Fall Niklas P.Blutspuren auf einer Jacke sind kein eindeutiger Beweis

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Im Landgericht Bonn beginnt am kommenden Freitag der Prozess um den Tod des 17-jährigen Niklas P.

Im Landgericht Bonn beginnt am kommenden Freitag der Prozess um den Tod des 17-jährigen Niklas P.

Bonn – „Ich habe das Gefühl, dass Sie uns nicht alles sagen, was sie wissen.“ Rechtsanwalt Martin Kretschmer, Verteidiger des Hauptangeklagten Walid S. im Fall Niklas, sprach am zehnten Prozesstag das aus, was wohl alle Anwesenden empfanden.

Am Freitag ging es um DNA-Gutachten von Kleidungsstücken. Als Zeugen waren unter anderem die mutmaßlichen Träger zweier umstrittener Jacken geladen.

Blutspuren von Niklas an Jacke festgestellt

Auf der schwarzen Jacke, die bei Walid S. sichergestellt wurde, konnten laut Anklage an einem der Ärmel Blutspuren von Niklas P. festgestellt werden. Walid S. bestreitet jedoch, dass es seine Jacke sei. Er will sie von einem Kumpel geliehen haben – nach dem Zeitpunkt der tödlichen Prügelei. Der Gutachter bestätigte die Blutspur.

Zusätzlich trägt die Jacke aber Spuren weiterer Verdächtiger: Der 21-Jährige Andre (Name geändert) könnte sie getragen haben, auch Spuren von Walid S. und einem weiteren 22-jährigen Tatverdächtigen, Kalim (Name geändert), wurden sichergestellt. Auf einer dunkelgrünen Jacke wurden ebenfalls Spuren von Andre gefunden.

Blut könne nach der Tat auf die Jacke gelangt sein

Der Gutachter betonte, dass die Spuren kein eindeutiger Beweis für das Tragen einer Jacke, fehlende Spuren auch kein Beweis für das Nichttragen seien. Zudem könne das Blut nach der Tat an die Jacke gelangt sein, ohne dass der Träger an der Tat beteiligt gewesen sein müsse.

Andre gab an, in der Tatnacht mit Bekannten im Kurpark gewesen zu sein. Unter den Kumpels soll auch Walid S. mit seiner damaligen Freundin gewesen sein. Ihnen habe er später auch seine dunkelgrüne Jacke geliehen, dann sei er mit Kalim zur Rigal’schen Wiese gegangen. Dort soll dieser ihm eine schwarze Jacke geliehen haben, die in seiner Beschreibung allerdings deutlich von der verdächtigen Lederimitatjacke abweicht.

Kalim nahm Zeugnisverweigerungsrecht in Anspruch

Später habe er dann mit Walid S. und dessen Freundin den Bus zurück nach Mehlem genommen, dort hätten sie ihre Jacken getauscht. „Walid war öfter in Godesberg als ich, deshalb sollte er die Jacke Kalim zurückgeben“, erklärte der 21-Jährige. Kalim und auch dessen Bruder machten von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch.

Zuletzt trat die Freundin von Andre vor die Kammer. Die 18-Jährige gab an, sich an so gut wie nichts erinnern zu können. Sie sei in der Tatnacht Zuhause gewesen, wisse nicht, wann, wo und mit wem sich ihr Freund getroffen habe. Bei der Polizei soll sie ausgesagt haben: „In dieser Sache wird viel gelogen“. Die Kammer zweifelte ihre Aussage ebenso offenkundig an wie die ihres Freundes.

Die Staatsanwaltschaft kündigte an, die Verfahren gegen die rund ein Dutzend anderen Verdächtigen im Fall Niklas einzustellen. Begründung: mangelnder Tatverdacht. Damit bleibt Walid S. für die Staatsanwaltschaft der einzige Beschuldigte. (sms)

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