„Geruhsame Nacht“ - Ulrich Wickert geht

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„Ich gehe mit großer Zufriedenheit aus dem Job“, sagt Ulrich Wickert. Davon, dass der 63-Jährige ein geruhsames Rentnerdasein beginnen würde, war sowieso nie die Rede. Da wäre die Literatursendung „Wickerts Bücher“, die ein Mal im Monat in der ARD laufen soll; der Wirbel um das Günter-Grass-Interview in der ersten Ausgabe hat sie auf einen Schlag bekannt gemacht. Als er im April 2004 ankündigte, den Vertrag für die „Tagesthemen“ nicht zu verlängern, war ihm erstmals auch als Krimi-Autor („Der Richter aus Paris“) ein Bestseller gelungen. Nicht zu vergessen Bücher wie „Der Ehrliche ist der Dumme“, die ihn zu einer Art Moralisten der Nation gemacht haben.

Während seines einjährigen Studiums in den USA habe er seinen „Geist geöffnet“. Der Leitspruch von US-Präsident John F. Kennedy - „Frag nicht, was dein Land für dich tun kann, frag, was du für dein Land tun kannst“ - habe ihn für sein Leben geprägt, pflegt Wickert zu sagen, wenn es um seine politische und gesellschaftliche Einstellung geht. So interpretierte er auch seine Rolle, die er 1977 bis 1991 für die ARD als Korrespondent und späterer Studioleiter in den USA und in Paris spielte.

Am 1. Juli 1991 trat er die Nachfolge von Hanns Joachim Friedrichs bei den „Tagesthemen“ an und moderierte diese im Wechsel mit Sabine Christiansen, später Gabi Bauer und Anne Will. Die Popularität habe ihn „erst einmal erschlagen“, sagte er im „Spiegel“-Interview. Doch schon bald nahm der - nicht zuletzt durch seine Größe von 1,95 - stets leicht von oben herab wirkende Hanseat die Rolle an.

Dabei verstand er sich als Populist und Erzieher gleichermaßen. Seine Art, schwierige Sachverhalte leicht verständlich darzustellen und mit Ironie und Humor zu würzen, kam gut an - trotz gelegentlicher Schlagzeilen wie „Ulrich Wickert stottert sich durch die Tagesthemen“.

Große Resonanz bekam er auf seine letzten Worte vor dem Wetter: „Am liebsten sind mir Bonmots, die ein Lachen hervorrufen, das einem dann fast im Halse stecken bleibt.“ Wie er auf die Formel „einen angenehmen Abend und eine geruuuuhsame Nacht“ kam? „Weil ein Zuschauer einen Brief schrieb, in dem es hieß: „Lieber Herr Wickert, niemand im Fernsehen wünscht uns eine gute Nacht.“ An manchen Abenden habe er aus Jux eine andere Formulierung benutzt. „Zwei Tage später kommen unzählige Briefe von Zuschauern, die sich beklagen.“

Nur ein Mal hat Wickert wirklich negative Reaktionen in geballter Form auf sich gezogen, als er die Kritik der indischen Autorin Arundhati Roy an US-Präsident George W. Bush nach dem 11. September 2001 interpretiert und ihm die gleichen Denkstrukturen wie jene der Terroristen unterstellt hatte. Doch nach einer Entschuldigung für „missverständliche und misslungene“ Äußerungen war „Mr. Tagesthemen“ wieder da.

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