Frage des TagesIst Geothermie in NRW zu gefährlich?

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Geothermie

Ein Mitarbeiter in einem Geothermie-Kraftwerk (Symbolbild)

  • Die NRW-Landesregierung will Geothermie-Potenziale erkunden, um den Anteil Erneuerbarer Energien am Strom-Mix zu erhöhen.
  • Der Plan alarmiert Umweltverbände und Geologen.
  • Ist die Nutzung von Erdwärme zu gefährlich?

Düsseldorf – Die Landesregierung treibt die Energiegewinnung aus Erdwärme mit Hochdruck voran. Zur Förderung der Geothermie werde zurzeit eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen, sagte Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) in einem aktuellen Bericht für den Landtag. Besonderes Augenmerk gilt dabei auch der Tiefengeothermie mit Probebohrungen in über 1000 Metern Tiefe. Die Landesregierung habe bereits die rechtlichen Hemmnisse bei der Nutzung der Tiefengeothermie wie auch zum Einsatz von Fracking beseitigt, so Pinkwart. Die rot-grüne Vorgängerregierung hatte dies in einem Erlass seinerzeit untersagt.

Auch unter Wissenschaftlern umstritten

Anders als die oberflächennahe Geothermie ist die Tiefengeothermie auch unter Wissenschaftlern umstritten. Infolge von Bohrungen kam es in einigen Fällen zu leichten Erdbeben, etwa in Staufen (siehe Kasten) oder Basel. Aufgrund von Akzeptanzproblemen und hoher Kosten ist diese Form der Energiegewinnung in Deutschland bisher jedenfalls kaum verbreitet.

Minister Pinkwart will Erdwärme zu einer wichtigen Säule der künftigen Energieversorgung in NRW ausbauen: Allein die oberflächennahe Geothermie könne mehr als die Hälfte des Bedarfs zum Beheizen von Gebäuden decken, werde aber erst zu einem Prozent genutzt, heißt es im Plan der Landesregierung für den Strom-Mix der Zukunft. „Die Tiefengeothermie sowie das warme Grubenwasser ehemaliger Zechen bieten eine verlässliche Wärme- und Kälteversorgung, die es gerade in NRW systematisch zu erschließen gilt.“

Umweltbundesamt schätzt Risiken als gering ein

Erste Erkundungsbohrungen zusammen mit dem Fraunhofer-Institut und RWE sind am Kraftwerk Weisweiler noch in diesem Jahr geplant. Dort soll zu Testzwecken zunächst 1000 Meter in die Tiefe gebohrt werden, später könnten es bis zu 3000 Meter sein. Gleichzeitig will Pinkwart bis 2030 die Leistung von Windkraft und Photovoltaik verdoppeln.

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Das Umweltbundesamt kommt in einer Studie zu dem Ergebnis, dass die Risiken der Tiefengeothermie bei enger Überwachung gering seien. Die Stärke von Erdbeben durch Geothermie sei deutlich niedriger als etwa jene von Erdbeben durch Bergbau.

Dem widerspricht jedoch ein Vorfall von 2017 im südkoreanischen Pohang, wo ein Erdwärmeprojekt ein Erdbeben mit der Stärke 5,5 ausgelöst hatte – trotz engmaschiger Kontrolle. US-Geophysiker William Ellsworth von der Stanford University glaubt nicht, dass solche Probleme vermieden werden können: „Es ist selbst mit den besten Erkundungstechnologien extrem schwierig, Störungen zu finden, die nicht an der Oberfläche zu beobachten sind“, zitiert ihn ein Fachblatt.

Grüne unterstützen Pinkwarts Plan

Die NRW-Grünen-Fraktion unterstützt prinzipiell das Vorhaben der Landesregierung, die Potenziale der Geothermie stärker zu nutzen. Der Schutz von Mensch und Natur müsse aber höchste Priorität haben. „Einen substantiellen Beitrag zur Stromversorgung wird die Geothermie in NRW aber voraussichtlich nicht leisten können“, sagte die energiepolitische Sprecherin Wibke Brems aus.

Das sieht die SPD-Fraktion anders: Die Potenziale der Geothermie seien groß, heißt es dort. „Ein großer Teil des Wärmebedarfs in NRW könnte aus der Geothermie gedeckt werden“, sagte der wissenschaftspolitische Sprecher Dietmar Bell. Die Voraussetzung für die kürzlich an den Start gegangene Fraunhofer-Einrichtung habe die SPD in ihrer Regierungszeit geschaffen.

Negativbeispiel: Rathausgebäude Staufen

In den Jahren 2006–2007 wurden das historische Rathaus und das rückwärtige Rathausgebäude von Staufen im Breisgau generalsaniert. Der Gemeinderat beschloss nach Angaben der Homepage der Stadt einstimmig, für die Heizung und Kühlung der beiden Rathausgebäude Geothermie zu nutzen. Im September 2007 ließ die Stadt sieben bis zu 140 m tiefe Erdwärmesonden bohren.

Wenige Wochen später wurden an mehreren Gebäuden in der historischen Altstadt Risse festgestellt. Mit geodätischen Messungen wurden Hebungen des Untergrunds als Schadensursache nachgewiesen. Bis zum Beginn der Sanierungsmaßnahmen 2009 hob sich der Untergrund mit konstanter Geschwindigkeit von bis zu 11 mm je Monat.

Wie sich später herausstellte, hatten die Bohrungen eine Verbindung zwischen einer Schicht mit unter hohem Druck stehendem Grundwasser und einer darüber liegenden etwa 75 m dicken Gipskeuperschicht geschaffen. Durch die Wasseraufnahme hat der in der Gipskeuperschicht eingelagerte Anhydrit begonnen, sich zu Gips umzuwandeln. Bei dieser Umwandlung kann sich das Volumen um bis zu 60 % erhöhen. Seit nunmehr 10 Jahren kämpft Staufen nun mit den Folgen dieser Katastrophe. (EB)

Kleinere Erdbeben an einigen Standorten von Geothermie

Mit Skepsis betrachten viele Bürger vor Ort Projekte der Tiefengeothermie. An einigen Standorten kam es durch den Betrieb von Geothermie-Kraftwerken zu kleinen Erdbeben. Eine Stärke von 3,4 erreichte im Dezember 2006 ein Beben in Basel. Oberflächenwasser wurde mit zu hohem Druck in den Untergrund gepumpt. Das Kraftwerk Basel ist inzwischen stillgelegt.

In Landau in der Pfalz kam es im Sommer 2009 zu leichten Erderschütterungen, vermutlich ebenfalls vom ortsansässigen Geothermie-Kraftwerk verursacht. (EB)

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