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StudieFeste Arbeitszeiten sind ein Auslaufmodell

Lesezeit 3 Minuten
Arbeitnehmer schaut auf Uhr

Viele Arbeitnehmer träumen von flexiblen Arbeitszeiten ohne ständigen Blick auf die Uhr. Das hat aber nicht nur Vorteile.

Berlin – Wieder einmal dauert der Arbeitstag für Tim eine Stunde länger als geplant. Vergütet wird dem Mittdreißiger die Überstunde nicht. "Das wird von uns erwartet", sagt der Softwareentwickler, der für ein kleines Unternehmen tätig ist. Immerhin heißt Feierabend bei ihm dann tatsächlich, dass er weder Mails beantworten oder Anrufe entgegen nehmen muss. Denn diese Praxis ist mittlerweile weit verbreitet. Einer Studie des Bonner Instituts "Zukunft der Arbeit" (IZA) zufolge zwacken Arbeitnehmer durchschnittlich fünf Stunden in der Woche von ihrer Freizeit für dienstliche Aufgaben ab. Fast zwei Drittel der Beschäftigten sind von dieser Vermischung von Freizeit und Arbeit betroffen.

Feste Arbeitszeiten "von acht bis fünf" sind anscheinend ein Auslaufmodell. Laut IZA hat jeder fünfte Arbeitnehmer flexible Einsatzzeiten. Bei jedem siebten Beschäftigten ist mittlerweile Heimarbeit Teil des Berufsalltags.

Dazu kommen noch viele unterschiedliche, auf die Bedürfnisse des Betriebs zugeschnittene Arbeitszeitmodelle wie beispielsweise der im Einzelhandel verbreitete Teilzeitjob.

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„Flexibilität ist nicht länger ein Privileg der Arbeitgeber“

Die Flexibilisierung kann Arbeitnehmern und Arbeitgebern zugute kommen, wie zwei ungewöhnliche Tarifabschlüsse der letzten Jahre zeigen. Bei der Deutschen Bahn konnten sich Beschäftigte erstmals zwischen mehr Geld oder mehr Freizeit entscheiden. Und die IG Metall hat eine Option für eine 28-Stunden-Woche über einen Zeitraum von zwei Jahren durchsetzen können, wenn Arbeitnehmer etwa für die Pflege Angehöriger mehr Zeit benötigen. "Flexibilität ist nicht länger ein Privileg der Arbeitgeber", sagte Gewerkschaftschef Jörg Hofmann hernach.

Doch zeigt sich längst ein Riss, der die Erwerbstätigen in zwei Lager teilt. "Hochqualifizierte haben häufiger eine selbstbestimmte Arbeitszeit als Geringqualifizierte, Männer eher als Frauen", sagt die Arbeitszeitexpertin der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, Yvonne Lott. Diese Beobachtung deckt sich mit den Erkenntnissen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Selbstbestimmte Arbeitszeiten gebe es vor allem bei Hochqualifizierten", erläutert dessen Experte Enzo Weber. Lott zufolge gibt es auch ein Gefälle zwischen den Branchen. In männerdominierten Berufen fänden sich selbstbestimmte Arbeitszeiten eher als in frauendominierten. Woran dies liegt, ist noch nicht ausreichend erforscht. Auf der anderen Seite finden sich die Verlierer der Flexibilisierung. Dazu gehört zum Beispiel ein großer Teil der Teilzeitbeschäftigten. Vor allem die Frauen in Teilzeit wollen häufig mehr arbeiten als sie laut Vertrag dürfen. Das ergab eine Studie des vom Bildungsministerium geförderten Instituts Soeb. Das IZA wiederum fand heraus, dass mit mehr Selbstbestimmung ein höheres Maß an Verantwortung einhergeht, was ein Teil der Arbeitnehmer nicht will. Verlierer sind schließlich jene Beschäftigten, die sich gegen eine Verschiebung ihrer Arbeit in die Freizeit gar nicht wehren können, weil es im Unternehmen üblich ist.

Bedarf an flexiblen Arbeitszeiten wächst

Mit einer weiteren Globalisierung und Digitalisierung wächst nach Einschätzung der Wirtschaft auch der Bedarf an flexiblen Arbeitszeiten. Eine neue Debatte um Höchstarbeitszeiten oder Ruhepausen ist längst im Gange. Beides ist gesetzlich geregelt. Es gilt ein höchstens acht, ausnahmsweise mal zehn Stunden langer Arbeitstag, eine maximale Wochenarbeitszeit von 48 Stunden und eine elfstündige Ruhepause zwischen zwei Schichten. Ausnahmen gibt es nur wenige, zum Beispiel für Bereitschaftsdienste oder die Landwirtschaft. Holger Schäfer vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hält diese strikten Normen für ein "Relikt aus dem vergangenen Jahrhundert". Der Ökonom plädiert dafür, die Gestaltung der Arbeitszeiten statt dem Gesetzgeber verstärkt den Tarifpartnern zu überlassen.

Eine Aufweichung der Bestimmungen halten Gewerkschafter dagegen für gefährlich. DGB-Vorstand Annelie Buntenbach fordert sogar einen besseren Schutzrahmen: "Viele Untersuchungen zeigen, dass Beschäftigte immer mehr Arbeit in der gleichen Zeit erledigen müssen und das oft nicht in der vereinbarten Arbeitszeit zu schaffen ist."

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