Tagebau Hambach„Spannende zwei Meter“ in tiefer Erde

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Mit riesen Geräten wurde gestern im Tagebau Hambach Europas tiefster Brunnen aus der Steinzeit unter den Augen vieler Forscher geborgen. (Foto: Tripp)

Mit riesen Geräten wurde gestern im Tagebau Hambach Europas tiefster Brunnen aus der Steinzeit unter den Augen vieler Forscher geborgen. (Foto: Tripp)

HAMBACH – In wenigen Tagen schon wird der Schaufelradbagger im Tagebau Hambach die Erde abgeräumt haben, in der Europas bislang tiefster ausgegrabener Brunnen aus der Jungsteinzeit überdauerte. Auf die Untersuchung „der spannenden zwei Meter“ Brunnengrund freuen sich nun Archäologen und Forscher.

In einer eisernen Kiste wird der Kastenbau aus Eichenholz auf dem RWE-Firmengelände für zeitintensive Untersuchungen zur Verfügung stehen. Mit Hilfe eines Raupenfahrzeuges hievten Tagebau-Mitarbeiter gestern den Brunnen samt Inhalt auf einen Tieflader.

„Einem Datenträger gleich“, berge der Inhalt des bis zu zwei Meter hohen Brunnengrundes Informationen aus 7100 Jahren über das Leben jungsteinzeitlicher Siedler nicht weit vom Ort Merzenich-Morsschenich entfernt, beschrieb Grabungsleiter Wolfgang Gaitzsch den Wert des Fundes. Im durch Grundwasser konservierten Bodensatz stünden die Chancen hoch, selbst organische Substanzen vorzufinden.

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Samen, Getreidekörner, Teile von Insekten oder Spuren von Textilien könnten in mikroskopischer Arbeitsweise gefunden werden, hofft der Archäologe Jan Janssens. An den Analysen und der Konservierung beteiligen sich die Universität Köln mit dem Labor für Archäobotanik und dem Labor für Dendroarchäologie sowie das LVR-Landesmuseum Bonn mit seiner Restaurierungswerkstatt.

Die Reste eines von Menschenhand mit dem Steinbeil behauenen Eichenbalkens von ursprünglich 30 Zentimetern Breite reichte Janssens dem Tagebauleiter Hans-Joachim Bertrams und der LVR-Kulturdezernentin Milena Karabaic, bevor es, von den Archäologen sorgfältig gewässert, wieder in Folie eingeschlagen wurde.

Als technische Meisterleistung würdigte Wolfgang Gaitzsch die Bauweise der sogenannten Bandkeramiker, benannt nach den bandartigen Verzierungen ihrer handgeformten Tongefäße: „Die Erbauer mussten etwa 1000 Kubikmeter Sand und Kies aus dem 15 Meter tiefen Schacht fördern.“

Entdeckt hatten die Archäologen den Brunnen schon 2008. Zunächst sei ihnen eine Flache Geländemulde im Boden aufgefallen, erläuterte Gaitzsch. Erst habe er dort einen antiken Brunnen vermutet, der zur römischen Siedlung etwa 400 Meter weiter gehöre. Das Holz der obereren Schichten sei im Laufe der Jahrhunderte komplett vergangen. Erst in 13 Metern Tiefe seien die Archäologen auf gut erhaltene Holzreste gestoßen, pechschwarze Eichenbohlen, die unter Sauerstoffabschluss gut erhalten seien.

Der geregelte Abbau des Brunnens in die Tiefe sei der Tatsache zu verdanken, dass er in einer Kiesgrube gefunden wurde, so Gaitzsch. 280 zusätzlich gefundene steinzeitliche Gräber, Reste von Häusern und Bewährungen ließen den Schluss zu, dass zur Hochzeit etwa 100 bis 150 Menschen in der steinzeitlichen Siedlung gelebt hätten, vermutet Janssens.

Es ist der zweite im Rheinland entdeckte Brunnen von außergewöhnlicher Tiefe. 1990 / 91 hatten Archäologen ebenfalls bei Grabungen im Tagebauvorfeld bei Erkelenz-Kückoven im Kreis Heinzberg einen 5090 vor Christus errichteten Brunnen von 13 Metern Tiefe entdeckt. Der Brunnen von Morschenich gilt nun als tiefster steinzeitlicher Brunnen Europas.

Einige Hölzer des Brunnens mit ersten Fundstücken und Funde aus der Siedlung werden am Samstag, 9. Juli, am Tag der Archäologie in der Außenstelle Tietz-Höllen des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege gezeigt.

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