StudieWandel der Eltern-Kind-Beziehung

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Kampagne in Oldenburg gegen Gewalt an Kindern: Bei der Erziehung ist Gewalt heute weitgehend tabu. (Bild: dpa)

Kampagne in Oldenburg gegen Gewalt an Kindern: Bei der Erziehung ist Gewalt heute weitgehend tabu. (Bild: dpa)

BERLIN - Tyrannische Kinder, überforderte Eltern, ausgebrannte Lehrer - dieses Erziehungs- und Familienbild prägte zuletzt die Diskussion in Deutschland. Das „Generationenbarometer 2009“ widerlegt den negativen Eindruck. In deutschen Familien hat sich ein tief greifender Wandel der Eltern-Kind-Beziehung durchgesetzt - als Ergebnis einer sich wandelnden Gesellschaft.

Das habe positive Auswirkungen auf die Erziehung der Kinder, zeigen die Ergebnisse des Institutes für Demoskopie Allensbach, das das „Generationenbarometer 2009“ erstellte. Kinder erfahren heute weitaus mehr Zuwendung und Förderung als die Eltern- und Großelterngeneration und werden bewusst zu eigenständigen Persönlichkeiten erzogen.

Gute Nachrichten für Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen, die zusammen mit Hubertus Brantzen vom „Forum Familie stark machen e.V.“ die Studie präsentierte. Wenn 82 Prozent der Befragten den Zusammenhalt in ihrer Familie als sehr stark einschätzten, könne es sich bei der Familie 2009 wohl nicht um einen „krisengeschüttelten Sozialfall“ handeln, so von der Leyen. War gerade erst ihre Familienpolitik wegen der geringen Geburtenzahlen in Frage gestellt worden, zeichnet das „Generationenbarometer 2009“ das Bild intakter Familien in Deutschland.

Doch von der Leyen ist das nicht genug. Mut zur Familie habe nur, wer auch Zeit für Familie habe, sagte sie. Hier müssten mehr „Freiräume“ geschaffen werden, vor allem, da immer mehr Mütter berufstätig seien. Entweder Familie oder Beruf sei für viel Frauen heute kein Konzept mehr. Kita-Zeiten müssen weiter angepasst, Teilzeitmodelle ausgebaut werden und die Arbeitgeber seien gefordert. Eltern investieren schon jetzt mehr Zeit in ihre Kinder als in früheren Generationen üblich. Allerdings wird die Zeit, die Väter investieren, von vielen Kindern immer noch als defizitär empfunden. Von der Leyen kündigte an, kommende Legislaturperiode die „Vätermonate“ verlängern zu wollen.

Das „Generationenbarometer 2009“ zeigt, dass Kinder in den Mittelpunkt der Familie gerückt sind. So sagten 76 Prozent der 2222 Befragten, dass das Verhältnis zu ihren Kindern weniger autoritär sei und ihnen viel mehr Freiheiten gegeben werde, als sie es selbst in ihrer Kindheit erlebt hätten. Statt körperlicher Bestrafung setzen Eltern heute auf Kommunikation. Erziehungsziele, die in der Großeltern- und Elterngeneration einen hohen Stellenwert hatten, wie Fleiß, Anpassungsbereitschaft und religiöse Orientierung verlieren zunehmend an Bedeutung.

„Stattdessen geht es darum, die Fähigkeiten des Kindes zu fördern“, sagt Allensbach-Geschäftsführerin Renate Köcher. Immerhin 42 Prozent der Befragten sagten, dass ihre Eltern ihnen „Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen“ mitgeben. 89 Prozent der Eltern streben dies auch an.

Gleichzeitig ist der Umgang mit den Kindern emotionaler geworden, Geborgenheit in der Familie ist wichtig. So sagen 67 Prozent der 16- bis 29-Jährigen sie hätten eine glückliche Kindheit gehabt. 60 Prozent in dieser Altersgruppe geben an, liebevolle Eltern gehabt zu haben. Diese Wahrnehmung unterscheidet sich deutlich von der Generation der über 60-Jährigen. Hier sagen dies nur 35 Prozent.

Dass Eltern mitunter trotzdem das Gefühl hätten, Einfluss auf ihre Kinder zu verlieren, liege vor allem am Internet, sagt Familienministerin von der Leyen. „Kinder sind hier kompetenter, schneller, versierter als ihre Eltern.“ Dadurch hätten die Erziehungsberechtigten nicht immer den Überblick, auf welchen Seiten diese unterwegs seien. Wie die Daten zeigen, ist die Nutzung von TV und Computer besonders bei Jugendlichen aus bildungsfernen Schichten sehr ausgeprägt. So sind 55 Prozent der 14- bis 17-Jährigen dort drei oder mehr Stunden täglich vor dem Bildschirm. Dass die neuen Medien den Ruf haben, die „unheimlichen Miterzieher“ zu sein, weiß auch Familienministerin von der Leyen. „Doch wir sind auf einem guten Weg, was die Erziehungsideale betrifft“, sagt sie.

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