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Türkei und SyrienMindestens 1400 Todesopfer nach Erdbeben – EU entsendet Rettungskräfte

Lesezeit 5 Minuten
Menschen betrachten die Trümmer eines zerstörten Wohnhauses.

Im syrischen Idlib hat das Erdbeben unter anderem ein Wohnhaus komplett zerstört. Mindestens 1400 Menschen kamen bei den Erdbeben ums Leben.

Nach starken Beben am frühen Montagmorgen im Südosten der Türkei und im Norden Syriens wurden zahlreiche Tote gemeldet. 

Bei einem der verheerendsten Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet seit Jahrzehnten sind nach vorläufigen offiziellen Angaben bis zum Montagmittag mindestens 1400 Menschen ums Leben gekommen. Nach zwei starken Erdbeben am frühen Montagmorgen bebte die Erde mittags erneut. Das Epizentrum des Bebens der Stärke 7,5 habe in der Provinz Kahramanmaras gelegen, meldete die Erdbebenwarte Kandilli in Istanbul. 

In der Türkei wurden bis zum späten Montagvormittag laut Präsident Recep Tayyip Erdogan mindestens 912 Opfer gezählt. Mehr als 5300 Menschen seien verletzt worden. In Syrien stieg die Zahl der Toten auf mehr als 460 Tote. Rund 1600 Menschen seien verletzt, berichteten der stellvertretende Gesundheitsminister Ahmed Dhamirijeh und die Hilfsorganisation SAMS, die in von Rebellen kontrollierten Gebieten des Landes arbeitet. Unzählige Menschen waren auf beiden Seiten der Grenze noch verschüttet.

In Syrien meldete das Gesundheitsministerium aus den von der Regierung kontrollierten nordsyrischen Provinzen Aleppo, Hama, Latakia und Tartus 237 Tote und weitere 639 Verletzte. 

Erdbeben in der Türkei überrascht Menschen im Schlaf

Das schwere Beben um 04.17 Uhr (02.17 Uhr MEZ) überraschte die Menschen im Schlaf. Nach Angaben der US-Erdbebenwarte USGS lag sein Epizentrum in 17,9 Kilometern Tiefe in der Nähe der zwei Millionen Einwohner zählenden türkischen Stadt Gaziantep, rund 60 Kilometer von der Grenze zu Syrien entfernt. Die US-Erdbebenwarte gab die Stärke des Bebens mit 7,8 an, von den türkischen Behörden wurde die Stärke 7,4 genannt.

Das Beben erschütterte das gesamte Grenzgebiet. Seine Ausläufer waren bis zum Libanon, Zypern und Ägypten zu spüren. Laut dem türkischen Katastrophenschutz wurden seitdem mehr als 40 größere Nachbeben registriert. Angesichts der großen Schäden dürfte sich die Opferzahl noch deutlich erhöhen.

Der türkische Vizepräsident Oktay berichtete von mehr als tausend zerstörten Gebäuden im Land. In türkischen Medien wurden Bilder von zahlreichen zerstörten Gebäuden im Südosten des Landes veröffentlicht. Ein Wintersturm erschwerte die Rettungsarbeiten zusätzlich. Ein AFP-Journalist in der Großstadt Diyarbakir im Südosten der Türkei sah ein eingestürztes Gebäude, aus dessen Trümmern Rettungskräfte verschüttete Menschen zu bergen versuchten. Allein in Diyarbakir seien vermutlich rund 200 Menschen noch unter den Trümmern eines eingestürzten Gebäudes begraben, sagte ein Vertreter der Rettungsmannschaften dem türkischen Sender NTV.

Nach Erdbeben: Recep Tayyip Erdogan ruft zum Zusammenhalt auf

Im Kurzbotschaftendienst Twitter teilten türkische Internetnutzer die Identität und den Aufenthaltsort von Menschen, die in verschiedenen Städten unter den Trümmern eingeschlossen waren. Der Bürgermeister der Stadt Adana, Zeydan Karalar, sagte dem Fernsehsender TRT, zwei 17- und 14-stöckige Gebäude seien vollkommen zerstört. In der Provinz Maltaya wurde eine berühmte Moschee aus dem 13. Jahrhundert zerstört.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sprach den Betroffenen sein Mitgefühl aus und rief die Türken zum Zusammenhalt auf. Er hoffe, „dass wir diese Katastrophe zusammen so schnell wie möglich und mit möglichst geringen Schäden durchstehen“, schrieb Erdogan auf Twitter.

