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imm cologneDas sind die Neuheiten von der Kölner Möbelmesse

Lesezeit 5 Minuten
Möbel bequem

Gedeckte Farben, comfortable Formen: Die Bequemlichkeit wird auf der IMM bei den Sitzmöbeln groß geschrieben.

Köln – Messen sind anregend, Messen sind spannend, Messen wollen Trendsetter sein. Doch je größer sie sind, desto eher läuft der Besucher Gefahr, sich zu verlieren, wenn er sich nicht ein Ziel setzt. Konkret stellt sich die Frage: Lohnt sich die Internationale Möbelmesse in Köln für den Endverbraucher? Wir machen den Test.

Gesucht: ein Sessel zum Lesen und Entspannen. Was die Stilrichtung angeht, sind wir offen, wir wollen uns einen Überblick verschaffen. Auch ein Budget setzen wir uns erst einmal nicht, das würde den Spaß verderben.

Klassiker in Halle 11

Zum Auftakt stößt der Besucher auf die Avantgarde von gestern – eine Hommage an das Bauhaus mit drei Klassikersesseln von Marcel Breuer, die auf dem Weg zur Halle 11 ausgestellt sind. Dort präsentieren sich die Premium-Designmarken aus aller Welt. Wir lernen: Innovation ist nicht alles. So rückt der italienische Hersteller Cassina aus Mailand in eben dieser Halle die Liege LC4 ins rechte Licht – ein Entwurf des Schweizer Architekten und Designers Le Corbusier aus dem Jahr 1929. Was seinerzeit wegen der freiliegenden Stahlrohre als Skandal empfunden wurde, gilt heute als zeitlose Ästhetik. Dass die Mailänder den Hingucker herstellen, haben sie dem Umstand zu verdanken, dass sie Le Corbusier noch kurz vor seinem Tod die Lizenz abkauften.

Wie ein Stehkragen aus Samt umschmiegt „I Feltri“, ebenfalls bei Cassina, den Sitzenden. Der thronartige Sessel ist aus mit Kunststoff verstärktem Filz geformt, Designer Gaetano Pesce erregte damit in den 1980er Jahren Aufsehen – und Cassina gelang selbst ein Klassiker, dessen Beliebtheit sich bis heute erhalten hat.

Aber nun endlich die wirklichen Messeneuheiten. „Wohlbefinden schaffen und immer wieder Neues erfinden“ will FSM, was für Frank Sitzmöbel aus der Schweiz steht. Der Entwurf „Pli“ von Stefan Heiliger sei ein „kleines Innovationswunder“, erklärt eine Mitarbeiterin. Der Sessel fällt durch seine klaren Linien auf und ist raffiniert konstruiert: Die breite Armlehne lässt sich um 360 Grad frei um den Sitz drehen und dient auch als Beinstütze sowie Ablage für ein Buch oder Glas.

Daneben hat FSM noch „Rex“ zu bieten, auf den ersten Blick eher ein gewöhnlicher Ruhesessel mit Fußstütze. Das Besondere: Die Sitzschale zieht sich hoch bis Hüfthöhe. Der Vorteil ist, dass beim Senken des Rückenteils das Hemd nicht aus der Hose rutscht.

Können das mal Stilikonen werden? „Jeder Designer behauptet, er habe einen Klassiker geschaffen“, sagt Uli Kössl, der Kreativdirektor von De Sede ist, zu dem FSM gehört. Aber dafür müsse ein Modell über Jahrzehnte gegen die Stilveränderungen bestehen. „Der erste Schritt ist, dass die Entwicklungskosten wieder reingeholt werden.“ Wenn es gut laufe, sei das nach fünf bis sechs Jahren der Fall.

„Pure Editions“ bietet etwas günstigeres Design

Ab in die nächste Halle, wo es nicht ganz so hochpreisig, aber trotzdem noch innovativer sein soll. Bei „Pure Editions“, wie die Themenwelt in Halle 3 heißt, fällt der Sessel „Cala“ ins Auge. Er ist seit zwei Jahren auf dem Markt, der spanische Hersteller heißt Kettal. Bei Gründung vor 51 Jahren war der deutsche Gartenmöbelbauer Kettler beteiligt, daher stammt der Name. „Cala“ sei für den „gehobenen Außenbereich“ gedacht, erklärt ein Mitarbeiter.

Das erklärt das Material: Gebogenes Aluminiumrohr, um das ein Geflecht aus Acrylstoffen gespannt ist. Die Rückenlehne ist wie ein japanischer Blattfächer geformt und überragt den Sitzenden um mindestens zwei Kopfhöhen. Man kann sich das Teil durchaus auch drinnen vorstellen.

Die Preise bei FSM liegen zwischen 5000 und 8000 Euro, „Cala“ ist laut Hersteller ab 2700 Euro zu bekommen. Es gibt aber durchaus günstige Objekte. Während wir „Smart“ in Halle 7 und 8 weglassen, wo es um junges Wohnen geht (Ikea ist hier vertreten), zieht es uns in Halle 2.1, wo Osteuropäer und Asiaten ausstellen. Und tatsächlich gibt es Polsterarmsessel in Hülle und Fülle.

In Reih' und Glied stehen sie auf dem kleinen Stand der Firma Hefeng Furniture aus China. Vor acht Jahren gegründet, kam man mit dem Sortiment vor fünf Jahren erstmals nach Köln. Als wir nach dem Preis fragen, glauben wir, nicht richtig zu hören: Großhandelspreis 83 US-Dollar. Ähnlich günstig sind Kushal Handicrafts aus Indien. Die Firma produziert seit sieben Jahren ausschließlich für den Export nach Europa und die USA, darunter finden wir einen von der britischen Kolonialzeit inspirierten Lederarmsessel.

„Wir geben dem Rindsleder das abgenutzte Aussehen, indem wir es mit Sandpapier bearbeiten“, erklärt Shubham Patwa. Beim Probesitzen wirkt das Sitzmöbel nicht unbequem, doch das Leder fühlt sich irgendwie seifig an.

Noch ein Versuch in Halle 6, wo sich die Themenwelt „Comfort“ nennt. Eine der größten Ausstellungsflächen mit 3000 Quadratmetern hat der bayerische Möbelbauer Himolla. Der Hersteller, einer der letzten, die fast ausschließlich noch in Deutschland produzieren, hat sich auf Ruhesessel spezialisiert. Man ist seit über 70 Jahren am Markt. Die Möbel verdienen ihren Namen: Hier kann man wirklich ruhen, bis zu sechs Motoren steuern die verschiedenen beweglichen Teile, auch als Massagestühle sind sie erhältlich.

Marketingleiterin Petra Kobus erklärt die jüngste Innovation: In einem Glashäuschen auf dem Stand können Besucher den Sessel über Alexa per Sprache steuern, alternativ kann man eine App auf dem Handy herunterladen und darüber den Sessel bedienen. „Unsere Zielgruppe sind die über 50-Jährigen“, sagt Kobus. Aber die verlangten heute eben auch schon solche technischen Neuerungen. Was das kostet? „Ein paar tausend Euro müssen Sie dafür schon bezahlen.“

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