Ex-KommunistEberhard Kempf ist der Strafverteidiger von Josef Esch

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Josef Esch

Der Troisdorfer Immobilienentwickler Josef Esch vor Gericht in Köln.

Frankfurt – Auf den ersten Blick ist es ein Bruch in seiner Vita: Ein ehemaliger Kommunist, der heute Manager und Unternehmer vertritt, die ihm bis zu 600 Euro die Stunde zahlen.

Der Frankfurter Rechtsanwalt Eberhard Kempf (74), der zu den besten Strafverteidigern Deutschlands gehört, vertrat gerade in seinen ersten Berufsjahren vor allem Vertreter der linken Szene. Heute steht er an der Seite von Ex-VW-Chef Matthias Müller und Bauunternehmer Josef Esch.

Doch was für Außenstehende nach einem extremen Wandel aussieht, ist für Kempf kein Widerspruch: „Es gibt viele, die sagen, ich hätte meine Ziele, die ich früher hatte, verraten.“, erklärt er. Seine Meinung dazu ist eine andere. „Ich verstehe es für mich nicht so, als dass ich die Seiten gewechselt hätte.“ 

„Ich stand den Tätern damals näher“

Und doch muss er zugeben: Er hätte sich zu Beginn seiner Karriere nicht vorstellen können, jemals den Chef der Deutschen Bank vor Gericht zu vertreten. „Ich stand den Tätern damals näher, als ich es im weiteren Verlauf meiner Berufstätigkeit für richtig gehalten habe“, blickt er nüchtern zurück.

Einer seiner Mandanten in den 90ern war der Ex-Terrorist Hans-Joachim Klein. Mehrere Male besucht Eberhard Kempf ihn in Frankreich im Untergrund. Es ist Ende 1998, als er seinen Mandanten auf die Rückkehr nach Deutschland vorbereitet, wo dieser sich den Behörden stellen will. „Er lebte dort unter falscher Identität auf einem Bauernhof“, erinnert sich der 74-jährige Rechtsanwalt heute. In den 70ern war Klein Teil eines Kommandos, das das Attentat auf die Opec-Konferenz in Wien beging. Das sechsköpfige Kommando nahm Geiseln und erschoss drei Menschen.

In der linken Szene kein unbeschriebenes Blatt

Dass der frühere Terrorist von seinen Unterstützern an Kempf vermittelt wird, ist kein Zufall. Denn der Strafverteidiger aus Frankfurt ist kein unbeschriebenes Blatt in der linken Szene: Er kandidierte in den 70ern für den Kommunistischen Bund Westdeutschlands, vertrat Demonstranten und RAF-Anwalt Klaus Croissant. „Gedacht war, dass Klein mit mir zusammen zurückkommt und sich stellt“, erzählt Kempf heute in seiner Kanzlei im Frankfurter Westend. Das klappt damals nicht ganz. Die Behörden kommen ihm zuvor, weil Telefone abgehört werden. Klein wird in Frankreich festgenommen.

Josef Ackermann

Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Josef Ackermann gehört ebenfalls zu den Klienten von Eberhard Kempf.

An Kempfs Seite wird er am Ende wegen Mittäterschaft und aufgrund einer Kronzeugenregelung 2001 zu neun Jahren Haft verurteilt. Nur zwei Jahre später verteidigt Kempf den früheren Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, im Mannesmann-Prozess. Während die Manager ihm heute hohe Summen für seine Dienste zahlen, war das Mandat für den früheren Terroristen Klein pro Bono. Aber, dass der Name Kempf heute eher im Zusammenhang mit prominenten Mandanten fällt, heißt nicht, dass der Rechtsanwalt ohne entsprechendes Honorar nicht mehr tätig wird. Nach wie vor – betont Kempf – würde er keinen Mandanten mit einem berechtigten Interesse abweisen. Derzeit vertritt Kempf einen Somalier, dessen Vater, ein Hirte, durch einen US-amerikanischen Drohnenangriff starb – ein Kollateralschaden im Kampf gegen den Terrorismus.

Einer der besten Strafverteidiger Deutschlands

Kempf zählt laut Wirtschaftsmagazin „Bilanz“ zu den besten Strafverteidigern Deutschlands. Im Oppenheim-Esch-Prozess war sein Mandant Josef Esch der einzige, der nur eine Geldstrafe erhielt. Kempf lernt Esch in den 90ern kennen. Seitdem begleitet er ihn vor Gericht. „Da entsteht im Laufe der Zeit schon ein persönliches Näheverhältnis bei gleichzeitiger Wahrung von Distanz“, beschreibt Kempf seine Beziehung zu dem Bauunternehmer. Der Rechtsanwalt bringt ihm bei, wie man sich auf dem Gerichtsparkett bewegt. Kempf entwickelt auch eine Strategie mit Esch, wie er sich vor Gericht präsentiert. Dass Esch nicht selbst aussagt, sondern schriftliche Erklärungen von seinen Anwälten verlesen lässt, gehört dazu.

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Für Kempf bedeutet dieses Vorgehen vor allem Sicherheit. Er mag es nicht, wenn Mandanten einfach drauf losreden. Denn zu oft werden Zeugen und Angeklagte in seinen Augen vor Gericht missverstanden. Der Grund dafür aus seiner Sicht ganz klar: Es mangelt in Deutschland an der Dokumentation von Prozessen in Form von Audio-Aufzeichnungen. Zuletzt forderte Kempf genau das mit deutlichen Worten in einem Gastbeitrag in der „Zeit“.

Als „Skandal“ beschreibt er das Verbot in Deutschland, Zustände „wie vor 200 Jahren“ seien das, die Argumente der Justiz in seinen Augen „albern“. Für die Richter findet er scharfe Worte: Vor allem deren „rückständige Haltung in den Köpfen“ müsse sich ändern. Deren Einstellung sei nur eine Frage der Macht. Sie wollten ihre Hoheit im Gerichtssaal nicht aufgeben. Provokativ kann Kempf also noch immer. Er setzt sich immer noch für das ein, was ihm wichtig ist – nur in einem etwas anderen Rahmen als früher.

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