

Auch die Pläne einer baulichen Annäherung Kessenichs an Euskirchen-Kernstadt haben sich nie ganz verwirklichen lassen. Euskirchen hat somit bald 22 Ortsteile, was in der Hauptsatzung berücksichtigt werden muss. „Weitere Auswirkungen ergeben sich nicht“, so Friedl. „Kessenich muss man jetzt erst einmal definieren, natürlich in einwohnerrechtlicher Hinsicht“, sagte gestern Stadtpressesprecherin Silke Winter. Wer bei der Stadt nach den Einwohnerzahlen für den neuen Stadtteil mit der Jahrhunderte alten Geschichte nachfragt, stellt die Statistiker vor ungeahnte Probleme: „Das haben wir bislang nicht extra erfasst, das gehörte immer zu Euskirchen.“

„Immer zu Euskirchen“ meint in diesem Fall seit Menschengedenken, oder genauer gesagt seit dem Jahre 1302, als die drei Dörfer Rüdesheim, Disternich und Kessenich sich zur Stadt Euskirchen zusammenschlossen und die Stadtrechte erhielten. Wegen ständiger Fehden im Rheinland rückten die Dörfer zusammen und zogen um Euskirchen eine Stadtmauer. Und plötzlich war Kessenich „außen vor“, wie übrigens Rüdesheim auch.

Doch die Bewohner von Rüdesheim zogen in die Stadtbefestigung rund um das heutige Viehplätzchen. Von den Kessenichern aber wollten nicht alle in die Stadt.

Daher blieb das Dorf Kessenich nördlich der Stadt Euskirchen bestehen und ist auch bis heute räumlich nicht mit der Kernstadt zusammengewachsen. Dabei hat Kessenich drei sehenswerte Baudenkmäler inmitten seiner 80 bis 100 Häuschen und Häuser. Da ist erst einmal die Burg Kessenich unweit der Erft im Norden von Kessenich, im Süden die Villa Friedrichsruh aus dem beginnenden 20. Jahrhundert und das Gut Friedrichsruh vom Ende des 19. Jahrhunderts.

Daneben gibt es noch den Bartelshof, ein ehemaliges Rittergut. Doch Kessenich hat mehr zu bieten, wenn sich der weltbekannte Gummibärchen-Produzent Haribo auch nicht in Euskirchen-Kessenich, sondern in Bonn-Kessenich niedergelassen hat. Kessenich bietet in der Erftaue die Möglichkeit, ungestört zu joggen, zu radeln und zu spazieren. Und Kessenich hat Geschichte. Erstmals wurde der Ort, so der im 19. Jahrhundert aktive Heimatforscher Oberpfarrer Mürkens, im Jahre 856 erwähnt, damals noch als „Casnec“. Mürkens leitete den Namen aus Castenacum ab, dem „Gutshof des Römers Castenus“. Dass Kessenich als Siedlung bis in die Römerzeit nachzuweisen ist, zeigte der Fund eines römischen Brandgrabes mit Grabbeigaben Ende des 19. Jahrhunderts am Rittergut Bartelshof deutlich.

Alte Römer und

moderne Klärtechnik

Schon vorher hatte man in Kessenich einen römischen Brunnen entdeckt. 1888 fand man in der Nähe der Erftbrücke bei Niedrigwasser Eichenbalken, die an der Unterseite einen spitzen Schuh trugen, ganz in der Art, wie man sie von römischen Brückenpfeilern her kennt.

Kessenich erfüllt aber noch eine wichtige Aufgabe für die Stadt Euskirchen und ihre Ortsteile: Hier liegt, am Nordrand des Euskirchener Stadtgebiets, die Kläranlage Kessenich des Erftverbandes, die die Abwässer von mehreren zehntausend Haushalten reinigt.

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