Der Nationale Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, erklärte, die Regierung in Washington sei „zutiefst besorgt“ über die Lage im Erdbebengebiet. Die USA stünden „bereit, jede benötigte Hilfe zu liefern“. Aus dem Norden Syriens berichteten afp-Journalisten von Anwohnern, die in Panik aus ihren Häuser rannten. Alleine in der vom seit 2013 andauernden syrischen Bürgerkrieg schwer getroffenen nordsyrischen Großstadt Aleppo starben der staatlichen Nachrichtenagentur Sana zufolge 24 Menschen beim Einsturz von 20 Gebäuden, 100 weitere wurden demnach verletzt.

Rettungsteams aus der EU sind bereits unterwegs

Bundeskanzler Olaf Scholz sagte zu, Deutschland werde selbstverständlich Hilfe schicken. Das Zentrum für Katastrophenhilfe der EU koordiniert die Entsendung von europäischen Rettungskräften in die Türkei. Erste Teams aus den Niederlanden und Rumänien seien bereits unterwegs, sagte der zuständige EU-Kommissar Janez Lenarcic. In einer Stellungnahme sprachen der Slowene und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell von einem der stärksten Beben seit mehr als 100 Jahren in der Region.

Die Türkei bittet ihre Nato-Partner nach dem schweren Erdbeben um Unterstützung bei den Rettungs- und Bergungsarbeiten. Nach einer am Montag von der Bündniszentrale in Brüssel veröffentlichen Aufstellung braucht sie medizinische Nothilfeteams, notfallmedizinische Ausrüstung sowie Such- und Rettungsteams, die auch unter schweren Bedingungen arbeiten können. Konkret werden zudem drei für extreme Wetterbedingungen geeignete Feldkrankenhäuser und Personal für deren Einrichtung genannt.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte bereits am Vormittag mitgeteilt, Alliierte seien dabei, Unterstützung zu mobilisieren. Er selbst sei in Kontakt mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und Außenminister Mevlut Cavusoglu. Über seine Nachricht setzte Stoltenberg die Worte: „Uneingeschränkte Solidarität mit unserem Verbündeten Türkei nach diesem schrecklichen Erdbeben.“

Wir sind bereit, weiterhin auf jede erdenkliche Weise zu helfen.
Ursula von der Leyen, EU-Kommissionspräsidentin

Griechenland erklärte sich trotz der schweren Spannungen mit der Türkei bereit, Rettungsmannschaften in das Erdbebengebiet zu schicken – ebenso taten dies Finnland und Schweden trotz der türkischen Blockade ihrer Nato-Anträge. Auch Israel will der Türkei Hilfe leisten. Die EU-Spitzen zeigten sich erschüttert. „Wir trauern mit den Familien der Opfer“, schrieb EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf Twitter. Sie sagte den Menschen in der Türkei und in Syrien Solidarität der EU zu. Unterstützung sei bereits auf dem Weg und man sei bereit, „weiterhin auf jede erdenkliche Weise zu helfen“. 

Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat den Betroffenen des schweren Erdbebens im türkisch-syrischen Grenzgebiet seine Anteilnahme ausgedrückt. „Das Ausmaß von Tod und Zerstörung erschüttert mich tief. Meine Gedanken sind bei den vielen Opfern, meine Anteilnahme gilt ihren Familien“, hieß es am Montag in einer Pressemitteilung des Präsidenten. Steinmeier wünschte den Verletzten eine schnelle Genesung. „Meine Hoffnung richtet sich darauf, dass noch viele aus den Trümmern gerettet werden können.“ 

Das Auswärtige Amt forderte in seinen am Montagmorgen aktualisierten Reise- und Sicherheitshinweisen Menschen in betroffenen Gebieten dazu auf, sich „umsichtig“ zu verhalten und den Anweisungen der lokalen Behörden zu folgen. Die Türkei liegt in einer der aktivsten Erdbebenregionen der Welt. 1999 waren bei einem Beben der Stärke 7,4 in Düzce im Norden mehr als 17.000 Menschen ums Leben gekommen. (afp/dpa)

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