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Wenn Wäschewaschen den Tod bringt

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RHEIN-BERG. Wer zwischen Weihnachten und Neujahr putzt, den ereilt im nächsten Jahr großes Unglück. Gesundheit ist dagegen dem beschieden, der an Silvester so viel Blutwurst wie möglich verdrückt. Und stets einen Pfennig zuviel hat, wer die Schuppen des Silvesterkarpfens im Portemonnaie verwahrt.

Ob Aberglauben oder Volksweisheit - die Tage rund um den Jahreswechsel haben es in sich. Und auch wenn sich kaum ein moderner Zeitgenosse noch vor bösen Waldgeistern fürchtet, halten sich selbst viele junge Menschen unverdrossen an die althergebrachten Bräuche und Gepflogenheiten, wie Wolfgang Clemens vom Bauernhaus-Museum in Oberkülheim festgestellt hat. Zusammen mit seinem Bruder Dietmar und seinen Eltern erforscht der technische Direktor des kleinen Museums seit bereits mehr als 26 Jahren das alte Brauchtum im Bergischen.

Die Zeit zwischen Weihnachtsfest und Jahreswechsel ist bei der Spurensuche in alten Dokumenten besonders ergiebig. Das Treppeputzen war aus Furcht vor der Rache der bösen Geister (Genickbruch des Putzers) in dieser Zeit ebenso „verboten“ wie das Misten der Ställe.

„Wenn man wie unsere Vorfahren das ganze Jahr über permanent arbeitete, stellte sich in Tagen der Ruhe ein schlechtes Gewissen ein. Die Gefahr böser Geister bot da eine gute Entschuldigung für das Nichtstun und Ausruhen“, erklärt Clemens den Hintergrund der vielen Verbote für die „stillen Tage“ vor dem Jahreswechsel.

In den zwölf Raunächten zwischen Heiligabend und dem 6. Januar sollen nach alter Überlieferung die Seelen der Verstorbenen unterwegs sein. Ein guter Grund, mit sich und den Mitmenschen ins Reine zu kommen. So gilt es, bis Silvester alle geliehenen Gegenstände zurückzugeben und Schulden zu begleichen.

Soziale Hintergründe hat auch der Brauch, „zwischen den Jahren“ möglichst keine Wäsche zu waschen. Zwar habe es nie ein generelles „Waschverbot“ gegeben, so Clemens, doch hätten sich diejenigen als wohlsituierter erwiesen, die in dieser Zeit nicht zu waschen brauchten. Die Anreize für den Waschverzicht waren allemal nicht unerheblich: So ereilte den, dessen Wäschestück zwischen Weihnachten und Neujahr beim Trocknen auf den Boden fiel, im folgenden Jahr der sichere Tod.

Auch wenn heute längst vollautomatische Maschinen Waschbrett und Zuber abgelöst haben: 70 bis 80 Prozent der Menschen würden sich immer noch an die alten Waschregeln halten, schätzt Museumsmacher Clemens.

Als besonders sensibel gelten die bösen Geister am Silvestertag selbst: Wer da nicht morgens mit dem rechten Bein aufsteht, hat im folgenden Jahr schon nichts Gutes zu erwarten. Glücklich dagegen, wer hart gekochte Eier in seinen Taschen unversehrt durch den Silvestertag bringt. „Das schützt vor Kummer“, weiß Wolfgang Clemens und warnt eindringlich vor dem Verzehr von Äpfeln am Tag vor dem Jahreswechsel: „Das bringt schweres Unglück und kommt von der Rolle dieses Obstes beim biblischen Sündenfall.“

Ob heute noch der Silvester-Verzehr klein gemahlener Schweineborsten gegen Frostbeulen, Masern, Keuchhusten, Rheuma und Leberleiden im neuen Jahr hilft, ist zwar nicht sicher, viele Vorfahren im Bergischen glaubten jedoch fest an dieses Wundermittel. Naheliegender scheint da vielleicht noch die Weisheit, das ein Sauerkrautessen an Silvester Verdauungsstörungen vorbeuge.

„Oft hat sich auch erst im Nachhinein herausgestellt, ob man sich über den Jahreswechsel richtig verhalten hatte“, sagt Wolfgang Clemens. So habe man in der Silvesternacht kurz vor Mitternacht alle Fenster im Haus öffnen müssen, um das Glück des neuen Jahres hereinzulassen. Doch wehe, wer die Luken zu früh aufriss, der ließ noch das Unglück des alten Jahres in die eigenen vier Wände.

In jedem Fall gut bestellt war es um den, der am Neujahrsmorgen eine Brezel auf dem Frühstückstisch liegen hatte. „Wer zu dieser Zeit im Jahr noch solch einen Luxus backen konnte, der hatte das Schlimmste des Winters wahrlich gepackt“, sagt der Brauchtumsforscher.

Bauernhaus-Museum, Oberkühlheim 8, Besichtigung nach Voranmeldung unter der Rufnummer (0 22 07) 63 50.

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