Texte für die HörzeitungEine Stimme für die Blinden

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Konzentriert liest Ursula Tüllmann die Texte.

Konzentriert liest Ursula Tüllmann die Texte.

Angelika Kühn ist freitags schon mal im Tonstudio. Dann setzt die Bensbergerin den Kopfhörer auf und liest mit fester Stimme die wichtigsten Artikel aus der Bergischen Landeszeitung.Auch Hans und Ursula Tüllmann, Ehepaar aus Pulheim, sind seit vielen Jahren Sprecher für diese besondere Form der Nachrichtenübertragung. Das Dreierteam ist ehrenamtlich engagiert für die Hörzeitung „Köln kompakt“, die einmal in der Woche an rund 50 Gehörlose in Rhein-Berg, Köln und Umland verschickt wird.Der Termin im Tonstudio ist dabei der Dreh- und Angelpunkt: Hier wird die Zeitung produziert. Montags sind die CDs schon versandfertig, dienstags beim Abonnenten. Und dann kann gehört werden.Angelika Kühn liest seit dem Jahr 1978. „Alles, was den Personennahverkehr angeht, interessiert unsere Hörer besonders“, erklärt sie. Neue Haltestellen, neue Buslinien, veränderte Abfahrtzeiten am Bahnhof: Für Blinde und Sehbehinderte sei es ganz wichtig, sich im öffentlichen Raum zurechtfinden zu können, erklärt die Sprecherin. Die Teilhabe am Leben gelinge auf diese Weise besser. Als die KVB die Haltestelle Breslauer Platzeingeweiht habe, sei dies so ein Thema gewesen, das alle Leser interessiert habe.

Die Arbeit im Tonstudio ist exakt aufgeteilt: Acht Dreierteams plus Tontechniker wechseln sich wöchentlich ab beim Sprechtermin. Die Mannschaft mit Angelika Kühn ist so alle sechs, sieben Wochen an der Reihe und verbringt dann an die drei Stunden mit dem Textlesen. In Köln-Niehl können die Ehrenamtler kostenfrei ein Tonstudio in einer Seniorenwohnanlage der Wohnungsbaugesellschaft GAG nutzen.Auch Politik, Wirtschaft, Medizin, das Weltgeschehen und die einmal monatlich erscheinende Service-Beilage „doppio“ sind beliebte Themen für die Hörzeitung. Und das Lokalgeschehen versteht sich, etwa wenn es um Koch-Sterne für Nils Henkel & Co. geht. Sport allerdings ist eher weniger interessant für die Hörleser: Hier hat das Medium Radio Vorrang, samstagnachmittags verfolgen viele Hörer die Spiele der Fußballbundesliga auf WDR 2.

„Es geht um die Integration der Sehbehinderten und Blinden in die Gesellschaft“, erklärt Angelika Kühn den Hintergrund des Lese-Angebots. Ohne zu wissen, was vor der eigenen Haustüre geschehe, seien Menschen mit Behinderung von vielen Dingen ausgeschlossen.Welche Meldungen Angelika Kühn auswählt und liest, spricht sie im Team mit ihren Kollegen ab. „Eine gute Stimme braucht man, aber das kann im Grunde fast jeder“, findetdie Ehrenamtlerin. Sie kam Ende 70er-Jahre zufällig an ihre Aufgabe: Ein Arbeitskollege hatte ein sehbehindertes Kind und suchte in seinem Umfeld nach „Nachrichtensprechern“. Angelika Kühn meldete sich und blieb beim Ehrenamt dabei. „Mittlerweile bin ich die Dienstälteste“.Beim Sprechen versucht sie, die Betonungen genau zu setzen und lange Sätze inhaltlich zu gliedern. „Zehn Zentimeter Text sind etwa eine Minute Sprechzeit.“ Zu hören gibt es einiges: Rund 90 Minuten werden immer auf die Wochen-CD gepackt, wahlweise im MP3-Format oder im Blindenspezialprogramm „Daisy“. Viele Empfänger hören die Lese-Nachrichten unterwegs auf dem Weg zur Arbeit oder zurück, weiß Angelika Kühn. Auch beim Autofahren gibt es das Neueste zu hören. Mitunter auch was Kölsches: Regelmäßig steuert die „Akademie für uns kölsche Sproch“ ein Verzällcher bei.

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