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Ökonom erklärtDarum ist NRW beim Wachstum Schlusslicht

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Duisburger Hafen

Lkw auf dem Weg zum Con­tai­ner­um­schlag am Hafen Duisburg.

Bonn/Essen – Während andere Bundesländer vor Wirtschaftskraft strotzen, stagniert das Wachstum in Nordrhein-Westfalen. Die ernüchternde Bilanz der Konjunkturforscher: NRW ist Schlusslicht aller 16 Bundesländer. Roland Döhrn hat eine Erklärung dafür. "Die schwächere gesamtwirtschaftliche Entwicklung NRWs hat vor allem strukturelle Ursachen. Verschärft wird die Lage durch die Energiewende und finanzschwache Kommunen", sagt der Leiter des Kompetenzbereichs "Wachstum, Konjunktur, Öffentliche Finanzen" beim Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen. Die Flüchtlingsmigration sei eine zusätzliche Herausforderung für den Arbeitsmarkt und die öffentlichen Haushalte in NRW.

NRW hat ein strukturelles Problem

Vor allem strukturelle Ursachen verhinderten, dass das Land bei den BIP-Raten zum Rest des Bundesgebiets aufschließe, sagt Konjunkturforscher Döhrn: "Nordrhein-Westfalen hatte 2012 - neuere Daten liegen derzeit nicht vor - mit 15,9 Prozent die geringste Investitionsquote unter den deutschen Ländern. Auch die Forschungs- und Entwicklungsausgaben machen in NRW etwa nur gut ein Drittel der Ausgaben in Baden-Württemberg aus. Im Länder-Ranking nimmt NRW Platz neun ein. Bei den Möglichkeiten zur Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien steht das Land auf den ersten Blick zwar gut da, profitiert aber vor allem von seiner hohen Siedlungsdichte; Stadtregionen sind deutschlandweit besser versorgt. Die Erwerbstätigkeit entwickelte sich im Jahr 2015 in etwa im Gleichschritt mit dem Bundesgebiet. Dies bedeutet aber auch, dass sich die Arbeitsproduktivität ungünstiger entwickelt als in Deutschland." Alles in allem habe NRW bei den Faktoren, die Treiber der Produktivitätsentwicklung und damit des Wohlstandes sind, zumeist einen Rückstand gegenüber anderen Bundesländern.

Auffällig sei, dass die Schwäche der gesamtwirtschaftlichen Produktion zeitlich in etwa zusammenfalle mit der Deregulierung der Energiemärkte. Döhrn: "Der Energiesektor ist seit jeher ein wichtiger Wirtschaftszweig des Landes. Allerdings wird Energie in Nordrhein-Westfalen vorwiegend auf konventionellem Wege erzeugt. Da einerseits alle Stromverbraucher über die EEG-Umlage zur Finanzierung des Ausbaus erneuerbarer Energien herangezogen werden, andererseits die Mittel aber dorthin fließen, wo der grüne Strom erzeugt wird, ist Nordrhein-Westfalen, zusammen mit Baden-Württemberg, der bedeutsamste Netto-Zahler der EEG-Umlage. Im Jahr 2014 flossen schätzungsweise netto 3,1 Milliarden Euro oder 0,5 Prozent in Relation zum Bruttoinlandsprodukt aus NRW an andere Bundesländer."

Auswirkung der klammen Finanzen der Kommunen

Darüber hinaus dämpften die klammen Finanzen vieler Kommunen die Realeinkommen in NRW. "Diese schlagen sich unter anderem in hohen Hebesätzen bei der Grundsteuer B und der Gewerbesteuer nieder", analysiert Döhrn: "2014 hatte NRW bei beiden die höchsten durchschnittlichen Hebesätze unter den deutschen Flächenländern, für 2016 sind weitere Anhebungen angekündigt. Diese belasten die Realeinkommen."

Eine weitere Schwäche sieht der RWI-Experte in der Deindustrialisierung des Landes: Der Anteil des Verarbeitenden Gewerbes an der Bruttowertschöpfung Nordrhein-Westfalens habe zuletzt mit 19,5 Prozent um 2,7 Prozentpunkte unter dem Bundesdurchschnitt gelegen.

Was könnte NRW voranbringen? Döhrn hat konkrete Vorstellungen: "Man kann den wirtschaftlichen Trend des Landes nur durch eine kontinuierliche auf Wachstum ausgerichtete Politik beeinflussen, Ad-hoc-Aktionen bringen da wenig. Der Hebel sind mehr Investitionen in Infrastruktur und Bildung."

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